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12.02.11 / Bald zurück an den Fleischtöpfen? / Hamburger Genossen wittern Morgenluft – Viele SPD-Seilschaften haben die Oppositionsjahre überlebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Bald zurück an den Fleischtöpfen?
Hamburger Genossen wittern Morgenluft – Viele SPD-Seilschaften haben die Oppositionsjahre überlebt

Das „Superwahljahr“ 2011 be-ginnt am 20. Februar mit der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft. Alles deutet auf einen Regierungswechsel hin. Damit endet nach nur knapp zehn Jahren das Experiment einer bürgerlich ge-führten Regierung in der traditio-nellen SPD-Hochburg.

Dabei hatte im September 2001 alles durchaus hoffnungsvoll be-gonnen. In der Stadt gab es eine langfristige Wechselstimmung, die selbst Anhänger der SPD erfasste. In 44 Jahren Regierungsverantwor-tung hatten die Sozialdemokraten in Hamburg ein ausgeklügeltes Machtkartell errichtet und sich die Stadt gewissermaßen zur Beute gemacht. Kein gesellschaftlicher Bereich, der nicht von ihr be-herrscht wurde, keine Behörde, keine öffentliche Institution, kein größerer Verein, in dem nicht ein Genosse das Sagen hatte. Über Karrieren entschied das „richtige“ Parteibuch, weniger die Qualifikation. Der sprichwörtliche „rote Filz“ garantierte seit Generationen die unumschränkte Herrschaft der SPD über den Stadtstaat. Statt zu gestalten, wurde im Rathaus nur noch verwaltet und auf die Bewahrung der Pfründe geachtet.

Nach einem reinen Lagerwettkampf, in dem die bürgerlichen Parteien nur einen Programmpunkt, nämlich die Beendigung der SPD-Herrschaft, hatten, blieb die SPD stärkste Partei. Dennoch konnte Ole von Beust im September 2001 trotz eines äußerst mageren Ergebnisses für die CDU mit der Partei Rechtsstaatliche Offensive von Ronald Schill und der FDP eine Koalition bilden. Durch die Stadt ging ein Aufatmen, und selbst traditionelle Anhänger des rot-grünen Lagers sahen nach Jahren des Stillstandes eine Chance zum Aufbruch ge-kommen. Doch das große Aufräumen in den Fachbehörden und Amtsstuben blieb aus. Statt mit der scharfen Schere dem von der SPD gewebten Filz zu Leibe zu rücken, ließ von Beust selbst Spitzenbeamte mit SPD-Parteibuch im Amt. Er ernannte sogar Sozialdemokraten zu Staatsräten (Staatssekretären).

Ein prominentes Beispiel von vielen: Uwe Riez, einflussreicher Senatsdirektor in der Gesund-heits- und Sozialbehörde, in der Vergangenheit Schlüsselfigur handfester Filz-Skandale, Protagonist behördlicher Misswirtschaft und als ehemaliger Geschäftsführer der Beschäftigungsgesellschaft „Hamburger Arbeit“ verantwortlich für deren Millionendefizite, die er anschließend als der zuständige Beamte in der Sozialbehörde „glattbügelte“. CDU-Senatorin Birgit Schnieber-Jastram und ihr SPD-Staatsrat Klaus Meister beließen ihn nicht nur in seiner Funktion als Leiter des Amtes für Arbeit und Sozialordnung, sondern statteten ihn sogar mit weiteren Kompetenzen aus, obwohl eine Neustrukturierung der Behörde die Gelegenheit bot, ihn elegant loszuwerden. Als Amtsleiter hält sich der SPD-Genosse bis heute und wartet nun wohl wie viele seiner Parteifreunde auf bessere Tage.

Als von Beust nach der Bürger-schaftswahl 2008 das Regierungs-bündnis mit den Grünen schmie-dete, hatten viele CDU-Mitglieder bei dem Gedanken, mit dem bisherigen politischen Gegner zusammenarbeiten zu müssen, erhebliche Bauchschmerzen. Ihre Parteioberen versuchten, sie unter anderem mit dem Argument zu überzeugen, dass nur eine schwarz-grüne Koalition eine SPD-Regierung und damit eine Reaktivierung der roten Seilschaften verhindern könne. Diese seien auch nach sieben Jahren in der Opposition noch weitgehend in-takt. Nur wenn es gelänge, so schärften sie den Zweiflern ein, die SPD weitere Jahre von der Regierungsbank fernzuhalten, sei es möglich, das in Jahrzehnten gebildete Geflecht aus SPD-Günstlingswirtschaft und Erbhöfen aufzulösen. Dass die Parteistrategen damit nicht falsch lagen, zeigt sich heute. Zum Verdruss manch verdienter CDU-Parteifreunde, deren Hoffnung auf einen Platz an den Fleischtöpfen unerfüllt blieb, obwohl sie sich für Ämter und Würden qualifiziert hatten, ist die Bürokratie in vielen Bereichen noch immer sozialdemokratisch durchzogen. Den ersehnten Machtwechsel am 20. Februar vor Augen, wagen sich die SPD-Genossen langsam wieder aus der Deckung. So wird bereits aus einigen Behörden berichtet, dass SPD-Beamte ihren Vorgesetzten und Kollegen „von der anderen Feldpostnummer“ unverhohlen eine „Nacht der langen Messer“ nach der Wahl ankündigen. Ein deutliches Signal: Die SPD wird nicht zimperlich vorgehen, wenn es darum geht, ihre Gegner kaltzustellen und in den vergangenen Jahren verlorenes Terrain zurückzugewinnen.

Als die Filzvorwürfe Mitte der 90er Jahre vor allem gegen die Gesundheits- und Sozialbehörde so massiv geworden waren, dass rechtliche Konsequenzen befürchtet werden mussten, wandte sich die damalige Senatorin Helgrit Fischer-Menzel, die bald darauf selbst über eine Begünstigungsaffäre stürzte, an den mächtigen SPD-Kreisvorsitzenden Olaf Scholz. Er sollte diejenigen, die es allzu toll trieben, zur Raison bringen, um noch größeren Schaden von der Partei abzuwenden. Seine tatsächliche Rolle indes blieb im Dunkeln. Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Filz“ räumte die Senatorin auf die Frage, warum sie gerade Scholz mit der heiklen Aufgabe betreut habe, eher kryptisch ein, zwischen ihm und den Filzgenossen habe es „Verbindungen gegeben“.

Der Genosse mit den „Verbindungen“ schickt sich heute an, der nächste Hamburger Bürgermeister zu werden. Wird nun bald wieder der rote Filz „wie Mehltau über der Stadt liegen“, wie es der damalige Oppositionsführer von Beust einst so anschaulich formulierte hat? In einer Woche werden die Wähler auch darüber entscheiden.    Jan Heitmann


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