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12.02.11 / Ein Kriegsverbrechen?! / Die Flächenbombardierung Dresdens vor 66 Jahren aus juristischer Sicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Ein Kriegsverbrechen?!
Die Flächenbombardierung Dresdens vor 66 Jahren aus juristischer Sicht

War die Zerstörung Dresdens durch anglo-amerikanische Bomber vom 13. bis 15. Februar 1945 ein Kriegsverbrechen? Die Frage beschäftigt neben der Ethik naturgemäß die Jurisprudenz. Während wichtige Moralphilosophen wie John Rawls oder A. C. Grayling unterschiedslose Luftangriffe klar verurteilen, brechen in der Völkerrechtsdebatte markante Gegensätze auf.

Einige Juristen bewerten die Flächenbombardements als Verstoß gegen ungeschriebenes Kriegsvölkergewohnheitsrecht. Dazu gehören James M. Spaight, bis 1937 Staatssekretär im britischen Luftfahrtministerium, und der Cambridge-Professor Hersch Lauter­pacht (1897–1960). Der deutsche Völkerrechtler Eberhard Spetzler begründete das mit ausdrücklichen Bekenntnissen aller Luftmächte des Zweiten Weltkriegs zum Schutz der Zivilbevölkerung. Das dadurch geschaffene oder bekräftigte Gewohnheitsrecht könne nicht durch Rechtsverstöße binnen weniger Jahre erloschen sein. Konsequenterweise hätten die Westalliierten ihre Flächenangriffe bis 1945 effizient verschleiert.

Widerspruch kam von Bomber-Command-Chef Arthur Harris: „In diesem Fall des Einsatzes der Luftstreitkräfte gibt es überhaupt kein Völkerrecht. … Trotz allem, was in Hamburg geschah, erwies sich das Flächenbombardement als vergleichsweise humane Methode.“ Die gleiche Sichtweise lag den Nürnberger Prozessen zugrunde. Die Attacken der Luftwaffe auf Warschau, Rotterdam und Coventry und erst recht die Zerstörungen Dresdens, Hamburgs oder Pforzheims wurden dort nicht verhandelt.

Erst unter dem Schock des Vietnamkriegs wechselte Telford Taylor, stellvertretender US-Chefankläger in Nürnberg, die völkerrechtlichen Fronten: „Dresden dürfte das Gewissen dieser Mächte heute noch belasten. Im Falle Hiroshimas kann über das Für und Wider gestritten werden; für Nagasaki habe ich noch keine plausible Rechtfertigung gehört.“ Taylors Hinwendung zu einem moralisch inspirierten Luftkriegsrecht, vor allem aber seine unscharfe Deutung des Begriffs militärisches Ziel lösten Kontroversen aus. Der Historiker und Buchautor Jörg Friedrich bemängelte: „Taylors Vorschlag, welcher die Einäscherung von 3400 Wuppertalern zulässt, weil am Ort Fallschirmseide hergestellt wird, und 6000 Heilbronner zu töten verbietet, weil sie Wein vermarkten, … ist nicht als Kriegsartikel formulierbar.“

Neben der inhaltlichen Klarheit zählt Friedrich die realitätsprägende Kraft zu den Bedingungen geltenden Völkerrechts. Daran fehle es dem angeblichen Luftkriegsgewohnheitsrecht der 1940er Jahre, das Terrorangriffe weder verhindert noch für eine spätere Bestrafung der Verantwortlichen gesorgt habe. Logischerweise sind diese Angriffe für Friedrich keine Verbrechen im juristischen Sinne: „Durch den Weltkrieg, seinen Verlauf, Ausgang und Gerichtsepilog ist eine Rechtswirklichkeit hergestellt worden. Die Flächenvernichtungsbombardements deutscher Städte gelten historisch weder im Ereignis noch in der Methode als ein Unrecht.“

Erstaunlicherweise prüfte niemand die Flächenangriffe anhand Art. 23 b und g, 25 und 27 der Haager Landkriegsordnung (HLKO) von 1907. Zur Anwendung käme dabei das reiche Arsenal juristischer Methodenlehre. Die genannten HLKO-Normen müssten nach ihrer Entstehungsgeschichte, ihrem systematischem Standort im Völkervertragsrecht sowie ihrem der Aufklärung entlehnten Sinn und Zweck ausgelegt werden. Eine Klassifizierung der Zerstörung Dresdens als schwerer Rechtsverletzung wäre die Folge. Der Hinweis auf eine vermeintlich abweichende „Rechtswirklichkeit“ würde daran nichts ändern, da geschriebenes Völkervertragsrecht ein stabileres Fundament bildet als die wacklige Konstruktion eines ungeschriebenen Gewohnheitsrechts.      Björn Schumacher


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