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12.02.11 / Vom Besetzer zum Besitzer / Linksautonome diktieren Nutzung von Häusern – Allgemeinheit trägt die Kosten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Vom Besetzer zum Besitzer
Linksautonome diktieren Nutzung von Häusern – Allgemeinheit trägt die Kosten

Wer heute fremde Häuser im Kampf gegen „Entmietung“, Spekulanten oder bauliche Großprojekte vereinnahmt, kann mit breiter Sympathie rechnen. Doch was aus den besetzten Häusern der Vergangenheit und ihren Besetzern wurde, ist meist unbekannt.

„Die Besetzer sind heute Anwälte und Ärzte“, entlarvte mal ein Hamburger Hochschulprofessor kleinlaut die Revoluzzer-Freunde von einst. Die szenetypisch kritisierte Teuerung in Wohnvierteln durch Besserverdiener ist nicht nur Vorwand rechtswidriger Hausbesetzungen. Die Verteuerung ist bizarrerweise nicht selten gerade die späte Folge der Besetzungen. Besetzer mutieren zu Besitzern. Was aus ihren Aktionen wird, hängt von den Reaktionen der Bürger, Besitzer und Behörden ab.

Bevorzugte Adresse der Besetzer ist bis heute Berlin. 1981 anwortete der West-Berliner Senat noch mit Räumungen der gut 160 betroffenen Objekte durch die Polizei und verhinderte so Neubesetzungen. Doch zwei Jahre später änderten die Stadtväter ihre Pläne. Intakte besetzte Wohnblocks blieben, statt wegsaniert zu werden, viele Besetzungen wurden legalisiert. Andere hielten aus eigenem Wunsch am illegalen Status fest – angeblich um „politischer Ziele“ willen. Ein Kampfargument der Szene bildet seither die „Kultur“: 1990 besetzten Jugendliche die zerfallende Mietskaserne Köpenicker Straße 137 in Berlin Mitte. Kommunale Wohnungsverwaltung und Polizei gingen nicht dagegen vor. Stattdessen wurden die Besetzer im Jahr darauf legalisiert. Der eigentliche Besitzer muss eine Neunutzung aufgeben. Die Gesellschaft für Stadtentwicklung schloss 1993 Mietverträge mit den Besetzern. Seit 2008 gelten diese über 30 Jahre – ein Traum für legale Mieter.

Auch in kleineren Städten verspricht „Instandbesetzung“, so der Szenejargon, Erfolg. Im studentisch geprägten Tübingen brannte 1972 der Jugendtreff Karlstraße. Jugendliche besetzten das Haus, forderten von der Stadt die Klärung der Brandursache und einen neuen Treff. Die Musikgruppe „Ton Steine Scherben“ tourte gerade durch die Stadt. Sie lieferte mit „Macht kaputt was Euch kaputt macht“ die Musik der Szene. Die Band besetzte 1971 ein Wohnheim des Berliner Bethanienkrankenhauses. Auch in Tübingen sind die so inspirierten Jugendlichen erfolgreich. Die Karlstraße 13 ist bis heute ein Jugendzentrum mit eigenem Trägerverein. In Tübingen wählten Besetzer 1977 ein Polizeihauptquartier nach einem Jahr Leerstand aus und erklärten es zum „selbstverwalteten Wohnprojekt“. Das, obwohl die geforderte Nutzung als Studentenwohnheim ohnehin geplant war. Nur wollte sich die Stadt nicht diktieren lassen, das Haus einem linken Verein zu übergeben. Heute haben Verein und Studentenwerk fusioniert. Ein Besetzer von damals wohnt sogar noch dort: als 74-Jähriger im Studentenheim unter der Verwaltung, die er bekämpfte.

So entstehen Besitzstände, die in legalen Mietverträgen unerreichbar sind. Für die Kostendifferenz kommt die Allgemeinheit auf: Ende der 70er Jahre besetzten Studenten ermutigt von bisherigen Erfolgen weitere Tübinger Häuser. Kurz darauf übernahm das Studentenwerk deren Verwaltung und duldete auf Druck der Neubewohner auch Nichtstudenten. Der faktischen Legalisierung folgte die Dauernutzung, bis vor gut zehn Jahren die einstigen Kasernen versteigert werden sollten. Die Alt-Besetzer ertrotzten jedoch, die Wohnungen zum Festpreis kaufen zu können. Inzwischen preisen sie ihr „Projektwohnen“ als Beitrag zur „Bürgergesellschaft“. Ein Bewohner: „Hier ist die gemeinsame Idee das Wichtigste, der Rest ist Fleißarbeit.“ Ein Beispiel, das Schule macht. In Freiburg im Breisgau weitet sich gerade eine innerstädtische Besetzung aus. Hintergrund: Streit um Baugenehmigungen und schleppende Kaufverhandlungen ermutigen Besetzer und machen Besitzer verwundbar, erst recht, wenn sie zögern, gegen die Einnahme von „Plätze-Häuser-Alles“ vorzugehen – so das Motto der Eingedrungenen. Mit Protest gegen Immobiliengeschäfte werben die dort erfolgreich – Strom gibt es vom Nachbarn.            Sverre Gutschmidt


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