26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

Heimat kann man schmecken – so hatte ich kürzlich geschrieben, als ich auf unsere ostpreußischen Gebäckspezialitäten zu sprechen kam, weil eine Leserin nach einem Bild der väterlichen Konditorei in Königsberg suchte. Und prompt kam die Anfrage nach einem Rezept, die ich leider nicht erfüllen kann. Auslöser waren allerdings für Frau Irene Sanden aus Bergheim nicht die erwähnten „Liebesknochen“, sondern das Buch „Zwei Wege aus Ostpreußen“ und darin der Satz „Opa kochte gerne mal seine Spezialität, ein ,Judenmus‘.“

Das war ein Eintopfgericht aus Kartoffeln, Fleisch und anderen Zutaten, sicher mit Zwiebeln. Frau Sanden wollte gerne das Rezept haben, denn ihre verstorbene Urgroßmutter, Wilhelmine Lecsinski, hatte, wenn sie aus ihrer ostpreußischen Heimat erzählte, auch dieses Gericht erwähnt. Nur war Frau Sanden ja damals noch ein Kind und hatte nicht nachgefragt. Deshalb schrieb sie an den Autor des Buches und bat um das Rezept, aber er wusste es leider auch nicht. „Kennt vielleicht eine Leserin oder ein Leser das Rezept?“, fragt Frau Sanden nun unsere Familie. Ich muss leider passen, denn zwar habe ich den Namen dieses Gerichts schon gehört, aber meine Mutter hat es nie auf den Tisch gebracht, und ich habe es auch nirgendwo gegessen. Meine Kochbücher verweigern die Auskunft, aber im guten, alten „Ploetz für Ermländer“ fand ich die Erklärung: „Kartoffelsuppe mit Mehlklunkern und Bauchsstück“ Wie dieses kräftige und sicher sehr sättigende Gericht zu seinem Namen kam – der durchaus nicht diskriminierend ist – und wie das echte Rezept lautet, dürfen wir wohl bald aus unserem Leserkreis erfahren. Wahrscheinlich war es wohl in Masuren beliebt, denn Frau Irene Sanden geborene Karpowski stammt aus Neidenburg. Über einen Anruf würde sie sich sehr freuen. (Irene Sanden, Höhenweg 22 in 50129 Bergheim, Telefon/Fax 02238/450005.)

Heimat kann man aber auch weben und sticken – so möchte ich jetzt den Faden weiterspinnen, und den Anlass dazu bildet ein Bild, das uns Frau Hildegard Bartkowiak aus Chemnitz übersandte. Es zeigt einen Wandbehang, den die ebenfalls in dieser sächsischen Stadt lebende Ostpreußin Brigitte Schmiedel geborene Kohnert angefertigt hat. Motiv: „Omas Bauernhof“, und der existierte tatsächlich und lag in Schönwiese – nur hat ihn Frau Schmiedel nie gesehen, denn sie war erst zwei Jahre alt, als die Familie des Wehlauer Lehrers Kohnert auf die Flucht ging. Wie es zu dieser schönen Handarbeit kam und welche Hoffnung sie damit verbindet – darüber berichtete Frau Schmiedel bereits auf einem Treffen am „Tag der Heimat 2010“. Auch diese Ausführungen sandte uns Frau Bartkowiak zu, und sie erklären besser, als ich es könnte, was Frau Schmiedel mit dieser Arbeit bezweckte;

