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22.01.11 / Rettungslos verloren / Selbst der Star der Union, Karl-Theodor zu Guttenberg, konnte der Hamburger CDU keinen Glanz verleihen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

Rettungslos verloren
Selbst der Star der Union, Karl-Theodor zu Guttenberg, konnte der Hamburger CDU keinen Glanz verleihen

Fünf Wochen vor der ersten von sieben Landtagswahlen in diesem Jahr beginnt in Hamburg die heiße Phase des Wahlkampfes. Während die SPD unter Olaf Scholz vor Selbstbewusstsein strotzt, wandert die CDU durch ein Tal der Depression. Nach dem verlorenen Volksentscheid für die Schulreform hat die Partei ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Selten wohl ist ein politischer Stern so schnell erloschen wie der des ehemaligen Bürgermeisters Ole von Beust. Nach dessen Abgang und Scheitern der schwarz-grünen Koalition sucht die Hamburger CDU nach neuen Leitpersonen und Leitbildern. Sein Nachfolger im Amt des Bürgermeisters, der wenig charismatische Christoph Ahlhaus, wird die Schatten der Vergangenheit nicht los. Dabei gibt es viele Erfolge zu vermelden: 51 Prozent mehr Abiturienten seit 2001 und 40 Prozent weniger Schulabbrecher. Hamburg ist sicherer geworden mit 25 Prozent weniger Kriminalität. Bezahlbare Kindergärten ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem sei Hamburg eine „Boomtown“ geworden, preist Ahlhaus die „wachsende Stadt“ mit den vielen Baukränen.

Doch die Erfolgsbotschaft will nicht zünden. Nach der Aufstellung der Wahllisten am vergangenen Wochenende mit fast 100 Prozent für die Spitzenkandidaten müht sich die CDU-Basis auf der Ebene der Ortsverbände. Nur zehn Prozent der Mitglieder sind zur Kandidatenaufstellung für die Wählerlisten gekommen. Kaum jemand wagt eine optimistische Prognose oder ein politisches Ziel zu präsentieren. Die christdemokratische Basis leckt noch ihre Wunden der letzten zwei Jahre, weil etwa die Hälfte der eigenen Mitglieder gegen die Schulreform, die Einführung der sechsjährigen Primarschule und der de-facto-Abschaffung des Gymnasiums, stand. Dem immer grüner werdenden Bürgermeister von Beust durfte nicht in die Parade gefahren werden. Nun wird wahr, was die Kritiker befürchtet hatten: Die Hälfte der christdemokratischen Wählerschaft von 2008 ist verprellt.

Überraschend konnte Ahlhaus den Kopf der Schulreformgegner, Rechtsanwalt Walter Scheuerl, für die Landesliste der CDU gewinnen. Das trug zum Aufstieg aus dem Keller der Umfragen von 22 auf 26 Prozent bei. Der neue Landesparteichef Frank Schira will darin schon eine „Aufholjagd“ zu den Sozialdemokraten erkennen, die zwischen 43 bis 45 Prozent Zustimmung liegen. Zu unglaubwürdig wirkt vielen allerdings der schnelle Kurswechsel, zu frisch im Gedächtnis sind die Zumutungen der vergangenen zwei schwarz-grünen Jahre gewesen. Gebrochene Wahlversprechen hinterlassen bei vielen bürgerlichen Wählern das Gefühl, die CDU nicht mehr wählen zu können, obwohl es kaum Alternativen gibt.

Zum Wahlkampfauftakt am Montag dieser Woche gelang der Parteiführung ein weiterer Coup, den wenige für möglich gehalten hätten. Der neue Star der Union, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, zog im Hamburger Kongress-Zentrum 2800 Zuhörer an und vermittelte genau das, was den Christdemokraten von der Elbe so sehr fehlt: Selbstvertrauen, Selbstkritik, Selbstironie und Mut. Für viele Zuhörer sprach er wahrscheinlich zu intellektuell, aber immer wieder brandete Beifall auf, wenn er über seine mutigen Entscheidungen in Afghanistan berichtete. Neben warmen Worten für die Hamburger Parteifreunde widmete er sich in seiner knapp einstündigen Rede hauptsächlich bundes- und weltpolitischen Fragen. Seine selbstironischen Witze über den eigenen schnellen Aufstieg oder die zukünftige Rückständigkeit Bayerns (gegenüber Hamburg) zündeten. Selten ist ein Bayer in der Hansestadt so wohlwollend empfangen und mit so viel Applaus bedacht worden wie zu Guttenberg.

Die Hamburger SPD, seit neun Jahren in der Opposition, kann frei von den Wirren der gegenwärtigen Politik agieren. Mit großem Selbstbewusstsein tritt Olaf Scholz, der bei Regierungsverlust 2001 als Innensenator und Parteichef wirkte, vor die hanseatische Wählerschaft. In den letzten Tagen präsentierte er erst den Präses der großen Hamburger Handelskammer, Frank Horch, als neuen Kandidaten für das Amt des Wirtschaftssenators, dann den bekannten Reeder Erick Rickmers als Bürgerschaftskandidaten. Die Genossen machen also mal wieder gemeinsame Sache mit den „Bossen“ und die Hamburger Wirtschaft scheint wieder einmal ihr Fähnlein nach dem Wind zu hängen und unterstützt ziemlich geschlossen den wahrscheinlichen sozialdemokratischen Wahlsieger. Das trifft Christdemokraten wie Grüne ins Herz ihrer politischen Ambitionen. Noch im letzten Sommer wollte Bürgermeister Ahlhaus den Handelskammerpräsidenten als Wirtschaftssenator gewinnen. Die Grünen aber wollten sich mit ihm noch nicht einmal an einen Tisch setzen.

So geht der Christdemokratie ihr zentralstes Kompetenzfeld, die Wirtschaft, verloren. Den Elbgrünen dämmert langsam, dass die Kündigung der Regierungskoalition keine so kluge Idee war. Mit Scholz scheint es weniger Gemeinsamkeiten als mit der CDU zu geben. Der SPD-Mann plädiert energisch für die (von den Grünen blockierte) Elbvertiefung und ist gegen das grüne Lieblingsprojekt einer neuen „Stadtbahn“. Das eine Milliarde Euro teure Projekt sei nicht bezahlbar.

Was die Wahl tatsächlich bringt, scheint aber keineswegs so sicher zu sein, wie viele jetzt denken. Denn das – durch die Volksinitiative „Mehr Demokratie wagen“ – veränderte Wahlsystem gibt jedem Wähler zehn (bisher zwei) Stimmen, die er frei auf Parteien und Personen verteilen kann. Nur 50 der 121 Kandidaten für die Bürgerschaft werden über Landeslisten bestimmt, die anderen 71 mehr oder minder direkt gewählt. Das kann noch für manche Überraschung sorgen.        Hinrich E. Bues


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