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05.02.11 / Erst Lust, dann Frust / In den 50er Jahren kam die Europa-Bewegung auch aus dem Volk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Erst Lust, dann Frust
In den 50er Jahren kam die Europa-Bewegung auch aus dem Volk

Die Skepsis der Deutschen gegenüber der Europäischen Union hat unter dem Eindruck von Eurokrise und heraufdämmernder „Transferunion“ einen neuen Gipfel erreicht. „Europa“ ist schon lange kein Thema mehr, das Begeisterung hervorruft.

Das war einmal gänzlich anders: Im Sommer 1950 brannten an der deutsch-französischen Grenze die Schlagbäume. Junge Europa-Bewegte aus beiden Ländern taten ihren Einigungswillen derart militant kund, dass der erschrockene Bundeskanzler Adenauer einen CSU-Nachwuchspolitiker zu den Grenzstürmern schickte, um sie zu beschwichtigen. Es war der junge Franz Josef Strauß.

Die euphorischen Europa-Freunde waren keineswegs so isoliert, wie sich ihre Vorgänger in den 20er Jahren noch gefühlt haben mochten. In verschiedenen Orten führten sie „Europawahlen“ durch, bei denen sie die Haltung der Gesamtbevölkerung zum Projekt des vereinten Kontinents testen wollten. Das Ergebnis war überwältigend. In Castrop-Rauxel beteiligten sich stolze 75 Prozent an dem symbolischen Wahlgang, von denen 95 Prozent für einen europäischen Bundesstaat votierten.

Erste Kratzer erhielt die Europa-Bewegung gleichfalls bereits in den 1950ern. Die Regierungen in Bonn und Paris wollten das Saarland zum ersten Gebiet unter gemeinsamer europäischer Kontrolle machen. Bonn ging es dabei vor allem um den Ausgleich mit Frankreich, Paris war indessen mehr daran gelegen, den damals sehr wichtigen Industriestandort Saar aus Deutschland herauszulösen. Im Referendum von 1955 aber stimmten die Saarländer zu fast zwei Dritteln für die vollständige Rückkehr zu Deutschland. Im Jahr davor war bereits das Ziel einer gemeinsamen europäischen Armee am französischen Parlament gescheitert.

So nahm Europa den Weg über die Montanunion zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957. Politiker und Bürokraten dekretierten die fortschreitende Integration von jetzt an gleichsam von oben. Die Völker begleiteten die Bemühungen zwar freundlich, doch die eruptive Begeisterung der frühen 50er stellte sich nie wieder ein. Die ersten direkten Wahlen zum Europa-Parlament 1979 sorgten noch einmal für Auftrieb, doch die geringe Macht und die mangelnde Bekanntheit der Völkervertreter ließ die Freude bald erlahmen.

Die Befreiung Ost- und Ostmitteleuropas von 1989 bis 1991 wurde zwar insgesamt als europäisches, vor Ort doch aber vor allem als nationales Ereignis erlebt. Dies schlägt sich heute noch in den Vorbehalten manch mittelosteuropäischer Völker nieder, die neue Souveränität gleich wieder an Europa abzugeben.

Mit dem Beginn der Euro-Debatte und mit seiner Einführung 1999/2002 schließlich wurde „Europa“ erstmals von einer Großzahl von Menschen als regelrechte Bedrohung wahrgenommen. Pathos entwickeln fast nur noch die Politiker und gelegentlich Medienmacher. Hans Heckel


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