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12.02.11 / Ausgeliefert unter deutscher Flagge / Piratenangriffe: Für deutsche Reeder ist die Mission »Atalanta« eine Lachnummer – Sie fordern mehr Schutz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Ausgeliefert unter deutscher Flagge
Piratenangriffe: Für deutsche Reeder ist die Mission »Atalanta« eine Lachnummer – Sie fordern mehr Schutz

Fünf Marineschiffe sollen ein Gebiet, das achtmal so groß ist wie Deutschland, überwachen. Dass das nicht effektiv ist, belegen die vielen erfolgreichen Angriffe auf Handelsschiffe durch afrikanische Piraten. Doch welche Alternativen gibt es?

In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder der Eindruck vermittelt, bei den Piraten handele es sich um Opfer, um Menschen, denen gar nichts anderes übrig bleibe, als Schiffe zu überfallen, weil ausländische Fangschiffe sie illegal aus ihren Fanggründen vertrieben hätten. Tatsächlich haben sich die somalischen Fischer zunächst mit Waffengewalt gegen das Eindringen ausländischer Trawler gewehrt und von den Besatzungen eine Art Schutzgeld erpresst. Als Kompensation für entgangene eigene Fänge. Dabei hätten sie es bis heute möglicherweise belassen. Aber es gibt Hinweise darauf, dass sich Organisierte Kriminalität die Erfahrung der Fischer zunutze machte, um sie auf Handelsschiffe vor der Küste zu lenken. Dort nahmen sie Beatzungen als Geisel und verlangten Lösegeld. Die Forderungen stiegen von Überfall zu Überfall. Mittlerweile betragen sie mehrere Millionen Dollar. Die Organisationen im Hintergrund vermitteln die Verhandlungen, regeln die Geldübergabe und kassieren den Löwenanteil.

Die erste Reaktion von seefahrenden Staaten Europas, Asiens und der USA war die Entsendung von Marineschiffen. Dazu gehört die Mission „Atalanta“ der Europäischen Union, die seit Dezember 2009 vor der ostafrikanischen Küste im Einsatz ist und an der sich auch die Deutsche Marine beteiligt. Vielfach wird sie in der Öffentlichkeit als Antipiraterie-Mission  bezeichnet, doch dies ist irreführend. Hauptaufgabe der Mission ist der Schutz von Schiffen mit Hilfslieferungen für ostafrikanische Staaten im Rahmen des Welternährungsprogrammes. Darüber hinaus sind sie ermächtigt, Schiffe gegen aktuelle Angriffe zu schützen. Eine aktive Bekämpfung von Piratenschlupfwinkeln ist durch das Mandat nicht gedeckt.

In jüngster Zeit haben viele Reedereien an Bord einen Schutzraum geschaffen, in den sich die Besatzung bei einem Angriff zurückziehen kann. So sind sie keine Geiseln und Marineeinheiten sind in der Lage, die Piraten gefangen zu nehmen.

Doch um erfolgreich zu sein, ist bei diesem Vorgehen Hilfe innerhalb weniger Stunden notwendig. Das zeigte  der Überfall auf das deutsche Schiff „Beluga Nomination“ am 25. Januar. Als nach mehr als zwei Tagen noch immer kein militärischer Schutz eingetroffen war, schweißten die Piraten den Schutzraum auf und nahmen die Seeleute als Geiseln. Sie sind derzeit noch immer in der Gewalt der Piraten. Als Reaktion auf den militärischen Druck unmittelbar vor der afrikanischen Küste haben die Piraten ihr Aktionsgebiet bis weit in den Indischen Ozean ausgedehnt. Die „Beluga Nomination“ beispielsweise wurde 1500 Kilometer nördlich der Seychellen gekapert.

Das Dilemma der Piraterie aus deutscher Sicht stellt sich kompliziert dar. Für Piratenbekämpfung ist in Deutschland der Küstenschutz, also die Bundespolizei, zuständig. Deutsche Polizisten sind aber in der Gefahrenregion vor der somalischen Küste gar nicht präsent und hätten gar nicht die Ausrüstung, um entsprechende Aufgaben zu übernehmen. Und selbst die Marine gerät mit ihren Kräften an ihre Grenzen. Denn das betroffene Gebiet ist achtmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Da können fünf europäische Marineschiffe wenig ausrichten.

Das Dilemma aus deutscher Sicht wurde auch beim sogenannten Piratengipfel Ende Januar in Berlin deutlich. Teilnehmer waren rund zwei Dutzend Fachleute, wie der maritime Koordinator der Bundesregierung, Vertreter der Bundesregierung, der Reeder, der Gewerkschaften, der Marine und der Seemannsmission. Die Reeder hätten am liebsten bewaffnete Soldaten oder Bundespolizisten zu ihrem Schutz an Bord, doch das wurde abgelehnt. Der Personalaufwand bei 1700 jährlichen Passagen deutscher Schiffe im Golf von Aden sei zu hoch. Zivile Sicherheitskräfte dürfen die Reeder unter deutscher Flagge nicht anheuern, das staatliche Gewaltmonopol untersagt dies. Die Reeder drohten, dann müssten sie mehr Schiffe ausflaggen – also nicht mehr unter deutscher Flagge fahren. Doch Piraterieexperten sind skeptisch, ob bewaffneter Schutz eine Lösung ist. Bisher hatte jede stärkere Abwehrmaßnahme eine Aufrüstung von Seiten der Piraten zur Folge. Das könnte bedeuten, ein bewaffneter Kampf um Schiffe rückt in greifbare Nähe.       Eigel Wiese


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