16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.01.11 / Guttenberg erstmals unter Druck / Gorch Fock, dubioser Todesschuss, Feldpost-Zensur: Kommt der Überflieger da unbeschadet raus?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011

Guttenberg erstmals unter Druck
Gorch Fock, dubioser Todesschuss, Feldpost-Zensur: Kommt der Überflieger da unbeschadet raus?

Wenn es kommt, dann kommt es meist knüppeldick. Die schmerzliche Erfahrung, dass sich diese Weisheit der Seeleute oft bewahrheitet, macht derzeit auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Es sind gleich drei Ereignisse, die, innerhalb weniger Tage ans Licht der Öffentlichkeit gebracht, den  Politstar und seine Truppe aus dem Tritt bringen.

Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob individuelles Fehlverhalten, Führungsversagen oder gar ein strukturelles Problem der Streitkräfte vorliegt, sondern darum, ob der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt sein Haus richtig im Griff hat. Und nicht zuletzt geht es auch darum, ob die Vorfälle aus parteipolitischen Motiven aufgebauscht werden, um dem Minister zu schaden. Geöffnete Feldpostbriefe, ein mysteriöser Todesschuss und eine angebliche Meuterei auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ bewegen plötzlich die Gemüter. Von Vertuschung und Fehlinformation ist die Rede, von Täuschung des Parlaments durch den Minister und seine Mitarbeiter.

Den Anfang machte ein Brief des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus an Guttenberg, in dem er die angeblich systematische Öffnung und Zensur der Feldpost von Soldaten eines Außenpostens in Afghanistan monierte. Wenn dem so wäre, beispielsweise weil Vorgesetzte kritische Berichte aus dem Einsatz hätten abfangen wollen, hätte die Bundeswehr einen handfesten Überwachungsskandal. Das Briefgeheimnis als garantiertes Grundrecht gilt auch für Soldaten. Seine Einschränkung unterliegt, wie bei jedem anderen Staatsbürger auch, dem richterlichen Vorbehalt, so dass niemand außer dem Zoll das Recht hat, die Soldatenpost zu kontrollieren. Alle Feldpostsendungen werden im Bundesgebiet durch die Deutsche Post AG an die zentrale Feldpoststelle in Darmstadt versandt beziehungsweise in umgekehrter Richtung den Empfängern von dort zugestellt. Die Feldpost wiederum übernimmt mit bundeswehreigenen Transportkapazitäten die Beförderung zwischen Deutschland und den Einsatzgebieten und die dortige Zustellung. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Postbeförderung zwischen dem Außenposten und dem Feldlager Masar-i-Scharif im fraglichen

Zeitraum gar nicht von der Bundeswehr, sondern von einem privaten Vertragspartner durchgeführt wurde. Es müssen also nicht Bundeswehrangehörige gewesen sein, die sich an der Post von Kameraden vergriffen haben. Bislang ist völlig unklar, wann, wo und durch wen die Briefe geöffnet wurden. Der Verteidigungsminister hat gleich nach dem Schreiben des Wehrbeauftragten „umfangreiche Untersuchungen“ eingeleitet. Da der hinreichende Verdacht einer Straftat besteht, wird auch die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Außerdem ist zu klären, warum ein Soldat kurz vor Weih-nachten in Afghanistan durch einen Pistolenschuss sterben musste und wann Guttenberg was darüber gewusst hat. Hieß es zunächst, aus der Waffe des Toten habe sich beim Reinigen ein Schuss gelöst,   gab es schon bald Hinweise darauf, dass dabei ein Kamerad des Getöteten im Spiel war. Guttenberg blieb jedoch bei der ursprünglichen Version und verwies nur einmal, quasi im Nebensatz und eher kryptisch, auf die Möglichkeit eines Fremdverschuldens. Erst jetzt kamen nach Abschluss der Untersuchungen weitere Hintergründe offiziell ans Licht. Demnach hatte ein anderer Soldat unter sträflicher Vernachlässigung der Sicherheitsbestimmungen „spielerisch“ mit seiner geladenen Pistole hantiert, wobei sich der Todesschuss löste. Ein individuelles Fehlverhalten also mit bösen Folgen. Hat der Minister von Anfang an die Wahrheit gekannt, war es höchst unklug, nicht gleich damit herrauszurücken. Gibt es aber Bestrebungen im Bundeswehrapparat, Unangenehmes unter den Teppich zu kehren und sogar dem obersten Dienst-herrn vorzuenthalten, muss Guttenberg dringend für ein zuverlässiges Meldewesen und eine offenere Kommunikation im eigenen Hause sorgen.

