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22.01.11 / »So war es wirklich« / Haus Schlesien zeigt eine Sonderausstellung über den Exodus des Bartschtals

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

»So war es wirklich«
Haus Schlesien zeigt eine Sonderausstellung über den Exodus des Bartschtals

Die Dokumentation über die Flucht und Vertreibung deutscher Familien aus dem Bartschtal sowie über die Zwangsumsiedlung ostpolnischer Bewohner soll zur deutsch-polnischen Verständigung beitragen.

„Das große Interesse sowohl bei den deutschen als auch bei den polnischen Besuchern hat gezeigt, dass die Aufarbeitung dieses Themas schon längst überfällig war. Menschen, die die Tragödie von Flucht und Vertreibung erlebt haben, haben darüber berichtet. Die Jüngeren, denen dieser Teil der Vergangenheit fremd war bzw. anders vermittelt wurde, können von der Erlebnisgeneration erfahren, wie es wirklich gewesen ist“, betont Hans Joachim Nitschke, zweiter Vorsitzender und Geschäftsführer der Heimatkreisgemeinschaft Militsch-Trachenberg.

Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott zeigt noch bis zum 13. Februar 2011 die Sonderausstellung „Exodus des Bartschtals-Vertreibungen, Umsiedlungen und Neuanfang von Deutschen und Polen“. Die zweisprachige Dokumentation ist ein Gemeinschaftsprojekt der fünf polnischen Gemeinden des Bartschtals – Militsch (Milicz), Trachenberg (Zmigród), Prausnitz (Prusice), Kraschnitz (Krosnice) und Freyhan (Cieszków) – und der Heimatkreisgemeinschaft Militsch-Trachenberg. Sie wurde erstmals im Jahre 2009 in Militsch (Milicz) gezeigt, es folgten weitere Stationen in Polen und Deutschland.

Zu den Ehrengästen, die der Vernissage im Haus Schlesien beiwohnten, zählten die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nord-rhein-Westfalen, Dr. Angelica Schwall-Düren, sowie der Landrat des Kreises Militsch, Piotr Lech, und der ehemalige Leiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadt Militsch, Irek Kowalski.

Auch Hans Joachim Nitschke, der zweite Vorsitzende und Geschäftsführer der Heimatkreisgemeinschaft Militsch-Trachenberg, war zur Ausstellungseröffnung nach Königswinter angereist. Er erinnert sich an die Beweggründe, die zur Entstehung der Dokumentation geführt haben: „Die Ausstellung ‚Exodus des Bartschtals’ ist eine Weiterführung der Ausstellung ‚Flucht, Vertreibung, Neuanfang’, die im Juni 2008 im Museum Springe / Deister, eröffnet wurde. Die polnischen Bürgermeister aus den fünf Großgemeinden unseres ehemaligen Heimatkreises, die am Bundestreffen der Heimatkreisgemeinschaft Militsch-Trachenberg in Springe teilgenommen und die Ausstellung gesehen haben, regten anschließend an, die Präsentation auch bei ihnen in Polen zu zeigen.“ So kam die zweisprachige Dokumentation zustande, die zum einen Schilderungen der Erlebnisgeneration enthält, aber auch mit Berichten von Menschen ergänzt wurde, die heute in der Bartschniederung rund 50 km nördlich von Breslau leben und 1945 dorthin zwangsumgesiedelt worden sind.

Bei einem Rundgang durch die Ausstellung wird anhand von Schautafeln, Dokumenten, Bildern und zeitgenössischen Gegenständen an das Schicksalsjahr 1945 im Bartschtal, an die Flucht und die ersten Jahre in der neuen Heimat erinnert. Deutsche wurden damals gezwungen, aus Haus und Hof zu fliehen, Polen wiederum wurden dorthin umgesiedelt. Es sind unterschiedliche menschliche Tragödien, die jedoch eines gemeinsam hatten: Die Familien mussten ihre Heimat gegen ihren Willen für immer aufgeben.

Im Januar 1945, als Frauen, Kinder und alte Menschen bei minus 20 Grad überstürzt ihre Heimat im Bartschtal verlassen mussten, ging es ihnen weder um politische noch um ideologische Hintergründe, sondern einfach ums Überleben. Am glaubwürdigsten und eindrucksvollsten lässt sich das Leid der Menschen und die dramatischen Vorgänge durch Archivbilder dokumentieren. Doch es hat keiner – bis auf den Fotografen Hanns Tschira aus dem Nachbarort Lübchen – den Fluchtverlauf der Trecks dokumentiert. So sind in der Ausstellung auch einige aussagekräftige Fotografien aus Tschiras Bildband „Abschied aus Lübchen“ zu sehen.

Die Präsentation im Haus Schlesien wird durch ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen und Führungen aufgewertet. Brigitte Diez-Völkening liest aus der Trilogie „Frauenleben“, der gebürtige Schlesier Bernhard Grund aus seinem Buch „Nix Zepzerip“.

Um auch Schüler- und Jugendgruppen das Thema Flucht und Vertreibung näher zu bringen, bietet Haus Schlesien neben Führungen auch die Teilnahme an spannenden Zeitzeugengesprächen an.

Die Ausstellung versteht sich als ein weiterer Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung und ist vor allem deshalb zum jetzigen Zeitpunkt so wichtig, weil es noch Vertreterinnen und Vertreter der Erlebnisgeneration gibt, die ihr Schicksal lebendig und anschaulich schildern können. Wer die Thematik noch etwas vertiefen möchte, findet im zweisprachigen, illustrierten Begleitband zur Ausstellung − der übrigens auch mit Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit herausgegeben wurde − zahlreiche beeindruckende Berichte deutscher und polnischer Flüchtlingsfamilien.         D. Göllner


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