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05.02.11 / »Unsere Ziele müssen realistisch sein« / Verteidigungsminister zu Guttenberg betont, dass er trotz aller Aufgeregtheiten seinen Überzeugungen treu bleibe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

»Unsere Ziele müssen realistisch sein«
Verteidigungsminister zu Guttenberg betont, dass er trotz aller Aufgeregtheiten seinen Überzeugungen treu bleibe

Anlässlich der neuesten Skandale um die Bundeswehr sind die eigentlichen Aufgaben des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg völlig aus dem Blick geraten. Jean-Paul Picaper stellte exklusiv für die Preußische Allgemeine Zeitung und für die Pariser Zeitschrift „Politique Internationale“ hierzu einige grundsätzliche Fragen.

PAZ: Herr Bundesminister, am 12. Dezember 2010 haben Sie dem deutschen Afghanistan-Truppenteil einen Besuch abgestattet, bei dem Ihre Frau Sie begleitet hat. 78 Prozent der Deutschen und auch die Soldaten vor Ort fanden das gut. Die Opposition und Teile der Medien haben es scharf kritisiert. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

Guttenberg: Der Einsatz in Afghanistan ist derzeit unsere größte sicherheitspolitische Herausforderung. Unsere zivilen Aufbauhelfer, unsere Polizisten und unsere Soldaten verdienen es, dass unsere Gesellschaft ihre Leistungen anerkennt und würdigt. Mich lässt diese Verantwortung für den Einsatz nie los. Ich denke täglich an unsere Soldaten und an das, was sie für unser Land, für unsere Sicherheit dort leisten und an Gefahren in Kauf nehmen. Ich halte es deshalb für wichtig, dass unsere Soldaten auch spüren können, dass ich diese Anerkennung mit meiner Familie teile und gemeinsam zum Ausdruck bringe. Dies mögen manche anders sehen. Als Politiker bin ich daran gewöhnt, dass der eine oder andere nicht alles für richtig hält, da ist häufig auch sehr viel künstliche Aufgeregtheit im Spiel. Das wird mich aber nicht davon abhalten, das Richtige zu tun.

PAZ: Ist die Aufgabe in Afghanistan machbar? Oder empfinden die Soldaten sie als nicht machbar? Was ist eigentlich diese Aufgabe und weswegen sind wir dort?

Guttenberg: In Afghanistan geht es zuallererst um unsere eigene Sicherheit. Wir müssen und wollen verhindern, dass von Afghanistan eine Gefährdung der internationalen Sicherheit ausgeht. Wir müssen dabei die Stabilität einer ganzen Region im Auge haben, einer Region, in der es – Stichwort Pakistan – Massenvernichtungswaffen gibt. Ein zusammenbrechender Staat Afghanistan hätte für diese Region schwerwiegende Folgen.

Das afghanische Volk will in Frieden ohne Gewaltherrschaft der Taliban leben. Und es hat wahrlich alles Recht dazu. Gute Regierungsführung, Bekämpfung der Korruption und der Drogenwirtschaft sowie der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte sind die zentralen Herausforderungen. Hier bleibt die afghanische Regierung gefordert. Aber wir unterstützen.

Präsident Karsai hat in den Konferenzen von London, Kabul und Lissabon bekräftigt, dass er bis 2014 die Sicherheitsverantwortung in ganz Afghanistan in die Hände afghanischer Sicherheitskräfte legen möchte. Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass dies gelingt und wir schrittweise reduzieren und eine „Übergabe in Verantwortung“ vollziehen können. Die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte steht deshalb im Fokus unseres militärischen Engagements.

PAZ: Laut Umfragen meinen 76 Prozent der Deutschen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland wie die Schweiz aus militärischen Konflikten heraushalten sollte. Sicher teilen Sie nicht diese Meinung …

Guttenberg: Über 40 Jahre war Deutschland „Frontstaat“ im Kalten Krieg und unmittelbar bedroht. Nur durch die Solidarität des Westens, den Rückhalt der Nato und insbesondere die Unterstützung Amerikas konnten wir unsere Freiheit verteidigen und den Frieden in Europa durch Abschreckung erhalten. Die Bürger in unserem Land haben den Ost-West-Konflikt und unser geteiltes Land hautnah erlebt. Jeder Mann und jede Frau in unserem Land wusste: Kommt es zu einem Krieg, dann auf deutschem Boden. In den letzten 20 Jahren konnte nun Deutschland wie kaum ein anderer Staat von der zunehmenden Stabilität des euroatlantischen Raumes profitieren. Heute sind wir von Freunden umgeben. Es drohen keine unmittelbaren Gefahren mehr für unsere Territorium. Dafür gibt es neue Risiken und Gefährdungen, wie zum Beispiel Internationaler Terrorismus, Proliferation von Massenvernichtungswaffen, Piraterie, Cyberwar, fragile Staaten. All das kann sich direkt oder mittelbar auf die Sicherheit unseres Landes auswirken, ohne dass dies aber unseren Bürgern tagtäglich bewusst wird. Hier ist politische Führung gefordert, um diese Zusammenhänge immer wieder zu erklären. Wir müssen deutlich machen, dass die Bedrohungen und Gefährdungen, denen wir ausgesetzt sind, heute keine Landesgrenzen kennen. Wir müssen erklären, dass wir uns unserer Verantwortung gegebenenfalls auch dort stellen müssen, wo Gefahren entstehen, gemeinsam mit unseren Freunden und Partner in Nato und EU – wenn nötig auch durch den Einsatz von Streitkräften.

