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19.02.11 / Zusammenhalt nach doppelter Vertreibung / Vor 100 Jahren gründeten die 1731/32 aus Salzburg nach Ostpreußen ausgewanderten Protestanten den Salzburger Verein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Zusammenhalt nach doppelter Vertreibung
Vor 100 Jahren gründeten die 1731/32 aus Salzburg nach Ostpreußen ausgewanderten Protestanten den Salzburger Verein

Der „Salzburger Verein e.V.“ will sein 100-jähriges Bestehen Ende Mai im Rahmen eines Stadtfestes seines Gründungsortes Gumbinnen und im September in Bielefeld, dem Sitz des Vereins seit der Wiedergründung 1954, denkwürdig und feierlich zugleich begehen. Die Vorgeschichte des Vereins reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück.

Im Jahre 1740 wurde in Gumbinnen als dem zentralen Ort der Ansiedlung der evangelischen Salzburger in Preußisch-Litauen das „Salzburger Hospital“ zur Betreuung von Alten, Siechen und Waisen errichtet. Daraus entstand alsbald als eigenständige, karitative Einrichtung die noch heute bestehende und mittlerweile in Gumbinnen wieder tätige Stiftung „Salzburger Anstalt Gumbinnen“.

Die 1752 erstmals gebaute und bald erweiterte „Salzburger Kirche“ war dazu bestimmt, dem evangelischen Glauben und freien christlichen Bekenntnis in der neuen Heimat Ostpreußen ein Gotteshaus zu geben. Dieses erste „Kirchlein“ wurde 1838 wegen Baufälligkeit abgetragen und 1840 durch einen Neubau nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels ersetzt.

In der Generation der Salzburger vor dem Ersten Weltkrieg wurde offensichtlich, dass das Gefühl der Zusammengehörigkeit deutlich rückläufig war. Daraufhin trat ein Komitee von Persönlichkeiten Salzburgischer Nachkommen zusammen. Man lud folgerichtig alle preußischen Salzburger zum 22. Februar 1911 zur allerersten Gründung eines ostpreußischen „Salzburgervereins“ nach Gumbinnen ein.

Der Verein zählte in Ostpreußen bis zu 1800 Mitglieder in elf Kreisgruppen und außerhalb Ostpreußens auch Gruppen in Berlin und Dresden. Er erfreute sich eines regen Vereinslebens mit Salzburger Nachkommen in der achten bis zehnten Generation, wenn auch bereits die 1914 unternommene erste Fahrt einer Delegation des Vereins nach Salzburg in die Wirren des beginnenden Weltkrieges geriet und abgebrochen werden musste.

Zur Unterstützung der Anliegen der Familienforschung war der Verein ab 1925 personell verknüpft mit dem „Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen“. Auch ab 1925 wurden erholungsbedürftige Kinder aus dem Land Salzburg von den Vereinsmitgliedern nach Ostpreußen eingeladen.

Ein herausragendes Ereignis im Verein war die 200-Jahrfeier der Einwanderung nach Ostpreußen, die im Juni 1932 in Gumbinnen mit Umzügen, Festspielen, einem Festgottesdienst und vielen Ansprachen sehr festlich und mit vielen Ehrengästen gefeiert wurde. In der Folge konnte noch im Jubiläumsjahr die Renovierung der Anstaltsgebäude und der Salzburger Kirche – Glasfenster über dem Kanzelaltar und Heizung – stattfinden.

Dank starker Persönlichkeiten im Vorstand wurde die Arbeit des Vereins durch das NS-Regime nicht wesentlich beeinträchtigt. Allerdings wurde die genealogische Auskunftsstelle erweitert und das Vereinsblatt erschien nur noch unregelmäßig, bis „Der Salzburger“ im April 1939 mit der Nr. 73 ganz eingestellt wurde. Bei einem Luftangriff im August 1944 wurde die wichtige Auskunftsstelle des Vereins total zerstört, unersetzbares Material für die Familienforschung ging verloren. Schließlich nahm der Zweite Weltkrieg den ehemaligen Salzburgern in Ostpreußen ein zweites Mal ihre Heimat.

Nachdem die Salzburger Landesregierung beschlossen hatte, eine entsprechende Patenschaft zu übernehmen, wurde in der Nachkriegszeit die Wiederbegründung des Vereins in die Wege geleitet. Sie wurde in einem Festakt am 15. Mai 1954 verkündet. Am folgenden Tag wurde der „Salzburger Verein e.V.“ in Bielefeld neu gegründet. Ab Ostern 1963 lebte das Mitteilungsblatt „Der Salzburger“ wieder auf und erscheint seitdem vierteljährlich. Im darauffolgenden Jahr begann die Gründung von Landesgruppen. Es finden regelmäßige Jahrestreffen statt und alle zwei Jahre trifft man sich im Salzburger Land. Die kleine Wiedervereinigung von 1990 hat dann auch die Einbeziehung der Salzburger Emigranten von 1731/32 in Mitteldeutschland ermöglicht.

Von Anbeginn der Neugründung bestand der Wunsch, auch die Tradition der alten „Salzburger Anstalt Gumbinnen“ in der neuen Patenstadt Bielefeld fortzuführen. Durch unermüdliches Bemühen verdienstvoller Mitglieder des Salzburger Vereins konnte im Jahre 1976 das „Wohnstift Salzburg“ in Bielefeld feierlich eröffnet werden. Damals entstanden ein Altenkrankenhaus und ein Altenheim – inzwischen ausgiebig modernisiert und komfortabel erweitert.

In Gumbinnen wurde auf Initiative der Stiftung „Wohnstift Salzburg e.V.“, der Förderprojekte im Salzburger Verein und der Landesregierung Salzburg die Stiftung „Salzburger Anstalt Gumbinnen“ erneut ins Leben gerufen. Mit dem Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Salzburger Kirche, die 1995 am Reformationstag eingeweiht werden konnte, und dem Aufbau des Diakoniezentrums „Haus Salzburg“ sind beispielgebende Aufbauwerke im Königsberger Gebiet gelungen.

Der „Salzburger Verein e.V.“ präsentiert sich heute in mehreren Museen, so im Schloss Goldegg, im Deutschordensschloss Ellingen, im Preußenmuseum Minden und im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg. Gute und freundschaftliche Kontakte hält der Verein mit dem Land Salzburg sowie den Schwestervereinen im US-Bundesstaat Georgia und den Niederlanden, der „Georgia Salzburger Society“ und der Stiftung „Salzburger Emigranten Nederland“.

Neben der genealogischen Auskunftsstelle nimmt die sogenante Marschrouten-Forschung, sprich die Erforschung der Route, welche die Vorfahren der Vereinsmitglieder einst von Salzburg nach Ostpreußen genommen haben, heute einen bedeutenden wissenschaftlichen Stellenwert ein. Eine nachhaltige, enge Zusammenarbeit mit den Landesarchiven und wissenschaftlichen Bibliotheken sowie den Franckeschen Stiftungen zu Halle bereichern die Arbeit im Verein.

Die wieder gewonnenen Freiheiten im gegenwärtigen Europa ermöglichen nun allen eine „Spurensuche“, mit Überwindung der „Stolpersteine“ in der gemeinsam erlebten Geschichte und mit Freude an einer friedlich vereinten europäischen Zukunft. Eckhard Schlemminger


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