25.04.2024

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05.02.11 / Schlachtruf eines Fleischessers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Moment mal!
Schlachtruf eines Fleischessers
von Klaus Rainer Röhl

Unmittelbar nach dem Krieg, fern meiner Heimatstadt Danzig, arbeitete ich während der Hungerzeit gegen Kost und Logis bei einem Bauern. Die Kost bestand aus Haferflocken morgens, Suppe aus Pökelfleisch mittags und Bratkartoffeln abends. Ein Jahr lang. Immer das Gleiche, aber satt. Glück gehabt. Brot gab es aber nicht, weil die Bauern keine Lebensmittelkarten bekamen, also nur das hatten, was sie selber auf dem Hof, einem schmalen Moorgrundstück, erzeugten, Eier, Speck und Milch. Eigentlich auch Fleisch, aber das Schlachten war verboten, im Krieg sowieso, auch danach von der Militärregierung. Schwarzschlachten hieß das. Ein Schwein wurde abgeliefert, eins heimlich gemästet und geschlachtet. Schlachttag, Freudentag. Einmal im Jahr. Türen abgeriegelt, einen Nachbarn geholt, der schlachten konnte, alle zum Schweigen vergattert. Die redeten da, in der Gegend von Engelschoff bei Himmelpforten, sowieso kaum. Alle waren aufgeregt, besonders wir Flüchtlinge aus der Stadt, meine Mutter und meine kleinen Geschwister. Schlachttag. Eine Tortur für die Sau. Als ob sie etwas von ihrem Tod hätte ahnen können, quiekte sie wie verrückt, als sie festgebunden wurde. Quiekte zum Gotter­barmen. Mehr um Ruhe bei der Arbeit zu haben als aus humanitären Gründen gab es eins mit dem Hammer gegen den Dötz, einmal oder auch zweimal, dazu gehört Erfahrung, Bolzenschussgeräte gab es da nicht, dann stach der Nachbar zu, das Blut spritzte im hohen Bogen, der Bauer fing den Strahl, so gut es ging, in einen Eimer auf. Das Blut war ganz warm, die Sau röchelte noch, zuckte wohl noch kurz, das Blut strömte lange, einen Eimer und noch einen Eimer voll und wurde von der Bauersfrau sofort gerührt, daraus wird ja die Blutwurst gemacht. Der Nachbar und unser Bauer begannen, das Schwein an einem Haken aufzuhängen und sogleich zu zerteilen. Die Innereien würden auch in den nächsten Tagen gegessen werden, während alles andere gepökelt (also eingesalzen) wurde, die einzige Methode, die wir hatten, das Fleisch zu konservieren.

Dann geschah das, was schon jedes Kind erlebt hat, dessen Kaninchen, Lämmchen oder Hühnchen geschlachtet wurde: „Nie werde ich das essen!“ Meine Mutter und meine Geschwister schworen, keinen Bissen von dem Schwein herunterzubringen.

Und das Ende vom Lied: Das hat geschmeckt. Und wie das geschmeckt hat! Erst mir und dann allen anderen ausgehungerten Flüchtlingen. Die Bauersleute hatten sich schon wochenlang auf den Schlachttag gefreut. Noch eine Woche lang aßen wir Blutsuppe, Wurst und Gebratenes.

Aber heute? Essen Sie noch „Tiere“? Dann haben sie den letzten „Speigel“, den „Stern“, das Fernsehen, das Internet und die vielen Interviews während der „Grünen Woche“ in Berlin nicht gesehen.

Da stieß der Besucher gleich am Eingang auf eine Vielzahl von Demonstranten gegen die deutschen Bauern. Schon vor dem Eingang zur Messehalle drückte uns ein freundlicher junger Mann eine Broschüre  zu einer geplanten „Demo“ in die Hand. Titel: „Wir haben es satt!“ Gegen Massentierhaltung, Tierfabriken und Gentechnik. Möglichst alle 403000 Besucher sollten das Interview mit dem amerikanischen Autor Jonathan Safran Foer zur Kenntnis nehmen, der mit seinem Buch „Tiere essen“ die Welt flächendeckend mit Horror-Visionen über die Massentierhaltung und die gequälten Tiere überzieht und uns den Appetit auf Fleisch gründlich verderben will. Mit Unterstützung aller guten Menschen im „Stern“, „Spiegel“ und allen ihnen nachplappernden Medien.