Am meisten Kopfzerbrechen bereitet dem Minister nun die „Gorch Fock“. Zwei Todesfälle innerhalb von nur zwei Jahren werfen viele Fragen auf. Seefahrt ist ein gefährliches Metier, und dass es gerade auf einem Segelschulschiff trotz aller Sicherheitsmaßnahmen immer wieder zu Unfällen kommen kann, ist bekannt. Auch die „Gorch Fock“ ist kein Kreuzfahrtschiff, und wer als Offizieranwärter zur Marine geht, weiß, was ihn dort erwartet. Die Unfallbilanz des Schiffes ist trotz allem vorbildlich, auch wenn jeder Vorfall natürlich einer zuviel ist. Ein solches „Besonderes Vorkommnis“, wie es im Amtsdeutsch der Bundeswehr heißt, wird nicht nur intern, sondern auch von der Staatsanwaltschaft untersucht. Vertuschen lässt sich da nichts. Die Staatsanwaltschaft ist zu dem Schluss gekommen, dass bei der aus der Takelage gestürzten Soldatin „kein Hinweis auf eine strafrechtliche Nötigungshandlung“ vorliege. Das Aufentern ist grundsätzlich freiwillig. Die „erfahrene und hochmotivierte Offizieranwärterin“ habe beim Herunterklettern den Halt verloren.

Nun werden auch noch Berichte über aufmüpfige Offizieranwärter öffentlich zu einer Meuterei hochstilisiert und damit gleich die Ausbildung auf dem Schiff und alle „soldatischen Rituale“ in Frage gestellt. Dass ein Kommandant, der die uneingeschränkte Verantwortung für alle Vorgänge in seinem Bereich trägt, auch unabhängig von einem individuellen Verschulden von seinem Kommando abgelöst wird, ist nicht unüblich und muss auch nicht unbedingt das Ende seiner Karriere bedeuten. Es wird sogar von ihm erwartet, dass er unter Umständen von sich aus sein Kommandantenzeugnis zurück-gibt.

Hätte Guttenberg den Kommandanten der „Gorch Fock“ gleich nach dem letzten Todesfall abberufen, wäre darum wohl nicht viel Aufhebens gemacht worden. Nachdem er jedoch unmittelbar vor der jetzt erfolgten Ablösung des Kapitäns zur See Norbert Schatz, eines untadeligen und geachteten Offiziers, noch verkündet hatte, keine Vorverurteilung treffen und das endgültige Ermittlungsergebnis abwarten zu wollen, hat dessen „Rauswurf“ einen bitteren Beigeschmack. Der Eindruck drängt sich auf, dass der sonst so souveräne Minister Aktionismus an die Stelle von Aufklärung setzt und den Kommandanten als Bauernopfer über die Klinge springen lässt.

Das gespannte Verhältnis zwischen Guttenberg und FDP-Außenminister Guido Westerwelle, die sich nicht über einen Abzugstermin für die Truppe aus Afghanistan einigen können, nährt den Verdacht, dass drei qualitativ und zeitlich unterschiedlich gelagerte Fälle zeitgleich kommuniziert wurden, um Guttenberg zu diskreditieren. Den Anstoß dazu hat stets der Wehrbeauftragte Königshaus gegeben. Und der ist bekanntlich in der FDP und hat schon häufiger bewiesen, dass er es versteht, seine parlamentarisch verliehenen Privilegien zu nutzen, um sein Amt politisch zu instrumentalisieren. Jan Heitmann


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren