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12.02.11 / Wem der »Urknall im Labor« nützt / In Grundlagengroßforschung ist Deutschland weltweit Spitze – Milliarden, die sich lohnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Wem der »Urknall im Labor« nützt
In Grundlagengroßforschung ist Deutschland weltweit Spitze – Milliarden, die sich lohnen

Milliardengrab, schimpfen kritische Geister, wenn sie an Großforschung in Deutschland denken. Zum Teil haben sie sogar recht, auch wenn sie es nicht so gemeint haben: Allein in Darmstadt und in Hamburg werden derzeit Forschungsgelder in Höhe von über 2,5 Milliarden Euro im wörtlichen Sinne „vergraben“.

Tief unter dem Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung  (GSI) in Darmstadt wird ein Doppelring-Beschleuniger namens FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) mit einem Durchmesser von 1100 Metern gebaut, an den sich ein komplexes System von Experimentierstationen an­schließt. Obwohl die Anlage deutlich kleiner ist als der neue Teilchenbeschleuniger LHC am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf, ist sie für neuartige, so an keinem anderen Institut mögliche Experimente ausgelegt.

2018 sollen die Arbeiten aufgenommen werden, dann sollen 3000 Wissenschaftler aus aller Welt ergründen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“. Dank FAIR können sie 13,7 Milliarden Jahre in die Geschichte unseres Universums zurückblicken und quasi den Urknall ins Labor holen. Die Kosten des Projekts liegen bei 1,5 Milliarden Euro.

In Hamburg geht das Deutsche Elektronensynchrotron DESY ebenfalls tief unter der Erde neue Wege. In 20 Metern Tiefe entsteht ein 3,4 Kilometer langer Röntgenlaser (XFEL), der 2014 in Betrieb gehen soll. Meterdicke supraleitende Ringmagnete, auf fast den absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) herabgekühlt, zwingen den Laserstrahl auf seine Bahn. Pro Sekunde werden 27000 Lichtblitze abgefeuert; damit kann man die Struktur und das Verhalten einzelner Atome beobachten. Dieses Großprojekt kostet 1,1 Milliarden Euro.

Generell gilt seit langem in der physikalischen Grundlagenforschung: Je kleiner die zu untersuchenden Teilchen, desto größer (und teurer) die Forschungsanlagen. Kein Wunder also, dass da auch kritisch hinterfragt wird, ob sich solche Ausgaben überhaupt rentieren. Was hat der Bürger im täglichen Leben davon, dass ihm – in mehr oder weniger unverständlichem „Fach-Chinesisch“ beziehungsweise „Fach-Englisch“ – erklärt wird, auf welch wundersame Weise sich vor fast 14 Milliarden Jahren Quarks zu Elemen­tarteilchen, diese zu Atomen und Molekülen zusammengefügt haben?

Die Frage ist nicht neu, sie stellte sich auch, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts Albert Einstein die Relativitätstheorie oder Max Planck die Quantentheorie entwarfen – alles völlig abstrakt, kaum verständlich und meilenweit weg von den Dingen des Lebens. Doch ohne diese und viele andere Erkenntnisse der Grundlagenforschung müssten wir auf all die technischen Möglichkeiten, die heute wie selbstverständlich unser tägliches Leben bestimmen, verzichten.

Da ist es denn doch beruhigend, zu wissen, dass Deutschland in Sachen Grundlagenforschung weltweit mit an der Spitze steht. Denn daraus leitet sich auch eine Spitzenposition in der technologischen Entwicklung ab. Dies gilt für nahezu alle wichtigen Bereiche: Energie, Umwelttechnik, Medizin, Maschinenbau, Materialkunde bis – mit Abstrichen – zur Nachrichten- und Informationstechnologie.

Daher lohnen sich langfristig auch die Milliardenausgaben, die in Deutschland jährlich für Großforschungsprojekte aufgewandt werden. Insgesamt fließen 2,78 Prozent des Bruttoinlandprodukts in Forschung und Entwicklung. Die deutsche Wirtschaft ist an diesen rund 60 Milliarden Euro mit deutlich über 50 Prozent beteiligt; sie beschäftigt 340000 Menschen im sogenannten FuE-Sektor.

Dennoch wird immer wieder kritisiert, dass die Öffentliche Hand direkt über Bundes- und Landesetats oder indirekt über Forschungsorganisationen wie Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft oder Helmholtzzentrum in erheblichem Maße an den Forschungskosten beteiligt ist, nicht aber an den späteren Gewinnen. So berechtigt diese Kritik in Einzelfällen sein mag – Vater Staat muss auch bedenken, dass ihm ein Teil des Profits in Form von Steuern wieder zufließt.  Hans-Jürgen Mahlitz


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