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05.02.11 / Gefühle als Herrschaftsmittel / Vortrag zum Regierungsstil Friedrichs des Großen anlässlich seines 299. Geburtstags

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Gefühle als Herrschaftsmittel
Vortrag zum Regierungsstil Friedrichs des Großen anlässlich seines 299. Geburtstags

Mit Überlegungen zu den Gefühlen eines Königs wollte man an diesem Abend ausprobieren, so die Referentin, was bei gewichtigeren Anlässen nicht satisfaktionsfähig wäre. Dann nämlich seien eher die großen Fragen nach der Außenpolitik und der Philosophie vordergründig.

Anlässlich des 299. Geburtstages Friedrich des Großen am 24. Januar 1712 luden die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, die Musikfestspiele Sanssouci und die Nikolaisaal Potsdam gGmbH für vorletzten Montag in den Potsdamer Nikolaisaal zum Festvortrag „Die Gefühle eines Königs“. Gehalten wurde der Vortrag von der Historikerin und Sozialwissenschaftlerin Ute Frevert. Die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin beschäftigt sich in ihrem Forschungsbereich seit 2008 mit der „Geschichte der Gefühle“.

Dass der Monarch, der für viele die Inkarnation nicht überall geschätzter preußischer Tugenden sei, damit eine emotionale Ehrenrettung bekomme, sei zeitgemäß, meinte die Vortragende. Passe es doch in unsere Zeit, in welcher der Wunsch nach einer Vermenschlichung der politischen Bühne Hochkonjunktur habe. Wir bekämen somit einen „Friedrich zum Anfassen“. Doch täuschten wir uns anzunehmen, dass es sich hier um ein Gegenwartsproblem handele. Ähnliche Tendenzen habe es bereits im 18. Jahrhundert gegeben, als Zeitgenossen des Königs ihre Ära als „weinendes Säkulum“ bezeichnet hätten.

So habe sich Empfindsamkeit nicht nur in der Literatur widergespiegelt, beispielsweise in Johann Wolfgang von Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werthers“, sondern auch in Merksätzen der Philosophen, so Herder mit seinem antidescartisch anmutenden: „Ich fühle mich! Ich bin!“ Das Mitleid sei als wichtige menschliche Eigenschaft des Citoyen betrachtet worden.

In welcher Art und Weise Friedrich II. Gefühle als Herrschaftsmittel einzusetzen vermochte, wollte Frevert in ihrem Vortrag erkunden. Herrschaft bedürfe, nach der Theorie des Soziologen Max Weber, der Zustimmung der Beherrschten, ihres Glaubens an die Legitimität der Herrschaft. Gefühle wie Liebe, Hingabe, Vertrauen, Dankbarkeit und Treue nährten den Glauben, entstünden jedoch nicht von selbst, sondern müssten erweckt und gepflegt werden.

Nachdem Friedrich in jungen Jahren Francois Fénelons Abenteuer-, Reise- und Bildungsroman „Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse“ („Die seltsamen Begebenheiten des Telemach“) gelesen hatte, waren für ihn gute Regenten die, die den Untertanen mitfühlend und barmherzig gegenüber traten. Härte und Unerbittlichkeit zählten zu den schlimmsten Lasten. Ein gut regiertes Königreich musste wie eine Familie sein, mit dem Fürsten als Vater und dem Volk als dessen Kinder. Wobei Glück und Unglück von beiden Seiten geteilt werden sollten. In seinem 1739 verfassten Werk „Anti-Machiavel, oder Versuch einer Kritik über Nic. Machiavels Regierungskunst eines Fürsten“ erklärte Friedrich, dass ein König, dessen ganze Staatskunst darauf hinauslaufe, dass man sich vor ihm fürchtete, ein Herr über Sklaven sei. Der wollte er sicher nicht sein. Denn große Leistungen dürfe man sich dann von seinem Volk nicht erwarten. Er wollte bei seinem Amtsantritt 1740 jeden Untertanen vergnügt und glücklich sehen.

Nur spärliche Quellen verkünden von der Stimme des Volkes zum Thema. Vieles spreche aber dafür, dass sich um den Monarchen eine emotionale Aura bildete, die weithin wirkte. So schilderte die Referentin eine Szene im Hause Goethes, in der als Ergebnis eines Streites um ein politisches Thema am Ende die Aussage stand: „Was geht uns Preußen an? Es ist die Persönlichkeit des großen Königs, die auf alle Gemüter wirkt.“

Ute Frevert meint, im aufgeklärten Absolutismus Friedrichs des Großen in der Kommunikation zwischen König und Untertanen eine neue Sprache der Liebe, des Vertrauens, der Treue und des Mitgefühls wahrnehmen zu können, in der beide Seiten einander Zuneigung und Wohlwollen versicherten. Dabei rückte das Bild des menschlichen und menschenfreundlichen Königs in den Vordergrund. Auf freiwilligen Gehorsam kam es also an, nicht auf knechtischen.

Von patriotischen Bestrebungen konnte jedoch noch keine Rede sein. Der Übergang von der väterlichen zur vaterländischen Regierung, wie sie Immanuel Kant 1793 anmahnte, war einer späteren Zeit vorbehalten.  Silvia Friedrich


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