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05.03.11 / Araber ist nicht gleich Araber / Warum die Unruhen in arabischen Ländern so unterschiedliche Formen annehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Araber ist nicht gleich Araber
Warum die Unruhen in arabischen Ländern so unterschiedliche Formen annehmen

Die Beispielwirkung der Ereignisse in Tunesien hat, vor allem weil man sie dank moderner Technik überall in Echtzeit miterleben konnte, tatsächlich zu dem vielfach vermuteten „Domino-Effekt“ geführt – wenngleich nicht in „logischer“ Reihenfolge. Denn die Einwohner Bahreins und Libyens nagen ja keineswegs am Hungertuch.

Dass die Unruhen in den arabischen Ländern so unterschiedlich abliefen, besonders dass es in Libyen zu derartigem Blutvergießen kam, hat sicher mit unterschiedlichen Reaktionen der Machthaber zu tun – von „Bestechung“ in Form von Geldgeschenken, Gehaltserhöhungen und Subventionen bis hin zu Gewalt unterschiedlichen Grades. Extremfall war bisher Libyen, wo Muammar Abu al-Gaddafi sogar Militär und ausländische Söldner mit schweren Waffen gegen die Bevölkerung einsetzte. Was zeigt, wie sehr man selber zur Eskalation beitragen kann. Aufhetzung von außen spielte offensichtlich keine Rolle, auch wenn sie immer gerne geargwöhnt wird, zuletzt von Gaddafi, der Osama bin Laden und Al-Kaida als Schuldige auszumachen glaubte.

Unterschiede gibt es aber auch in den Voraussetzungen für Unruhen. Ausschlaggebend sind weniger die in Zahlen messbaren materiellen Verhältnissen als der praktisch unmessbare Grad des subjektiven Empfindens von Ausbeutung und Unterdrückung. Die Frustration ist umso stärker, je deutlicher der Kontrast zwischen Volk und Machthabern sichtbar wird, und auch hier war Gaddafi ein Extremfall. Von psychiatrischen Diagnosen, namentlich von solchen aus der Ferne, ist zwar nicht viel zu halten, doch auch der Laie konnte aus Gaddafis Allüren, ja schon allein aus seiner Kostümierungssucht auf gewisse Störungen schließen.

Darüber hinaus gibt es einen weiteren Faktor, den man plakativ Nationalcharakter nennen kann und der – weil nicht ins Konzept der „political correctness“ passend – gerne unterschätzt wird. Die Bewohner der „arabischen Länder“ haben nämlich wesentlich weniger Gemeinsamkeiten, als aus den Wunschträumen panarabischer Ideologen zu schließen wäre. Wie unterschiedlich der Volkscharakter sein kann, der ja durch Herkunft, durch geschichtliche Erfahrungen einschließlich der Religion und durch geographische Gegebenheiten geprägt ist, wird beim Vergleich Libyens mit seinen Nachbarn Ägypten und Tunesien besonders deutlich.

Ägypten ist seit der Reichsgründung durch den ersten Pharao vor 5000 Jahren eine Nation, woran auch die von diversen Eroberern hinterlassenen genetischen Spuren nichts geändert haben. Die Menschen waren durch das Zusammenleben auf engstem Raum seit jeher zu Zusammenarbeit und weitgehend gewaltfreien Methoden der Konfliktbewältigung gezwungen.

Die Länder des Maghreb sind seit Urzeiten von – später größtenteils arabisierten – Berbern bewohnt, bei denen Stammeszugehörigkeit bis heute eine Rolle spielt, am meisten in Libyen und am wenigsten in Tunesien und Algerien. Im Gebiet Tunesiens herrschten seit dem frühen Mittelalter lokale Dynastien, zeitweise unter osmanischer und später französischer Oberhoheit, unter der auch die heutigen Staatsgrenzen gezogen wurden.

Libyen hingegen wurde erst nach der italienischen Okkupation ab 1912 eine Verwaltungseinheit und erst 1951 dank der Westalliierten ein Königreich, in dem die klassischen Landesteile Kyrenaika, Tripolitanien und Fezzan vereint waren. Die Bewohner der Kyrenaika hatten einst erbitterten Widerstand gegen die Italiener geleistet und waren nun auch die ersten im Aufstand. Bezeichnend ist auch, dass sie prompt wieder die Fahne des Königreichs hissten – denn der 1969 von Gaddafi gestürzte König Idris war einer der ihren.         Richard G. Kerschhofer


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