18.04.2024

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12.02.11 / Die Besetzung von Stollwerk in Köln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Die Besetzung von Stollwerk in Köln

Macht Stollwerk zum Bollwerk“, fordern Kölner Hausbesetzer im Mai 1980. Sie nehmen das ausrangierte Fabrikgelände ein. Rund 500 Punker, Junkies, Obdachlose und Linke bleiben 47 Tage. Während sie eine „Volksküche“ einrichten und die noch  kaum bekannte Rock-gruppe „BAP“ spielt, plant die Stadt günstige Wohnungen für das sanierungsbedürftige Viertel und will Teile der Fabrik abreißen. Doch die Besetzer wollen den Kompletterhalt erzwingen. „Stollwerk: 500 Wohnungen frei! Einziehen! Selbst ausbauen! Drin bleiben!“, fordert die linke Zeitung „Schauplatz“.

Die Besetzung startet als Volksfest. Weil in der ungesicherten Baustelle ein Kind zu Tode stürzt, sieht sich die Stadt jedoch zum Eingreifen gezwungen. Sie will den eigenmächtigen Umbau stoppen. Die Besetzer wollen das verhindern. Bagger und Abrissbirne bleiben angesichts der Menschen auf dem Gelände untätig. Doch die Lage im Komplex eskaliert bald: Journalisten berichten von Vergewaltigung und aufgeschlitzten Hunden im Keller. Bald sind die Idealisten der ersten Stunde in der Minderzahl und auch ein Alkoholverbot, das sie ausrufen, bleibt wirkungslos. Kölns Öffentlichkeit verliert das Interesse, die Sympathie schwindet in dem Maß, in dem der rechtsfreie Raum Gestalt annimmt.

Im Juli 1980 sind noch gut 100 Jugendliche vor Ort – die anderen haben das Areal aus Angst vor der grassierenden Gewalt verlassen. Dennoch lässt sich die Stadt auf die Abzugsforderungen der letzten Besetzer ein: Weiterbau der „Musterwohnungen“, Gründung eines „Kulturzentrums“, Zurücknahme der Strafanzeigen und anderweitige Unterbringung der Besetzer. Die letzten ziehen ab.             SV

 

Zeitzeugen

Daniel Cohn-Bendit – Der spätere Grüne (ab 1984) macht sich zuerst in Frankreich einen Namen an der Spitze der Studentenprosteste von 1968. Der „rote Dany“ fordert, die Trikolore durch die rote Fahne zu ersetzen. Nach seiner Ausweisung ging er nach Frankfurt/M. und wirkte bei der Besetzung des Hauses Bockenheimer Landstraße 111 mit, das bald von 111 roten Fahnen geschmückt war. Das Haus gehörte dem Immobilienmakler und späteren Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis. Dieses baldige Zentrum der Besetzer-Szene wird 1974 geräumt – die Besetzer werfen Plastersteine und Brandsätze.           SV

Klaus von Dohnanyi – Der heute 82-Jährige regierte Hamburg in der Hochphase der dortigen Hausbesetzungen. „Die Hafenstraße war ein Jahrzehnt lang eine Wunde der Stadt“, sagt er im Rückblick zu dem in den 80er und 90er Jahren stark umkämpften Gelände. Trotz Abmachungen mit den Besetzern kam es dort wiederholt zu Ausschreitungen. Dohnanyi setzte sich 1987 in der damaligen SPD-FDP-Koalition mit einem Ultimatum an die Besetzer für einen friedliche Lösung ein. Die Barrikaden verschwanden, doch die „Auseinandersetzung hätte sogar Leben kosten können“, sagt er später.             SV

Helios Mendiburu – Der Ex-Kommunist trat in der Zeit des Zusammenbruchs der DDR der Ost-SPD bei. Als Bezirksbürgermeister von Berlin-Friedrichshain verhandelte er 1990 mit den Besetzern der Mainzer Straße. Die jugendlichen Besetzer versprachen Mendiburu den Auszug, hinterließen jedoch zertrümmerte Waschbecken und beschmierte Wände – der Politiker war „entsetzt“. Es folgten tagelange Straßenschlachten und der bis dahin größte Berliner Polizeieinsatz.           SV

Dieter Glietsch – Er ist seit 2002 Polizeipräsident von Berlin (63) und steht hinter der Räumung der Berliner Liebigstraße: „Dass die Drohungen ernst gemeint waren, hat sich nicht erst am Sonnabend, den 29. Januar gezeigt, als die Auseinandersetzung mit der Polizei offenkundig gesucht und Polizeikräfte gezielt und massiv angegriffen wurden. Die Folge waren 40 verletzte Polizeibeamtinnen und -beamte“, so die Bilanz des gebürtigen Nordrhein-Westfalen.      SV


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