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08.01.11 / Worte statt Taten / Italien: Magere Erfolgsbilanz der Regierungsarbeit von Silvio Berlusconi – Freundschaften mit Putin, Bush und Gaddafi

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Worte statt Taten
Italien: Magere Erfolgsbilanz der Regierungsarbeit von Silvio Berlusconi – Freundschaften mit Putin, Bush und Gaddafi

In und außerhalb von Italien ist Silvio Berlusconi Synonym für Korruption, mafiöse Strukturen und Affären. Die unzähligen Skandale des Ministerpräsidenten und Medienmoguls überdecken häufig die konkrete Regierungsarbeit seiner Mitte-Rechts-Koalition. Diese gewann erstmals 1994 die Parlamentswahlen, konnte sich jedoch aufgrund des Ausstiegs der Lega Nord nur wenige Monate im Amt halten. Von 2001 bis 2006 führte Berlusconi erneut das Regierungszepter und gibt seit 2008 nach kurzem Intermezzo der Linken wieder den Ton in Rom an. In dem Sammelband „Berlusconi an der Macht“ nehmen Experten aus Deutschland, Italien und der Schweiz die Arbeit der italienischen Mitte-Rechts-Kabinette unter die Lupe und fragen nach Kontinuitäten und Zäsuren in verschiedenen Politikfeldern. Die Autoren kritisieren, der neoliberalen Rhetorik des Cavaliere seien bisher keine entsprechenden Reformen gefolgt.

Keine klare außen- und europapolitische Linie der Regierung erkennt etwa der Bologner Zeithistoriker Paolo Pombeni. Einerseits befürworte Berlusconi eine europäische Zusammenarbeit, wie in den Bereichen Verkehr, Immigration und Verbraucherschutz, andererseits fordere er, den Handlungsspielraum der nationalen Regierungen zu wahren. Mehr als auf Europa setze der Ministerpräsident auf die transatlantischen Beziehungen. Doch obwohl er 2003 die Kampfhandlungen der USA im Irak uneingeschränkt unterstützte, entsandte er italienische Truppen erst nach dem offiziellen Kriegsende. Der Südtiroler Historiker und Archivar Andrea di Michele vermerkt zudem die auffällige Personalisierung in der Außenpolitik. Berlusconis freundschaftliche Beziehungen zu anderen Staatsmännern dienen an erster Stelle seiner Selbstdarstellung und rangieren vor politischen Inhalten. Neben Wladimir Putin zählen der ehemalige US-Präsident George W. Bush, der ehemalige britische Premier Tony Blair sowie Libyens Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi zu den Vertrauten des Cavaliere.

Die Mailänder Soziologin Chiara Saraceno und Thomas Schlemmer vom Münchner Institut für Zeitgeschichte beklagen ferner die unerfüllten wirtschafts- und sozialpolitischen Zusagen der Regierung. Die angekündigten Steuersenkungen, Rentenerhöhungen, die Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes, Infrastrukturmaßnahmen und Familienhilfen hätten sich als leere Wahlversprechen entpuppt.

Die größten Anstrengungen unternahm Berlusconi in der Innen- und Rechtspolitik – allerdings sehr zu seinem persönlichen Vorteil, wie ARD-Korrespondent Gregor Hoppe und Amedeo Osti Guerrazzi vom Deutschen Historischen Institut in Rom feststellen. Verfassungsänderungen, wie der Immunitätsschutz für die vier ranghöchsten Politiker des Landes oder Einschnitte in die Pressefreiheit, hätten vor allem der Behinderung der zahlreichen Verfahren gedient, die gegen den Parteivorsitzenden und Unternehmer wegen Bestechung und Steuerhinterziehung laufen. Mit verschärften Einwanderungsregelungen und der Kriminalitätsbekämpfung durch Bürgerwehren habe die Regierung schließlich versucht, die Wählergunst zu beeinflussen.

Pointiert und lebendig geschrieben ordnen die Beiträge die Entwicklung Italiens in den letzten 15 Jahren in den europäischen Kontext ein.      Sophia E. Gerber

Gian E. Rusconi, Thomas Schlemmer, Hans Woller (Hrsg.): „Berlusconi an der Macht – Die Politik der italienischen Mitte-Rechts-Regierungen in vergleichender Perspektive“, Oldenbourg, München 2010, 164 Seiten, 16,80 Euro


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