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19.02.11 / Spannende Koffergeschichten / Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum zeigt Reisebegleiter aus vier Jahrhunderten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Spannende Koffergeschichten
Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum zeigt Reisebegleiter aus vier Jahrhunderten

Fast jeder Mensch besitzt einen Koffer oder eine Reisetasche. Doch noch nie ist dieser meist unverzichtbare Reisebegleiter in allen seinen unterschiedlichen Facetten ausführlich beleuchtet worden. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg füllt jetzt diese Lücke mit einer Ausstellung.

Als Einstimmung zur großen Ferienreisewelle im Sommer zeigt das Nürnberger Museum eine spannende Ausstellung zur wachsenden Mobilität der Menschen.  Etwa 200 Objekte aus vier Jahrhunderten dokumentieren die Entwicklung des Reisegepäcks. Zu sehen sind 42 Koffer, elf Reisetaschen, acht Truhen und Kisten, vier Rucksäcke, sechs Hutschachteln sowie Zubehör- und Spielzeugteile. Zeichnungen, Plakate, Fotos, Bücher, Zeitschriften und Kataloge runden das Thema Reisen ab.

Ein berühmter Reisender war der Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der allerdings nicht aus purem Vergnügen losgezogen war. So schrieb er 1797 an Friedrich Schiller: „Für Naturen wie die meine, die sich gerne festsetzen und die wichtigen Dinge festhalten, ist eine Reise unschätzbar; sie berichtigt, belehrt und bildet.“ Und seine Mutter Catharina Elisabeth Goethe bestätigte: „Wenn mein Sohn von Frankfurt nach Mainz reist, so bringt er mehr Kenntnis heim als andere aus Amerika.“

Als der Geheime Rat Goethe sich 1786 mit der Postkutsche auf die Reise nach Italien machte, nahm er zunächst nur wenig Gepäck mit. Bei seinem ersten Halt in Regensburg kaufte er sich allerdings das Nötigste für die Weiterfahrt, so einen „Coffregen“, einen kleinen Koffer. Im Begleitbuch zur Nürnberger Ausstellung ist noch ein anderer Koffer aus dem Besitz des Dichters zu sehen, ein Kutschenkoffer, der deutliche Spuren häufigen Gebrauchs aufweist und in den Bücher und schwere Gegenstände gepackt werden konnten. Der durfte jedoch nicht auf dem Kutschendach befestigt werden, da der Wagen ansonsten durch Übergewicht umzufallen drohte.

Überhaupt wurden die Reisenden damals noch von anderen Unbilden behelligt. Claudia Selheim beschreibt im Begleitbuch zur Ausstellung eine Situation, die auch heute denkbar ist: „Die zahlreichen Zollstationen und die dort durchgeführten Visitationen bargen offenbar … Gefahren hinsichtlich des Kofferinhaltes. So las man 1813: ,Beym Visitieren lasse man niemahls zwey Koffer etc. zugleich öffnen; denn man kann nur auf einen Acht geben, oder es kann aus dem andern etwas wegkommen oder etwas hingelegt werden, was uns hernach Verdruss macht. In vielen Ländern kann man der Unannehmlichkeit und dem Aufenthalte, seine Koffer unterwegs visitieren zu lassen, dadurch ausweichen, dass man ihn versiegelt und plombiren lässt.‘ Auf längeren Reisen wurde davon jedoch abgeraten, da die Verletzung der Plombe zu Komplikationen führen konnte.“

Mit leichterem Gepäck war der 1886 in Kulm an der Weichsel geborene Dichter Hermann Löns unterwegs, wenn er durch die Lüneburger Heide wanderte. Sein Rucksack aus einseitig beschichtetem braun-grünen Segeltuch ist in der Nürnberger Ausstellung zu sehen. Ähnliche Rucksäcke gab es in verschiedenen Ausführungen, immer jedoch praktisch, wenn auch nicht zu vergleichen mit den modernen Trekkingrucksäcken des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

Ein wahres Monstrum war der Koffer, mit dem der Schriftsteller Thomas Mann 1952 aus dem Exil in den USA in die Schweiz übersiedelte. Der Bügelkoffer, so benannt nach den zwei den Korpus verstärkenden Bügeln, trug die Initialen H.P., die auf die frühere Besitzerin Hedwig Pringsheim hinweisen. Die Schwiegermutter Manns hatte den Koffer um 1885 im Berliner „Bazar de Voyage“, Unter den Linden 27, erworben, wie ein Etikett im Innern des Koffers belegt.

Geradezu auf einem Berg von Koffern thront Marlene Dietrich, als sie 1931 auf der „Bremen“ fotografiert wurde. Nicht alle gehörte damals der Diva, doch bereits Ende der 30er Jahre besaß sie allein acht Schrankkoffer, die sie wegen ihrer grauen Farbe, ihres Gewichts und ihrer Größe „meine Elefanten“ nannte. 1936 reiste sie auf dem Luxusdampfer mit 21 Seekoffern, 35 großen, 18 mittelgroßen, neun kleinen Koffern und fünf Hutschachteln. Zu einem Evergreen geworden ist das Chanson „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“, mit dem später auch Hildegard Knef Erfolge feierte.

Zum 175-jährigen Bestehen der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth widmet sich die Ausstellung besonders dem Reisen mit der Bahn. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren gestickte Reisetaschen beliebt, die den technischen Fortschritt und die neue Mobilität rühmten. So ist auf einer Tasche die voll unter Dampf stehende Lokomotive „Fortuna“ (Glück) durch eine bunte Blumenranke zu sehen, während eine andere der Schriftzug „Bädeker“ (für den Reiseführer) und ein Spazierstock schmückt.

Neben den Koffern selbst entdecken die Besucher der Ausstellung auch eine Reiseapotheke, Strumpftaschen und Musterkoffer des Handlungsreisenden. Unter den prächtigsten Beispielen ist ein fast 200-teiliges „Necessaire“ um 1800 mit allem, was der Reisende meinte, unterwegs zu brauchen – vom Geschirr und Gläsern über Toilettenartikel bis zum Schreibset.             Silke Osman

Die Ausstellung „Reisebegleiter – Koffer-Geschichten von 1750 bis heute“ ist im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, Nürnberg, bis zum 1. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 6 / 4 Euro, Begleitbuch, 228 Seiten, 24 schwarzweiße und 160 farbige Abbildungen, gebunden, im Museum 24 Euro, im Buchhandel 33 Euro.


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