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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011
Geldeintreiber in Nöten In Deutschland ist es schwer, an wirklich guten, tiefschwarzen Krimi-Stoff zu gelangen. Der Noir-Spezialist Martin Compart hat dies einmal folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Laufen gerade ‚Frauen, die Prosecco kotzen‘-Titel, dann werden eben ähnliche Bücher so lange gemacht, bis sie keiner mehr sehen kann. Für den Kriminalroman heißt das: Laufen systemimmanente Weichspülgeschichten mit ein wenig grüner Sozialkritik und einer Kommissarin mit Menstruationsbeschwerden, dann machen eben alle Verlage Weichspülgeschichten mit ein wenig grüner Sozialkritik und Kommissarinnen mit Menstruationsbeschwerden.“ Der Internet-Dienst „Spiegel Online“ drückt es etwas weniger drastisch aus: „Deutschland ist das gelobte Land für Krimi-Autoren, hier werden sie geliebt, gekauft, sogar gelesen. Allerdings nur, wenn sie weiblich sind oder aus Skandinavien stammen oder Ian Rankin heißen.“ Doch keine Sorge. Die Fraktion, die die alten Meister James Lee Burke, Ed McBain, Raymond Chandler, Dashiell Hammett oder den fast komplett vergessenen David Goodis schätzt, kommt bei Ken Bruens Meisterwerk „London Boulevard“ jetzt voll auf ihre Kosten. Der witzige und harte Thriller hat alles, was einen echten Noir-Klassiker auszeichnet: einen kämpfenden Verlierer als Hauptakteur, eine verführerische, wenngleich abgehalfterte Diva (die mit ihren mehrfach gelifteten fast 70 Lenzen dem Protagonisten immer noch gehörig einheizt), eine Menge Drogen und Alkohol, fiese Typen und eine romantische Liebesgeschichte. Mitchell, so heiß der „Held“ des Romans, rutscht direkt nach seiner Haftentlassung wieder ins Milieu ab. Ein alter Kumpel will ihm einen Job als Geldeintreiber beschaffen, und die in einer Wahnwelt lebende Schauspielerin engagiert ihn als „Mädchen für alles“, das Reparaturarbeiten vornehmen oder bei Bedarf mit der Chefin ins Bett hüpfen muss. Natürlich kann dies für Mitchell, der schnell zwischen alle Stühle gerät, nicht gut ausgehen. Der Autor Ken Bruen, 1951 in Galway geboren, gilt zu Recht als der bedeutendste Vertreter des Irish Noir und ist allemal eine Entdeckung wert. Seine Bücher, auch die im kleinen Hamburger Atrium Verlag erschienene Jack-Taylor-Reihe, zeichnen sich durch kurze, harte Sätze, Witz und Tempo sowie zahlreiche literarische Anspielungen aus. Auch wenn die Deutschen zurzeit nicht so gut auf die Iren zu sprechen sind: An Ken Bruen kann dies nicht liegen. Ansgar Lange Ken Bruen: „London Boulevard“, Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, 262 Seiten, 8,95 Euro |
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