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05.03.11 / Klinkenputzen in Königsberg / Nun war auch »Jabloko«-Gründer Grigorij Jawlinski auf Wahlkampf in der Gebietshauptstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Klinkenputzen in Königsberg
Nun war auch »Jabloko«-Gründer Grigorij Jawlinski auf Wahlkampf in der Gebietshauptstadt

Am 13. März wird in Königsberg das neue Stadt- und Regionalparlament gewählt. In den vergangenen Wochen geriet die Königsberger Exklave vermehrt in den Fokus der Moskauer Polit-Prominenz.

Zuletzt kam Grigorij Jawlinskij, Gründer der liberalen „Jabloko“-Partei, Politiker seit zwei Jahrzehnten und Abgeordneter der Staatsduma in der dritten Amtsperiode, nach Königsberg. Während ihres Besuchs sprachen er und die anderen Jabloko-Vertreter vor Wählern über Themen, die die Exklavenbewohner besonders berühren: das Problem der Transportwege, die Situation der öffentlichen Wohnungswirtschaft und die leidige Visafrage. Anschließend hatten sie einen Termin in der Gebietsduma, wo sie noch einmal mehrere Stunden mit Abgeordneten über die Beziehungen zwischen Russland und Europa diskutierten, den angestrebten Wegfall der Visumspflicht, aktuelle Probleme der Königsberger Exklave sowie deren Zukunft.

Grigorij Jawlinski glaubt, dass eine der größten Hürden für den Wegfall der Visapflicht für Russen bei der Einreise in EU-Länder die russische Bürokratie sei: „Es ist so gekommen, dass Sie, die Königsberger, alle unter Verdacht stehen. Sie werden wie Fremde behandelt. Das können Sie am besten sehen, wenn Sie nach Europa fahren wollen.“ Er fügte hinzu: „Wenn der Staat eine andere Bürokratie walten ließe, welche die Königsberger nicht fürchtet, beneidet und verhöhnt, dann hätte die Visumsfrage längst schon entschieden sein können.“ Jawlinskij fügte jedoch hinzu, dass nicht nur die russische Seite verantwortlich zu machen sei. Auch europäische Politiker nähmen nicht nachvollziehbare Positionen ein. Jawlinskij sagte, dass auf die Frage, warum ein Japaner oder Kolumbianer ohne Visum nach Europa einreisen könne und ein Russe nicht, ein europäischer Diplomat ihm bei einer privaten Unterhaltung erklärt habe: „Nun, wenn ihr so reich wäret wie die Japaner oder so weit weg wie die Kolumbianer, dann würde man euch auch ohne Visum einreisen lassen.“ Jetzt sei es an der Zeit, Verhandlungen zu führen, Pläne aufzustellen und Prognosen für die Zukunft abzugeben.

Der Jabloko-Gründer ist überzeugt, dass die Politik in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten keines der durch die Exklavensituation bedingten Schlüsselprobleme im Königsberger Gebiet angegangen, geschweige denn befriedigend gelöst habe. Hier stehe die Reisefreiheit an erster Stelle. Für die Schaffung von Konkurrenzfähigkeit sei eine Änderung der Zollbestimmungen vonnöten. Jawlinskij zog eine düstere Bilanz: „Insgesamt habe ich den Eindruck: Im Königsberger Gebiet gibt es viele alte Probleme, die noch lange nicht gelöst wurden. Es wird viel diskutiert, alle wichtigen Beamten reisen hierher, Gouverneure werden ausgetauscht, aber die Probleme bleiben. Doch nun wächst eine neue Generation heran. Die Zeit schreitet schnell voran. Und die Probleme werden immer offensichtlicher.“

Dabei habe Russland alle Möglichkeiten, etwas zu ändern: „Indem Sie die Zollbestimmungen ändern, erreichen Sie eine konkurrenzfähige Produktion, indem Sie Fahrten nach Russland subventionieren, haben Sie das Transportproblem gelöst. Wenn man nicht Gefahr laufen will, dass die Königberger sich anderswohin orientieren, muss man diese Dinge schnell entscheiden. Und jetzt hat Russland diese Möglichkeit.“

Gemeinsam mit dem derzeitigen Parteivorsitzenden Sergej Mitrochin hatte Jawlinskij zuvor an einem „runden Tisch“ zum Thema „Russland und Europa. Blick aus Kaliningrad“ in der Staatsduma teilgenommen. Organisatoren dieser Veranstaltung waren neben der Königsberger Gebietsduma die „Europäischen Liberalen, Demokratische und Reform-Partei“ (ELDR). Die ELDR wurde auf Initiative des Liberalen Martin Bangemann von 14 Parteien aus acht europäischen Ländern am 26. März 1976 in Stuttgart gegründet. Sie vereint national-liberale und demokratische Parteien der Mitte. Die Partei ist im Europaparlament und in der Europäischen Kommission vertreten. Russland ist in der ELDR durch die Demokratische Volksunion und die Partei „Jabloko“ vertreten. Am runden Tisch saßen auch der Direktor der Fried­rich-Naumann-Stiftung in Mos­kau, Sascha Tamm, und Wladimir Schweizer, Leiter des Zentrums für parteipolitische Forschung am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften.           Jurij Tschernyschew


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