„Liebe Landsleute, ich möchte Ihnen heute etwas ganz Persönliches zum Thema Heimat erzählen. Als Jüngstes von vier Geschwistern habe ich keine Erinnerung mehr an das Zuhause meiner Familie. Ich fühlte mich schon immer als Sachse mit ostpreußischen Wurzeln, auf die ich stolz bin. Diese Wurzeln väterlicherseits kommen von einem Bauernhof in Schönwiese. Meine älteste Schwester, 1930 geboren, und die mittlere Schwester erinnern sich an schöne Ferientage bei Oma auf einem Bauernhof. Ich habe mal, handarbeitsverrückt wie ich bin, einen Wandbehang gemacht, der meiner großen Schwester gefiel, und sie bat mich deshalb: Sollte ich meinen 80. Geburtstag erleben, wünsche ich mir von dir in dieser Art Omas Bauernhof. Aber ich hatte diesen doch nie gesehen, außer auf einem Foto, wo kaum etwas zu erkennen war. Doch was schenkt man sonst einer 80-Jährigen? So nahmen die Gedanken Gestalt an. Viele Abende, ein halbes Jahr lang, war ich eingetaucht in die mir fremde Heimat. Habe telefoniert, gefragt, erzählt, erinnert … Der Boden war sandig, der Weg hell wie eben an der Ostsee. Die Erde karg, keine üppigen Ernten. Der Entenpfuhl mit Schilf bewachsen. Wie konnten die Dächer ausgesehen haben? Mit der Lupe erkannte ich auf dem Foto Dachziegel. Als ich sie fertig hatte, las ich in Vaters Aufzeichnungen: „Schon von weitem grüßte mich das mit Stroh gedeckte, hohe Dach des Wohnhauses! Puh! Mein Dach war gerade rot gedeckt! Aber ich hoffe, meine Schwester übersieht das großzügig. Der Lieblingsplatz meiner mittleren Schwester war hinter dem Wohnhaus, wo keine Fenster waren – bei mir sind welche! – oder auch im Hühnerstall und zeitweise in der Hundehütte, die gutmütige alte Cora hat das Pummelchen wohl geduldet. Vieles habe ich erfahren. Wenn die Mädchen sie bedrängten, sprach Oma auch mal Platt. Ich habe sie noch kennen gelernt, aber die Trauer um zwei Söhne und die Ungewissheit um die verschleppte Tochter hatten sie sicher verändert.“

Soweit Brigitte Schmiedels Erklärungen zu dem Wandbehang, dessen leuchtende Farben das Bild der Heimat bestimmen, das sie durch diese Arbeit gewonnen hat. Denn auch wenn der Gobelin ihrer Schwester gehört – ihr Gewinn ist noch größer: „Ich musste über meine Wurzeln nachdenken und war in Gedanken oft dort, wo die Heimat meiner Familie ist.“ Und immer noch – oder jetzt erst recht – bleiben Fragen offen. Wo lag das Nachbarhaus, aus dem ihre Mutter stammt, denn ihre Eltern waren Nachbarskinder? Wer kannte die Familie des Lehrers Kohnert in Wehlau? Wer kann noch mehr über diesen engeren Heimatkreis der Familie berichten, zu dem Brigitte Schmiedel jetzt Zugang gefunden hat? Frau Bartkowiak, die den Wunsch dieses Mitglieds ihrer Kreisgruppe übermittelt, hofft auf unsere Ostpreußische Familie. Zu Recht, denn wir haben auch Frau Bartkowiak schon einmal sehr geholfen, über die Vergangenheit ihrer Familie und die Wurzeln ihrer Eltern viel zu erfahren. Und wir freuen uns über dieses farbenfrohe Bild, das so viel Wärme, Ruhe, Geborgenheit ausstrahlt und die Weite ahnen lässt, in der dieser Hof lag. (Brigitte Schmiedel, Liddy-Ebersberger Straße 31 in 09127 Chemnitz.)

Unsere „Ostpreußische Familie“ steht nun – man lese und staune! – ausgeschnitten aus der PAZ und eingerahmt auf dem Flügel eines texanischen Hauses in Dallas, jedenfalls jene Ausgabe, in der ich von dem Besuch der gebürtigen Cranzerin Irmgard Pomper-Gilliland in ihrer deutschen Heimat berichtete. So sehr hat sie sich über die Veröffentlichung gefreut, dass sie diese Seite auch ihrem Cranzer und Königsberger Reiseleiter, Oleg Popov, zusandte, der ihn wiederum an Ludmilla und Wladimir, die heutigen Bewohner des Cranzer Hauses am Wasserturm, in dem die Familie Pomper gelebt hatte, weiterleitete. Und das wird Frau Laugalies interessieren, die nach der Stelle suchte, an der an der Schlossmauer die Kanttafel hing. Das ist ja nun hinreichend geklärt, aber der von Frau Laugalies übersandte Grundriss vom Königsberger Schloss steht nun ebenfalls eingerahmt auf dem Flügel in Dallas.

So macht unsere Zeitung die Runde, und da ist es kein Wunder, dass wir immer mehr Anfragen von Personen bekommen, die unsere Ostpreußische Familie bisher nicht gekannt haben. Unsere Leserinnen und Leser sind eben gute Mittler, wie die nächste Suchfrage beweist.

