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19.02.11 / Tarnen und Tricksen à la Grande Nation / Euro: Vieles spricht dafür, dass Frankreichs Stabilitätszusagen an Deutschland bloßes Kalkül sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Tarnen und Tricksen à la Grande Nation
Euro: Vieles spricht dafür, dass Frankreichs Stabilitätszusagen an Deutschland bloßes Kalkül sind

In den EU-Ländern ist die Höhe der Staatsverschuldung bisher mit statistischen Tricks klein gerechnet worden. Die zuständige Behörde Eurostat hat Schulden verstaatlichter Banken und ausgelagerter öffentlicher Unternehmen in der Vergangenheit bei der Ermittlung der Staatsverschuldung nicht mit einbezogen. Besonders profitiert von diesem Vorgehen hat Frankreich.

Kern der bereits im Jahr 2009 getroffenen Regelung war es, dass die Aktivitäten von Zweckgesellschaften zur Bankenrettung, die in vielen EU-Staaten im Zuge der Finanzkrise gegründet wurden, bei der Ermittlung der aktuellen Staatsverschuldung nicht berück-sichtigt wurden, obwohl der Staat für sie haftet. Diese Regelung – zunächst vom französischen Statistikamt INSEE angewendet – ist im Juli 2009 aufgrund massiven französischen Drucks durch Eurostat übernommen worden. Die durch Zweckgesellschaften aufgehäuften Schulden wurden seitdem in gesonderten Aufstellungen der Aufmerksamkeit entzogen. Die skurrile Begründung für dieses Vorgehen war, dass man so mehr Transparenz schaffen würde.

Allein 2009 hat Frankreich auf diesem Weg Anleihen der staatlichen Refinanzierungsgesellschaft SFEF in Höhe von rund 75 Milliarden Euro nicht in die Staatsverschuldung einrechnen müssen. Nach Berichten von österreichischen Journalisten würde sich im Falle der Alpenrepublik die offiziell ausgewiesene Verschuldung von derzeit 69 Prozent auf 79 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erhöhen. Für Frankreich beträgt die Verschuldung selbst mithilfe der statistischen Kosmetik bereits 86 Prozent.

Nicht immer reicht der politische Einfluss von Paris allerdings aus, die wahre Lage derartig zu verschleiern. Alarmierende Zahlen hat zum Beispiel die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in den letzten Tagen präsentiert. Von den rund 210000 Firmeninsolvenzen im Jahr 2010 innerhalb der EU entfielen über 51000 auf Frankreich. Die hohe Zahl von Firmenpleiten ist Ausdruck einer seit Jahren abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Die strukturelle Schwäche der französischen Wirtschaft wird auch an dem dauerhaft hohen Leistungsbilanzdefizit von zirka 1,5 Prozent deutlich – Deutschland liegt bei einem Überschuss von vier Prozent. Frankreichs Anteil am Welthandel hat sich in den letzten 30 Jahren von sechs Prozent auf nur noch drei Prozent verringert. Nur rudimentär vorhanden ist ein exportkräftiger Mittelstand wie in Deutschland. Auch was die Arbeitsproduktivität und die Lohnstückkosten anbelangt, ist Frankreich ins Abseits geraten. Der Arbeitgeberverband MEDEF geht davon aus, dass die Arbeitskosten über 23 Prozent höher sind als auf deutscher Seite. Dass Präsident Nicolas Sarkozy bis zu den anstehenden Präsidentschaftswahlen im Mai 2012 noch ein ernsthaftes Reformprogramm in Angriff nimmt, ist nahezu ausgeschlossen. Schon die im Ok-tober 2010 beschlossene Änderung am Rentenrecht hat zu massiven landesweiten Streiks geführt. Wie die beschlossene Pflegeversicherung  oder eine Reform der Vermögenssteuer gegenfinanziert werden sollen, dazu hat Sarkozy bisher geschwiegen. Weitere Reformvorhaben innerhalb der Wahlkampfzeit hätten für ihn das sichere Scheitern bei der anstehenden Wahl zur Folge.

Umso erstaunlicher ist die derzeitige Unterstützung für die deutschen Vorschläge zu einem „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ innerhalb der EU. Die deutschen Forderungen zur Haushaltsdisziplin wurden vor kurzem noch von französischen Ministern als deutsches Spardiktat für Europa verunglimpft. Verständlich wird der scheinbare Sinneswandel mit Blick auf den Euro-Rettungsschirm EFSF und den ab 2013 als Nachfolger geplanten ständigen Rettungsfonds ESM. Die Aufstockung der Mittel und der von Frankreich gewünschte Kauf von Staatsanleihen sind nur mit deutscher Einwilligung denkbar. Das französische Kalkül dürfte lauten: Die deutsche Zustimmung zum erweiterten Rettungsmechanismus mit Entgegenkommen bei den deutschen Forderungen zu erkaufen – späteren Regelverstoß bereits einkalkuliert.

Sobald der vergrößerte Rettungsschirm installiert ist, wird eine Organisierung von Mehrheiten durch Frankreich zur „flexiblen“ Anwendung der Vereinbarungen kein Problem sein, analog zum Aufweichen der „Maastricht“-Kriterien seit der Euro-Einführung.

Nutzen von einem vergrößerten Rettungsschirm hätten nicht nur die bisher schon im Blickpunkt stehenden Staaten wie zum Beispiel Irland und Griechenland. Ein Zugriff auf den Rettungsschirm könnte für Frankreich selbst erforderlich werden: Von den Ratingagenturen gab es bisher nur Warnungen zur französischen Staatsverschuldung, die Einstufung als sicherer Schuldner wurde noch belassen. Allerdings wird das an den Märkten schon anders gesehen. Nach den Angaben von CMA Datavision haben sich die Kosten zur Absicherung  französischer Staatsanleihen  im Laufe des Jahres 2010 mehr als verdreifacht.

Schon bei der Installierung des derzeit existierenden Rettungsmechanismus EFSF im Mai 2010 hielten sich hartnäckig die Gerüchte, dass in den Tagen vor dem dramatischen Gipfeltreffen keine Käufer für französische Staatsanleihen mehr zu finden gewesen waren. Auf den illiquiden Märkten waren von den Anleihen der EU-Länder nur noch die deutschen „Bunds“ handelbar. Norman Hanert


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