28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.02.11 / Das Lächeln aus der Vergangenheit / Eine außerordentliche Restaurierungsaktion ermöglicht die Präsentation der Götter vom Tell Halaf in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Das Lächeln aus der Vergangenheit
Eine außerordentliche Restaurierungsaktion ermöglicht die Präsentation der Götter vom Tell Halaf in Berlin

Als die berühmten Buddha-Statuen im afghanischen Bamiyan-Tal 2001 von den Taliban zerstört wurden, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Welt. Zehn Jahre später ziehen marodierende Horden durch Kairo und zerstören Kulturgut der Ägypter. In der syrischen Metropole Damaskus, wo das Deutsche Archäologische Institut eine Zweigstelle betreibt, ist es noch ruhig.

Ab diesem Wochenende ist im Berliner Museum für Fotografie eine Ausstellung zu sehen, bei der Leben und Werk von Max von Oppenheim (1860–1946) im Mittelpunkt stehen. Der Orientforscher und Abenteurer hat eine einzigartige Fotosammlung hinterlassen, welche die Arbeit Oppenheims in Ägypten und Syrien dokumentiert. Die Fotosammlung mit über 70 Fotoalben und Einzelbildern konnte den Zweiten Weltkrieg wie durch ein Wunder überstehen. Sie kündete bis vor kurzem allein von der Ausgrabungsarbeit des Forschers, denn die herausragenden Artefakte, die Oppenheim freigelegt hatte, waren dem Bombenterror zum Opfer gefallen. Nun aber können sie nach neunjähriger Restauration wieder einem breiten Publikum präsentiert werden.

Im Pergamonmuseum wird derzeit unter dem Titel „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ Oppenheims Sammlung von 3000 Jahre alten Steinbildern gezeigt. Schon die Entdeckung war eine Sensation. 1899 hatte Max von Oppenheim auf dem Tell Halaf, einem unscheinbaren Hügel im obermesopotamischen Quellgebiet des Habur, des größten Nebenflusses des Euphrats, die Reste eines aramäischen Fürstensitzes aus dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. entdeckt. Von 1911 bis 1913 und 1929 legte Oppenheim auf eigene Kosten Paläste, Gräber und Grüfte frei. 1927 wurde der Fund, so wie damals üblich, zwischen dem syrischen Antikendienst und dem Ausgräber aufgeteilt. Nach Abschluss der Ausgrabungen kam er nach Berlin, wurde aber nicht – wie ursprünglich vorgesehen – auf der Museumsinsel ausgestellt. Stattdessen brachte der Privatgelehrte seinen Fund in einer umgebauten Maschinenhalle in Berlin-Charlottenburg unter. Das von Oppenheim zu seinem 70. Geburtstag am

15. Juli 1930 eröffnete Tell Halaf-Museum erlangte schnell nationale und internationale Beachtung. Zu den Besuchern zählten herausragende Persönlichkeiten wie König Faisal I. von Irak, der irische Schriftsteller Samuel Beckett sowie der Archäologe Max Mallowan und seine Frau, die Krimiautorin Agatha Christie. Der Name Tell Halaf wurde damals im selben Atemzug mit den berühmten deutschen Ausgrabungen von Troja und Babylon genannt. Der Kunstmäzen und Förderer Berliner Museen James Simon betonte bereits 1912: „Max Oppenheims Berichte sind interessant. Es ist ungelogen, wenn er von ,seinem‘ Palast spricht. Aber Glück hat er gehabt. Soviel wie wir in Babylon Pech: Was hätten wir anderweit in 14 Jahren finden können.“

Das Tell-Halaf-Museum hingegen bestand nur 13 Jahre. In der Bombennacht vom 23. November 1943 wurde es fast völlig zerstört. Die Ausstellungsstücke aus Kalkstein verbrannten. Die durch das Feuer stark erhitzten Bildwerke aus Basalt zerplatzten, als Löschwasser auf sie traf. Noch während des Krieges wurden die Trümmer in die Keller des Pergamonmuseums auf die Museumsinsel gebracht – und dort vergessen. Erst knapp 60 Jahre später machten sich Experten daran, die etwa 27000 Basaltbruchstücke zu begutachten, identifizieren und wieder zusammenzusetzen.