Frau Waltraut Siebert aus Gnust stammt aus Hinterpommern, liest aber mit großem Interesse unsere Ostpreußische Familie und hat nun einen Bekannten auf uns aufmerksam gemacht, der eine Suchfrage hat. Dieser, Herr Hans Detlef Rönnau aus Kiel, möchte die Wurzeln seiner mütterlichen Linie erforschen, und die liegen im ehemaligen Warthegau. Wenn die Frage auch nicht Ost- oder Westpreußen betrifft, will ich sie gerne veröffentlichen, denn wir haben in den letzten Jahren mit Fragen, die sich auf andere deutsche Ostgebiete beziehen, gute Erfolge erzielt. Die Mutter des Suchenden, Frau Ida Rönnau geborene Franzmann, *1. Dezember 1924, stammt aus Löwenstadt (Brzeziny). Ihre Eltern Johann Reinhard, *15. November 1897, und Olga Franzmann geborene Omenzetter, *14. September 1902, hatten in Löwenstadt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Getränkehandlung. Ida hatte noch einen jüngeren Bruder, Otto, *7. April 1926. Die Familie Franzmann flüchtete im Januar 1945 nach Rothfeld bei Lützen. Der Wunsch von Herrn Siebert ist es nun, mit ehemaligen Bewohnern von Löwenstadt in Verbindung zu treten, um mehr über den Heimatort seiner Mutter zu erfahren. Vielleicht gibt es auch noch Bekannte oder Kunden der Familie Franzmann, auch Mitschüler/innen der Kinder, die sich an sie erinnern. Besonders gelegen ist Herrn Rönnau an Abbildungen von Löwenstadt. Zuschriften und Anrufe bitte an Frau Hilde Rönnau, Kieler Weg 130, 24145 Kiel-Meimersdorf, Telefon (0431) 711239.

Auch in der Frage von Herrn Klaus-Dieter Becker aus L’Isle Adam in Frankreich kommen wir so peu a peu weiter. Er sucht den ostpreußischen Geburtsort seines Vaters Heinz Czylwick, den er mit Zarmovken – Zarnothen – Zarnowski angab. Der im Kreis Lötzen gelegene Ort hieß, wie es sich herausstellte, früher Czarnowken, heute Grundensee. Da Herr Becker in die Heimat seines verstorbenen Vaters reisen will, sind für ihn diese Angaben sehr wichtig. Aus unserem Leserkreis kamen gute Informationen, die ihm weiterhelfen und über die er sich freuen wird. Darunter zwei Kopien von Auszügen aus Lötzener Heimatbüchern mit Angaben über die Gemeinde Czarnowken/Grundensee, durch die Herr Becker viel Wissenswertes erfahren wird. Einen herzlichen Dank für dieses informative Material an unsere treuen Mithelfer, die Herren Schneidewind und Schwittay. Sie bemühen sich auch weiterhin und sind auf guten Kurs, wie mir Frank Schneidewind mitteilt. Er bat eine Bekannte, Frau Klara Bittlingmeyer geborene Jonseck, um Mithilfe. Die 91-jährige, geistig sehr rege Masurin stammt aus dem Nachbarort Nussberg, ihre Kusine wohnte in Czarnowken. Frau Bittlingmeyer telefonierte mit Bekannten aus der Heimat und brachte in Erfahrung, dass eine Familie Czylwick (Czylwik) auf dem zu dieser Gemeinde gehörenden Gut Scheuba gewohnt und wohl dort gearbeitet habe. Damit nicht genug: Herr Schneidewind schrieb nach Allenstein an eine dort wohnende Ostpreußin und bat um Erkundung vor Ort. Die Allensteinerin will nun ihren deutschsprachigen Sohn bitten, beim Pfarramt Widminnen beziehungsweise beim Gemeindeamt Czarnowken nachzufragen, ob eine Tauf- oder Geburtseintragung des Kindes Heinz Czylwick aus dem Jahr 1927 vorliegt. Vielleicht sind diese Register noch vorhanden – so hofft Herr Schneidewind, der nun auf eine Antwort wartet. Herr Becker wird solch eine intensive Mithilfe wohl nicht erwartet haben, aber das ist eben unsere Ostpreußische Familie: Aus vielen kleinen Steinchen entsteht das ersehnte Mosaik! Frau Bittlingmayer erfüllen wir als Dank für ihre Mithilfe gerne ihren Wunsch: Die heute in Eichhagen bei Olpe wohnende Ostpreußin lässt alle Bekannten aus ihrem Heimatort Nussberg herzlich grüßen.

Eure Ruth Geede


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren