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05.02.11 / Gefräßiger Krake / Brüssel will für die Euro-Rettung mehr Einfluss – Deutsche gehen auf Distanz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Gefräßiger Krake
Brüssel will für die Euro-Rettung mehr Einfluss – Deutsche gehen auf Distanz

In einem Punkt sind sich deutsche Top-Manager mit Brüsseler Bürokraten einig. Sie alle lieben den Euro. Die deutsche Bevölkerung sieht das zunehmend anders: Die Popularität der Europäischen Union (EU) und der Gemeinschaftswährung befindet sich im Sinkflug.

Im schweizerischen Davos behaupteten letzte Woche Wirtschaftsbosse und Politiker glei-chermaßen, dass ein Scheitern des Euro „verheerend, eine Katastrophe“ wäre. Diese Aussage von RWE-Chef Jürgen Großmann teilten alle, die Vorstandvorsitzenden von Siemens, BASF, Deutsche Post/DHL, Metro und Deutsche Bank sowie Politiker verschiedener Couleur und Länder. Nur das Unwort des Jahres 2010 „alternativlos“ verkniffen sie sich.

In einer ähnlichen Tonlage argumentierte jüngst Johannes Laitenberger, Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident José Manuel Baroso, bei einem Vortrag in Hamburg. Er war der Einladung der Deutschen Bundesbankfiliale gefolgt und malte vor 120 geladenen Gästen ein Schreckensszenario an die Wand des vornehmen Saales in den Elbvororten. Deutschland würde seinen Wohlstand verlieren, wenn der EU-Binnenmarkt und der Euro entfalle. Er verwies darauf, dass 63 Prozent der deutschen Ausfuhren in den EU-Binnenmarkt und 40 Prozent in den kleineren Euro-Raum gingen. Allein die Absicherung der Wechselkursrisiken würde Milliarden verschlingen; Deutschland drohe ein Machtverlust; ja, selbst Kriege seien wieder möglich, so das Sprachrohr der EU-Kommission.

Da sich die einzelnen Nationalstaaten nicht an Schuldengrenzen und Defizitkriterien gehalten hätten, forderte der Kabinettschef mehr Macht und Sanktionsmöglichkeiten für die EU-Kommissare. Es solle eine neue europäische Wirtschaftsregierung eingesetzt, der Rettungsfonds bis hin zur Ausgabe von Euro-Bonds ausgeweitet werden. Es müssten „durchsetzungsfähige“ Instrumente gefunden werden. Warum Länder wie die Schweiz, Norwegen oder auch Polen, die allesamt dem Euro-Raum nicht angehören, noch nicht untergegangen sind, konnte Laitenberger in der anschließenden Fragestunde nicht beantworten.

In Deutschland mehren sich die skeptischen Stimmen gegenüber der EU. Der neue Wirtschaftsweise Lars Feld warnt in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ davor, den Rettungsfond auszuweiten. Man könne nicht „die halbe Euro-Zone retten“. Geradezu dramatisch schwindet in der deutschen Bevölkerung das Zutrauen in die Europäische Union, fanden die Allensbacher Demoskopie-Forscher heraus. Hatten vor neun Jahren noch 49 Prozent der Deutschen großes oder sehr großes Vertrauen in die EU, sind es heute nur noch die Hälfte (25 Prozent). Besonders fatal habe sich in dieser Hinsicht im letzten Jahr die Griechenland-Krise ausgewirkt. Sie sorgten seit März 2010 dafür, dass nun zwei Drittel der deutschen Bevölkerung der EU massiv misstrauen.

Auch den Euro betrachten die meisten Deutschen mit Skepsis. Sieht man einmal von einer kurzen Anfangseuphorie 2002 ab, lehnte seitdem stets eine Mehrheit die neue Währung ab, so die Allensbacher. Hätte man eine Volksabstimmung durchgeführt, wäre der Euro nie gekommen. 1995 waren nur 22 Prozent der Deutschen für eine europäische Gemeinschaftswährung und nach 16 Jahren ist heute wieder der gleiche Negativwert von 22 zu 67 Prozent erreicht.

Offenbar wird die Schere zwischen der Bevölkerung einerseits und Politikern beziehungsweise Wirtschaft andererseits immer größer. Dass „Europa unsere Zukunft ist“, wie Politiker, Manager und Brüsseler Bürokraten gleichlautend betonen, mögen immer weniger Deutsche glauben. Die Demoskopen erklären dies damit, dass immer mehr Grundsatzentscheidungen der letzten 20 Jahre gegen den Willen der deutschen Bevölkerung durchgesetzt wurden. Dazu zählen neben der umstrittenen Euro-Einführung auch die Aufnahme der neuen Mitgliedsländer in Ostmitteleuropa sowie die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Ein stärkerer Brüsseler Dirigismus, wie Laitenberger ihn forcieren will, würde diese Schere daher nur vergrößern können.             Hinrich E. Bues


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