PAZ: Die deutschen Armeen pflegten die Tradition der Auftragstaktik, bei der die Offiziere der mittleren Ränge selbstständig entscheiden und handeln. Ist diese Taktik in Afghanistan anwendbar?

Guttenberg: Führen mit Auftrag ist Markenzeichen der Bundeswehr. Das Ziel, also das „Was“, wird vorgegeben, das „Wie“, also der Weg, um dieses Ziel zu erreichen, liegt in der Entscheidung dessen, der den Auftrag erhält und ausführen soll. So ist sichergestellt, dass stets flexibel und lageangemessen reagiert werden kann. Auftragstaktik fordert viel von dem, der vor Ort handeln und reagieren muss. Gerade in Afghanistan ist die Auftragstaktik wegen der Komplexität der Aufgabe und der dortigen Herausforderungen besonders wichtig und besonders wertvoll. Jeder Soldat, jeder Patrouillenführer trägt große Verantwortung und muss schnell und richtig handeln können.

PAZ: Wie werden Kriege im 21. Jahrhundert aussehen? Das „Upsala Conflict Data Project“ und die „Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung“ in Hamburg sprechen von Krieg ab 25 Toten. Asymmetrische Kriege? Entstaatlichung des Krieges?

Guttenberg: Kein Konflikt oder Krieg entspricht dem anderen. Definierungsfragen stellen sich erst dann, wenn etwa Rechtsfragen berührt sind. Abstrakt lässt sich allerdings nur schwer eine Antwort geben. Keiner von uns kann die Zukunft genau voraussagen. Fest steht jedoch, dass wir das in unserer Kraft stehende tun müssen, um Konflikte und Kriege zu verhindern. Politik, Diplomatie, Entwicklungs- und humanitäre Hilfe müssen zusammenarbeiten, um Stabilität und Frieden zu fördern und zu bewahren. Prävention ist oberstes Gebot. Wir werden aber den Ausbruch von Konflikten nicht immer verhindern können. Sollte dann ein militärischer Einsatz notwendig werden, stehen wir alle gemeinsam in der Verantwortung. Wie genau zu handeln ist, muss in der jeweiligen Situation entschieden werden – aber es wird sicherlich flexibel, professionell und entschlossen sein müssen. Vor allem aber müssen unsere gemeinsamen Ziele realistisch und erreichbar sein.

PAZ: Sie haben einen Reformplan der Bundeswehr und Ihres Ministeriums vorgestellt. Wird mit dieser Reform die Idee der inneren Führung von Graf Baudissin und sogar die Vorstellung des Volks in Waffen von Gneisenau aufgegeben?

Guttenberg: Mitnichten. Die Innere Führung mit dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform bleibt auch in Zukunft unverwechselbares Markenzeichen der Bundeswehr. Das gilt völlig unabhängig vom Status des Soldaten, sei er nun Wehrpflichtiger oder Zeit- oder Berufssoldat. Unsere Führungsphilosophie gilt für alle Soldaten.

PAZ: Ursprünglich sollte diese Reform dazu dienen, Haushaltsgelder einzusparen. Aber eine Berufsarmee wird wahrscheinlich mehr Geld als eine Wehrpflichtarmee kosten?

Guttenberg: Es ist mein Ziel, die Bundeswehr effizienter zu organisieren und sie konsequent auf den Einsatz auszurichten. Insgesamt wird der Umbau der Bundeswehr fünf bis sieben Jahre benötigen und mittelfristig auch Einsparmöglichkeiten eröffnen. Völlig klar ist, dass die Bundeswehr dafür die Mittel bekommen muss, die sie zur Aufgabenerfüllung benötigt. Es darf uns nicht darum gehen, was die Bundeswehr pro Jahr kostet. Es muss vielmehr darum gehen, was uns die Sicherheit und der Schutz unserer Bürger wert ist. Aber auch die Bundeswehr wird einen Beitrag zur staatspolitisch wichtigen Haushaltskonsolidierung leisten müssen.


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