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22.01.11 / Im Postkutschentempo fing es an / Vor 100 Jahren begann die Rallye Monte Carlo, um gut betuchte Besucher ins winterliche Monaco zu locken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

Im Postkutschentempo fing es an
Vor 100 Jahren begann die Rallye Monte Carlo, um gut betuchte Besucher ins winterliche Monaco zu locken

Seit Mitte der Woche schliddern und schleudern wieder hochkarätige Sportwagen bei der Rallye Monte Carlo durch die Kurven der Bergwelt an der Cote d’Azur. Dieses Autorennen gilt als „Mutter“ des Rallye-Sports, seit 1911 die erste „Monte“ startete. Die „alte Dame der Driftkunst“, wie sie auch genannt wird, feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag.

In Monte Carlo, dem Kern des Fürstentums Monaco, wurde das Autorennen zuerst ausgetragen, um auch in der Winterzeit zahlungskräftige Kunden anzulocken. Die glamourösen Hotels und vor allen Dingen das Kasino standen in dieser Jahreszeit weitgehend leer; der noch junge Automobilsport bot Gelegenheit, dies zu ändern. Und irgendwie schienen schon 1911 mondäne Autos und das Glücksspiel zusammen zu gehören.

Man kopierte in Monaco das erfolgreiche Konzept der Radrenn-Sternfahrten in Italien und köderte im Januar 1911 mit einer Siegprämie von 10000 Franc. Aus sechs Startorten, darunter Berlin, Genf und Wien, tourten 23 gut betuchte und wackere Teams gen Monte Carlo. Die Rally(e), englisch für „Treffen, Zusammenkunft“, war erfunden. Vorgeschrieben war vor 100 Jahren eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über zehn Stundenkilometern. Was für heutige Verhältnisse langsam erscheint, war in der Anfangszeit der Automobile auf Bergstrecken durchaus eine Herausforderung. Auch die Mindestzahl der Mitfahrer war vorgeschrieben, schließlich sollten möglichst viele zahlungskräftige Besucher in Monaco ankommen. Ebenfalls gefordert wurde eine gewisse „Eleganz des Fahrzeugs“, wie auch immer man das definieren wollte.

Dem in Paris gestarteten Henri Rougier (auf einem Turcat-Méry) gelang schließlich der Debütsieg. Für den ersten Protest sorgte damals der Zweitplazierte, der aus Berlin angereiste Julius Beutler, allerdings erfolglos. Dafür konnte er ein Jahr später auf einem Berliet gewinnen. Wegen des Ersten Weltkrieges und der anschließenden Inflation in Deutschland wurde das dritte Rennen erst 1924 ausgefahren. 1949 waren schließlich schon 230 Teilnehmer am Start. 1954 wurde die heutige Wertungsprüfung (WP) mit gesperrten Strecken und Zeitnahmen an Start und Ziel eingeführt. Die legendäre rund 44 Kilometer lange WP „Chartreuse“ und die Erstüberquerung des Col de Turini (1958) machten die Monte dann endgültig zur Königin aller Rallye-Strecken.

1960 sorgten Mercedes-Benz-Fahrer mit ihren Heckflossen-220-SE für einen Dreifacherfolg bei dem Bergrennen. Dann folgte die große Zeit der Mini Cooper, Porsche 911, Alpine und Lancia – jeweils von Privatfahrern gesteuert. Erst ab 1973 übernahmen die großen Werk-

Teams von Fiat, Lancia, Ford, Peugeot, Toyota oder Subaru die Herrschaft über die Monte Carlo. Dieses Jahr markierte auch den Beginn der offiziellen Rallye-Weltmeisterschaften. Deutschen Herstellern waren nur 1982 (Opel) und 1984 (Audi) Siege vergönnt. Als erfolgreichster deutscher Fahrer gewann der viermalige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl in Monte Carlo insgesamt dreimal, der aktuelle Weltmeister Sébastien Loeb (Citroen) gewann bisher fünf Mal das legendäre Rennen.

Zuletzt ist allerdings der Lack bei der „alten Dame des Rallyesports“ etwas abgeblättert. Der Klassiker wird – nach Einführung eines Rotationssystems durch die oberste Motorsportbehörde FIA – nur noch alle zwei Jahre ausgetragen. Zudem machte die FIA den Monte-Organisatoren zunehmend mehr Vorschriften. So verlangte sie aus Sicherheitsgründen unter anderem kürzere Etappen. Auch die legendäre „Nacht der langen Messer“, die berühmt-berüchtigte Nacht-Schlussetappe über den kurvenreichen Col de Turini, sollte entfallen. Das wiederum ließ sich der Monte-Veranstalter nicht bieten. So zählt die Rallye seit 2009 „nur“ noch zur Intercontinental Rallye Challenge IRC.

Aus dem einstigen Luxus-Vergnügen einiger weniger Reicher ist heute ein harter Leistungssport geworden, wo es um Sekunden geht, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die großen Autofirmen nutzen das Spektakel für ihre Auftritte. Insgesamt ist das Konzept aufgegangen. Das Fürstentum Monaco füllt sich mitten in der Winterzeit mit Menschenmassen, die Fahrer und hochgezüchtete Autos sehen wollen, die mit deutlich mehr als zehn Stundenkilometern Durchschnittsgeschwindigkeit unterwegs sind.   Hinrich E. Bues


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