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08.01.11 / Wenn Freunde Feinde werden / Zwei junge Libanesen schlagen sich im Bürgerkrieg auf verschiedene Seiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Wenn Freunde Feinde werden
Zwei junge Libanesen schlagen sich im Bürgerkrieg auf verschiedene Seiten

Die Stadt Beirut ist nicht nur die Hauptstadt des Libanon, sondern auch das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Im Verlauf des libanesischen Bürgerkrieges (1975–1990) wurde die Stadt jedoch durch die Kämpfe mehrerer Gruppierungen teilweise in Schutt und Asche gelegt. Was können zwei junge Menschen, die ihre Eltern, Freunde und Verwandte in diesem Krieg bereits verloren haben, von ihrem Leben in einer vom Bürgerkrieg zerstörten Stadt erwarten?

Im Mittelpunkt von Rawi Hages Roman „Als ob es kein Morgen gäbe“ stehen die Freunde Bassam und George, genannt De Niro. In den 80er Jahren schlagen sich die Jugendlichen in Beirut mit kleineren Gaunereien mühsam durch. Sie trinken, kiffen und hoffen auf eine Chance, ein gutes Leben. Ihr Schicksal scheint jedoch bereits besiegelt, das einstige Paris des Nahen Ostens liegt in Trümmern und ist nicht dazu bestimmt, den Wunsch auf eine sorgenfreie Zukunft zu erfüllen. So scheint es jedenfalls.

George schließt einen Pakt mit dem Teufel, als er sich der „christlichen“ Miliz anschließt, welche mit gepanschtem Whiskey handelt, mit Drogen dealt und Prostitution betreibt. Er glaubt zu wissen, worauf er sich einlässt. „,Ich habe einen Auftrag von Abu-Nahra.‘ ,Was für einen Auftrag?‘ ,Ich fahre in ein Ausbildungslager nach Israel. Unsere Einheiten versuchen, sich mit den Juden im Süden zu verbünden.‘ ,Du machst einen Fehler‘, sagte ich leise. ,Nein, Bassam. Wir können diesen Krieg allein nicht gewinnen. Unser Volk blutet. Und du … dessen Großvater abgeschlachtet worden ist … dessen Vater … du ... du. Wir müssen uns mit dem Teufel verbünden, um das Land zu retten. Wie sonst sollen wir die Syrer und Palästinenser loswerden?‘ ,Ich haue ab und überlasse das Land den Teufeln‘, sagte ich. ,Du glaubst an nichts.‘ ,Seit wann glauben denn Banditen, wie wir sie sind, an irgendetwas?‘“

Langsam aber unaufhaltsam driftet das Leben der zwei jungen Männer auseinander, bis sie am Ende zu erbitterten Feinden werden. Während Bassam weiterhin davon träumt, eines Tages nach Rom zu gehen, wird George ein treuer Handlanger des gewalttätigen Abu-Nahra.

„Als ob es kein Morgen gäbe“ ist ein sehr düsterer, jedoch auch packender und dramatischer Roman. Es benötigt einige Seiten, sich in das Geschehen einzulesen, doch die Mühe wird belohnt. Der 1964 in Beirut geborene Autor des Romans Rawi Hage hat den libanesischen Bürgerkrieg am eigenen Leib erfahren. Für seinen tragischen, aber authentischen Roman- Erstling wurde er 2009 mit dem mit 100000 Euro dotierten Impac-Literaturpreis für ein Einzelwerk belohnt.           Vanessa Ney

Rawi Hage: „Als ob es kein Morgen gäbe“, Piper, München 2010, broschiert, 254 Seiten, 8,95 Euro


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