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29.01.11 / Tafelsilber wird verscherbelt / In Königsberg soll städtischer Grundbesitz aus der Vorkriegszeit privatisiert werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011

Tafelsilber wird verscherbelt
In Königsberg soll städtischer Grundbesitz aus der Vorkriegszeit privatisiert werden

Die Behörde für Grundbesitz will auf einer Auktion städtisches Grundeigentum versteigern. Normalerweise vollzieht sich so etwas, ohne dass die Öffentlichkeit groß Notiz davon nimmt. Doch diesmal ist das anders, weil sich unter den 14 Objekten, die nun unter den Hammer kommen sollen, Gebäude befinden, die von öffentlichem Interesse sind. Es handelt sich um das Gebäude des ehemaligen Kinos „Gloria“ in der Brandenburger Straße 71 (Kiewskaja), in dem sich in den vergangenen Jahren das Kinotheater „Rodina“ befand, die „Villa“ in der Hoverbeck-Straße 22 (ul. Turgenewa) und die große Villa in der Gluck-Straße 10 (ul. Grekowo), in der lange ein Kindergarten untergebracht war.

Am höchsten wird von allen das „Rodina“-Gebäude bewertet: Für die 1728 Quadratmeter Nutzfläche plus Grundstück wird ein Startpreis von umgerechnet 1,15 Millionen Euro veranschlagt, für die „Villa“ auf der Hoverbeck-Straße mit 907 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche 333000 Euro.

Das interessanteste Objekt ist die Villa in der Gluck-Straße. Das Gebäude eines ehemaligen Kindergartens hat über 1000 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche auf einem 4540 Quadratmeter großen Grundstück. Es befindet sich in einer ruhigen Gegend im Zentrum zwischen dem städtischen Theater und dem Zoo. Es wurde auf 587000 Euro geschätzt, was äußerst niedrig ist im Verhältnis zu vergleichbaren Immobilien in guter Lage. Grund dafür ist der Zustand des Hauses, denn die Villa verfällt schon seit Längerem: Der Putz bröckelt, die Fenster sind zerbrochen, das Dach ist undicht und das Grundstück verwildert. Die Leidensgeschichte des Kindergartengebäudes begann vor etwa zehn Jahren. Schon im Sommer 2001 wurde der Kindergarten wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten geschlossen. Der Kindergarten wurde solange in ein anderes Gebäude ausgelagert. Die Stadtverwaltung hatte den Erziehern in Aussicht gestellt, dass die Bauarbeiten zum 1. September 2002 beendet sein würden. Doch geschehen ist bis heute nichts.

Auf dubiose Weise gelangte die Villa 2004 auf die Liste der zu privatisierenden Objekte. Normalerweise versteigert die Stadtverwaltung nur solche Immobilien, die ihren Zwecken nicht mehr dienlich sind, dabei handelt es sich meist um Läden oder andere Gewerbeobjekte. Warum ein Kindergarten auf dieser Liste steht, blieb unklar. Die Villa ging ins Stammkapital der „Städtischen Handelsbank“ über. Im Gegenzug sollte die Bank laut Vertrag einen neuen Kindergarten bauen. Da aber in den vergangenen Jahren das Defizit der Bank enorm gewachsen war und sie vor dem „Aus“ stand, wurde dieses Projekt nie in Angriff genommen.

Nach einigem Hin und Her ging die Villa im Dezember 2008 für 634000 Euro wieder in den Besitz der Stadt über. Im März 2009 wurde die „Städtische Handelsbank“ für bankrott erklärt.

Schon vor anderthalb Jahren hatte die Stadtverwaltung versprochen, den Kindergarten wieder in seinem bisherigen Gebäude unterzubringen. Im Mai 2009 erklärte Alexander Sujew, Chef der Behörde für städtisches Eigentum, dass innerhalb von zwei Jahren in der Villa wieder ein Kindergarten für 89 Kinder entstehen werde. Wieder verging ein Jahr, in dem nichts geschah. Wie sich herausstellte, hatte Sujew wissentlich die Unwahrheit gesagt, denn schon ein halbes Jahr vor seiner Erklärung hatten die Abgeordneten des Kreisrats über den Verkauf des Gebäudes abgestimmt.

Nun ist offensichtlich, dass weder das schöne Gebäude in der Gluck-Straße gegenüber dem Zoo noch das Grundstück im Zentrum für Kinder genutzt wird.            J.T.


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