18.04.2024

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05.02.11 / Lobbys ohne Gleichgewicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Lobbys ohne Gleichgewicht

Die EU-Kommission ist nur indirekt demokratisch legitimiert, außerdem fehlt – mangels gemeinsamer Sprache – eine echte europäische Öffentlichkeit, die die Aktivitäten der EU-Kommission laufend im Blick behalten könnte. Bedenkt man diese beiden wichtigen Faktoren, dann ist es eigentlich erstaunlich, wie vergleichsweise effizient und gemeinwohlorientiert die Kommission seit Jahrzehnten dennoch tätig ist.

Allerdings ist diese Situation der geradezu ideale Rahmen für alle möglichen und unmöglichen Lobbys. Dass sämtliche Wirtschaftszweige die Entscheidungsträger in Brüssel systematisch zu beeinflussen versuchen, ist noch solange unproblematisch, wie die eingesetzten Mittel legal sind und keine Interessenvertretungen die Macht für sich allein beansprucht: In dieser Weise begrenzt etwa die Ökolobby die Macht der Chemielobby und umgekehrt.

Wo diese Balance fehlt, ist es einzelnen Interessengruppen gelungen, geradezu absurde Maximalpositionen durchzusetzen. Ein Beispiel dafür ist die Lobby des „Gender Mainstreaming“ (GM), die eng mit der Homosexuellenlobby verbunden ist. Da Ehe und Familie als menschlicher Mehrheits- und Normalfall keine organisierte Interessenvertretung haben (am ehesten waren das traditionell Kirchen und konservative Parteien), sind dieser Doppel-Lobby skurril anmutende Erfolge gelungen: Die Ideologie, dass die beiden Geschlechter Mann und Frau nur biologische, nicht aber soziale Naturgegebenheiten sind, konnte so bis in EU-Verträge und -Richtlinien einsickern. Die ganze Schwäche der christlichen Lobby hingegen wurde deutlich, als der glänzend qualifizierte Italiener Rocco Buttiglione im Jahre 2004 auf Betreiben der GM-Lobby als EU-Kommissar verhindert wurde. K.B.

 

Zeitzeugen

Günter Verheugen – Erst war er FDP-Generalsekretär, dann in gleicher Funktion bei der SPD und Staatsminister unter dem Grünen Joschka Fischer. Schließlich zog es ihn zur EU-Kommission. Die europäische Einigung hat für ihn den Zweck, Deutschland „einzubinden, damit von ihm keine Gefahr mehr ausgeht“.

Vaclav Klaus – Mit seiner schonungslosen Kritik an der EU und deren Demokratiedefiziten sorgte er 2009 für einen Eklat im Europa-Parlament. Die Beschneidung der Souveränität der EU-Mitgliedsländer durch den Lissabon-Vertrag ist für den tschechischen Staatspräsidenten nicht hinnehmbar. Im Juni 2010 erklärte der studierte Ökonom den Euro für gescheitert, der Euro-Zone als Institution gibt er dagegen eine Zukunft.

Hans-Gert Pöttering – Er ist der einzige Abgeordnete, der seit der ersten Wahl 1979 ununterbrochen dem EU-Parlament angehört. Schon früh engagierte sich der Jurist, Historiker und CDU-Politiker für Europa und machte zielstrebig seinen Weg nach Straßburg. Als EU-Parlamentarier führte er zunächst als Stellvertreter, dann als Vorsitzender die christlich-demokratische Fraktion, bevor er von 2007 bis 2009 als Parlamentspräsident amtierte. Heute leitet er die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Wolfgang Schäuble – Der Bundesfinanzminister gilt als unbeirrbarer Europa-Visionär. In den 1990er Jahren erarbeitete er als CDU-Fraktions- und Parteivorsitzender ein Konzept, dessen wichtigstes Element eine gemeinsame Währung sein sollte. Den Euro bejubelte er als Symbol des europäischen Aufbruchs. Er ist überzeugt, dass Nationalstaaten nicht alles regeln können und sollen, und setzt auf ein bundesstaatliches Europa.

Daniel Cohn-Bendit – Europa  wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Geboren im April 1945 in Frankreich, besuchte „Danny“ in Deutschland das Internat. Nach dem Abitur kehrte er nach Frankreich zurück und engagierte sich in der dortigen 68er-Bewegung. Deshalb nach Deutschland ausgewiesen, schloss er sich hier der Sponti-Szene und der APO an. Seit 1994 sitzt er mal für die deutschen, mal für die französischen Grünen im EU-Parlament.


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