Schon 1944 hatte Oppenheim die damals schier unmögliche Hoffnung geäußert: „Es wäre ja großartig, wenn tatsächlich die Stücke, in welche die einzelnen Steinbilder zerborsten sind, gesammelt nach den Staatlichen Museen gebracht und später wieder einmal zusammengefügt werden können.“ Jetzt können die Artefakte wieder besichtigt werden. Neben der Dokumentation über die dramatischen Umstände ihrer Zerstörung sind auch Paletten mit Fragmenten zu sehen. Im Mittelpunkt der Ausstellung aber stehen auf goldenen Podesten Fabelwesen und Säulen in Göttergestalt sowie Reliefs mit Darstellungen aus der Mythologie. Die Skulpturen vor goldenen Wänden dokumentieren keine Oberflächendenkmalpflege, sondern Restauratorenkunst von höchster Qualität. So manche Wunde konnte nicht geheilt werden, und so fällt der Blick auch auf rohen, ausgeglühten Basalt.

Besondere Beachtung aber dürfte auch heute eine monumentale Sitzfigur finden, die Oppenheim die „thronende Göttin“ genannt hat. Als sie am 12. März 1912 der Erde „entstieg“, war er vollends begeistert: „Welche Freude, als es sich zeigte, dass das Steinbild vollkommen unversehrt war.“

Zu seinen Freunden hat der Junggeselle Oppenheim oft im Spaß über den moslemischen Brauch, vier Frauen zu haben, gesagt: „Auch ich habe vier Frauen. Die Erste ist sehr groß und sehr heiß. Sie hat oft versucht, mir das Leben zu nehmen, aber sie ist immer noch diejenige, die ich am meisten liebe. Sie ist meine geliebte Wüste. Die Zweite ist interessant, sehr gelehrt und klug. Man nennt sie Erkenntnis oder Forschung. Die Dritte ist sehr schön. Jeder liegt ihr zu Füßen. Sie ist durchaus international. Ihr Name ist Kunst. Meine vierte Ehefrau ist die große thronende Frau vom Tell Halaf mit dem Lächeln aus der Vergangenheit.“

Oppenheim hatte Glück, seine „Frauen hielten ihm – dem Abenteurer, Entdecker, Forscher und Sammler – auch nach seinem Tod die Treue“, so Nadja Cholidis, wissenschaftliche Leiterin des Tell-Halaf-Projektes und Kuratorin der Ausstellung. Dafür stünden unter anderem die erfolgreiche Wiederherstellung der Tell-Halaf-Denkmäler, die Fortsetzung der Ausgrabungen am Tell Halaf sowie die Veröffentlichung von Oppenheims Fotoalben in der Bilddatenbank Arachne.

Wie es nach der Ausstellung weitergeht, ob die Exponate in anderen europäischen Metropolen zu sehen sein werden, vielleicht sogar Syrien „einen Besuch“ abstatten, bleibt abzuwarten. Dass Oppenheims Werk auch dort geschätzt wird, betonte der syrische Kulturminister Riad Ismat in einem Interview: „Baron von Oppenheim ist in Syrien in archäologischen Kreisen wohl bekannt. Seine Ausgrabungen und Beobachtungen der Natur und der lokalen Bräuche der Beduinen haben bei vielen deutschen Wissenschaftlern das Interesse an Syrien geweckt. 2006 hat eine deutsch-syrische Mission mit neuen Grabungen im gleichen Gebiet begonnen – da sieht man, dass der Geist von Baron von Oppenheim immer noch inspirierend wirkt.“  Silke Osman

Die Ausstellung „Von Kairo zum Tell Halaf“ im Museum für Fotografie, Jebensstraße 2, Berlin, ist bis zum 15. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr zu sehen.

Die Ausstellung „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ sind im Vorderasiatischen Museum (Pergamonmuseum) auf der Museumsinsel, Berlin, bis 14. August täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr zu sehen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren