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29.01.11 / Vertreibung, nicht Migration / Überlegungen zum geplanten deutsch-polnischen Geschichtsbuch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011

Vertreibung, nicht Migration
Überlegungen zum geplanten deutsch-polnischen Geschichtsbuch

Wie berichtet hat die deutsch-polnische Schulbuchkommission Anfang Dezember ihre Empfehlungen für gemeinsame Geschichtsbücher vorgestellt. Um es klar zu sagen: Hier wurde nicht die Erarbeitung eines amtlichen Geschichtsbildes in Polen und in Deutschland beschlossen. Den Auftrag hatten der Kommission im Mai 2008 Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht namens der Kultusministerkonferenz und der stellvertretende polnische Bildungsminister gegeben – eine berechtigte Entscheidung, nachdem sich diese bilaterale Kommission schon seit 1972 mit deutschen und polnischen Geschichts- und Geographiebüchern kritisch beschäftigt. Am 1. Dezember haben nun in Warschau deutsche und polnische Historiker und Politiker Empfehlungen für ein solches Geschichtsbuch vorgestellt. Ziel ist ein Buch, das sowohl den Lehrplananforderungen der deutschen Bundesländer als auch den polnischen Plänen entspricht.

Die in den Empfehlungen enthaltenen Hinweise bilden die Basis für den Inhalt. Das Geschichtsbuch wird in mehreren Bänden erscheinen und umfasst den Zeit-raum von der Antike bis zur Gegenwart. Der erste Band soll möglichst zum Schuljahr 2013/14 erscheinen. Für die Erarbeitung sind je ein polnischer und deutscher Schulbuchverlag vorgesehen, die sich bewerben können. Es wird ein Geschichtslehrbuch für die Sekundarstufe I, in der Regel die Klassen 7 bis 10. Inhaltlich wird es keine deutsch-polnische Beziehungsgeschichte, sondern diese Geschichte wird in die europäische und globale Dimension eingeordnet. Nach dieser Konzeption wurde auch das deutsch-französische Geschichtsbuch erfolgreich entwickelt.

Das Buch soll auch Leitthemen und Felder mit besonderer Bedeutung für die polnische und deutsche Geschichtsbetrachtung aus europäischer Perspektive beschreiben. Ein treffliches Beispiel ist hier Nicolaus Copernicus. Die aufgelisteten inhaltlichen Schwerpunkte, Leitthemen des deutsch-polnischen Expertenrates, sind Empfehlungen an die Autoren der einzelnen Kapitel und Abschnitte, die diese in eigener Verantwortung bearbeiten. Es sind also Veränderungen oder Ergänzungen möglich. Beispiele: Beim Stichwort Grenzverschiebungen 1945 müssen nach Meinung des Verfassers die räumlichen Veränderungen in den Kulturlandschaften Ostmittel- und Mitteleuropas sowie die unterschiedlichen Positionen in der Frage der Anerkennung der heutigen deutsch-polnischen Grenze verdeutlicht werden. Auch der Begriff Vertreibung kann nicht einseitig durch Zwangsmigration ersetzt werden. Die schnelle Eingliederung von über zwölf Millionen Vertriebenen in die bundesrepublikanische Gesellschaft aber auch in das System der DDR sind konstitutive Merkmale der deutschen Entwicklungen seit 1945.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass aus vertriebenenpoltischer Sicht keine grundsätzlichen Einwände notwendig sind, wenn der Kompromisscharakter dieser Empfehlungen berücksichtigt und die erwartete Gestaltungsfreiheit der Autoren der Kapitel respektiert wird. – Es fällt auf, dass der Bund der Vertriebenen bisher diesem Projekt keine erkennbare Aufmerksamkeit geschenkt hat. Karlheinz Lau


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