Das stand in der Broschüre der Müsli-Esser: „Wir haben es satt!“ Ich würde eher sagen: Sie sind satt. Sie haben schon gegessen, und zwar meistens ihr Leben lang, und nun – das ist ziemlich offenkundig – rümpfen sie die Nase über die kleinen Leute, die auch mal ein gutes Stück Fleisch billig einkaufen und essen. Wer sind sie, die Jonathan Safran Foer vertritt? Es sind die Bewohner der reichen Metropolen Europas und der USA, die Bessergestellten. Bestsellerautor Foer empfiehlt ihnen, wenn es unbedingt sein muss, dann nur „gutes“ Fleisch zu essen, bei dem man genau weiß, wo es herkommt. Woher? Sie haben es erraten! Vom Biobauern. Merke: Das Fleisch muss schön teuer sein. Ich übersetze diese Mahnung der ziemlich unverfrorenen Massenver-achtung ins Deutsche: Überlasst das Fleisch doch lieber den höheren Einkommensschichten. Die elitäre Anmaßung hat eine lange Geschichte: „Contenti estote – begnügt euch mit dem Komissbrote!“ sagt der Kapuzinerprediger in Schillers „Wallenstein“. Und schon im alten Rom (des beginnenden Verfalls) gab es für die Prolls zwar Brot und Spiele: Spiele mit echten Toten (wie heute Todessprünge bei Gummibärchen-Thomas) und Getreide. Fleisch war schon damals für die Bessergestellten  reserviert.

Die bessergestellten guten Deutschen kaufen nicht bei „Netto“ um die Ecke. Sie haben auch Zeit, sich zu bilden. Sie wissen darum, wie viel Regenwald abgeholzt und wie viel CO2 in die Luft geblasen werden muss, damit ein einziges Schwein gemästet werden kann – oder gar ein Rind. Jonathan Safran Foer ist nur die feine, sichtbare Spitze des Eisbergs. Die Welt ist voller Spinner.

Das Tier, so lehren uns die Vegetarier, ist auch eine Art Mensch und dürfe daher nicht gegessen werden, die Veganer ernähren sich nur von Pflanzen, und die ganz fanatischen „Frutarier“ essen nur, was vom Baum fällt, was also ihr Freund, der Baum, freiwillig hergibt. Weil die Pflanzen auch Geschöpfe Gottes sind, und die tötet man ja, wenn man sie isst. War der Mensch von Natur aus Pflanzenfresser? Unser Gebiss mit seinen stabilen Eckzähnen beweist es: Wir waren zuerst Fleischfresser. Aber warum so weit in die Vergangenheit zu­rückschweifen? Bei uns in Europa aß man Fleisch, wann immer man es konnte, man konnte es nur selten. Heinrich IV. versuchte sich bei seinen französischen Untertanen anzubiedern, indem er ihnen jeden Sonntag ein Huhn im Topf wünschte. Er selbst hatte, wie fast alle reichen Leute, schon früh die Gicht, eine Krankheit, die von übermäßigem Fleischgenuss herrührt. Die kleinen Leute hatten nie Gicht. Die hatten nur ewig Hunger. In den zwei Kriegs- und Nachkriegszeiten erst recht. Heute aber kann jeder Europäer sich einen Braten leisten. Gut so. Aber nun kommt das Problem: Rund eineinhalb Milliarden Chinesen, von der Ming-Dynastie bis Mao hauptsächlich von Reis und Gemüse lebend, wollen auch an die Fleischtöpfe. Die anderen Völker werden folgen, während die Vegetarier Tofu-Ente essen und die Frutarier Äpfel aufsammeln, die ihr Freund, der Baum, freiwillig hergibt. Fallobst. Und jede Menge Vitamine und Nahrungsergänzungspillen in der Apotheke kaufen, ohne die sie gar nicht lange leben könnten. Zu deren Herstellung – wie viele Regenwälder abgeholzt werden müssen?

Merke dies ostpreußische Sprichwort: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Es muss auch was jeschmurjelt sein!“

Und der „Spiegel“ macht selbst nach Nennung aller Vorteile der fleischlosen Ernährung in einem anderem Beitrag zu diesem Thema eine interessante Anmerkung: „Bei Vegetarismus scheint es ähnlich zu laufen wie beim Sozialismus: Er ist nur eine Vorstufe, eine Etappe. Der Sozialismus sollte in den Kommunismus führen, irgendwann, in ein Leben ohne Staat und Lohnarbeit. Der Vegetarismus soll in den Veganismus führen, irgendwann. In ein Leben ohne Fleisch, Milch und Eier.“

Mehr über Klaus Rainer Röhl unter www.klausrainerroehl.de.


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