29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.11 / Ernüchternde Bilanz / Vertreter hinterfragt sein Leben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Ernüchternde Bilanz
Vertreter hinterfragt sein Leben

Es gibt Momente im Leben, da fühlen sich manche Menschen leer, und das obwohl sie nach außen hin alles richtig gemacht haben. Sie verfügen über ein festes Einkommen, besitzen ein Häuschen, haben eine Frau und Kinder. Es wird auf ein geregeltes Liebesleben geachtet, man unterstützt sich, ist füreinander da, und dennoch lauert sie da draußen, die Gefahr, sich trotz aller Mühen und vernünftigen Entscheidungen von einem Moment auf den anderen leer zu fühlen.

In dem Roman „Tagsüber dieses strahlende Blau“ berichtet der Münchener Autor Stefan Mühldorfer, wie sich das Leben des Versicherungsmaklers Robert Ames trotz jahrelanger Beständigkeit und Bemühungen zu wandeln beginnt.

Robert Ames lebt mit seiner Frau und seinem Sohn Jonathan in einem friedlichen Örtchen im Süden Kanadas. Es war nie Roberts Wunsch, Versicherungsmakler zu werden, doch ist er ein feinsinniger Mann mit einem Gespür für Menschen und deren Stimmungen, was ihn zu einem recht guten, wenn auch leider nicht erfolgreichen Versicherungsberater macht. Genau betrachtet ist Robert mehr ein Antiheld als ein Held, dennoch ist er mit sich und der Welt im Reinen, scheinbar.

Der Tag, an dem sich das Blatt für Robert wendet, beginnt mit einem etwas verrückten Kundenbesuch, welcher dem vernünftigen Ehemann und Vater einen folgenschweren Denkanstoß bezüglich der Beziehung zu seiner Frau Kala und ihrem gemeinsamen Leben liefert: „Manchmal streichen die Tage und Monate in einem selbstvergessenen Rhythmus an einem vorüber und irgendwann sind Jahre daraus geworden und nichts kündet davon, dass es jemals  anders sein könnte. Dann wiederum befällt einen das unbestimmte Gefühl, dass die Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollten, obwohl man nicht sagen kann, woran es liegt, oder ob dem überhaupt so ist. Vielleicht rührt dieses Empfinden ja daher, dass die meisten Umbrüche unmerklich und ohne unser Zutun vonstattengehen …“

Stefan Mühldorfer gelingt es, die folgenschweren Gedankengänge und Beobachtungen Roberts mit einer Leichtigkeit zu beschreiben, welche die bittere Realität Lügen straft. Was als kleine Grübelei und Gedankenspiel begann, droht Robert nun zu entgleiten, entwickelt eine Eigendynamik, welche sein geregeltes und harmonisches, aber auch etwas langweiliges Leben wie ein Tsunami zu überrollen droht.

Ein Wehrmutstropfen an dem Roman ist, dass der Protagonist bis zum Ende des Buches nicht wirklich in der Lage ist, der Situation Herr zu werden, eine persönliche Entwicklung bleibt aus. Auch würden das Flair der Handlung und die Figuren, die der Münchner Autor schildert, mehr zu einem Vorort von München passen als nach Kanada.

„Tagsüber dieses strahlende Blau“ ist ein sehr gefühlvoller und emotional tief schürfender Roman, bei dem der Leser aufpassen muss, nicht selbst in einen Sog der Selbstbeobachtung zu geraten, in eine Art Bestandsaufnahme der aktuellen Lebenssituation abzuschweifen.            Vanessa Ney

Stefan Mühldorfer: „Tagsüber dieses strahlende Blau“, dtv premium, München 2010, broschiert, 240 Seiten, 14,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren