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05.03.11 / Die Hammel sind los / Karneval auf den kleinen Kanarischen Inseln El Hierro und La Palma ist besonders wild und ausgelassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Die Hammel sind los
Karneval auf den kleinen Kanarischen Inseln El Hierro und La Palma ist besonders wild und ausgelassen

Sie ist die kleinste und vielleicht auch reizvollste unter den Kanarischen Inseln. Diese im äußersten Westen „am Ende der Welt“ mitten im Atlantik gelegene felsige Insel El Hierro misst knapp 268 Quadratkilometer und zählt 11000 Einwohner. Aber die haben es faustdick hinter den Ohren. Im Februar / März feiern sie einen ebenso originellen wie ausgelassenen Karneval, bei dem manchen im wahrsten Sinne die „Hammelbeine“ lang gezogen werden.

Juan, der Besitzer einer kleinen Pension am Rande der Inselhauptstadt Valverde, ist Feuer und Flamme. Mit einigen seiner Freunde bereitet er sich seit Tagen auf die „Fiesta de los Carneros“ vor, ein Fest, das die Bevölkerung des Eilandes schon seit Monaten in Atem hält. Vor Beginn der tollen Tage geht es sehr geschäftig in den Straßen und engen Gassen der Ortschaften zu. Die Frauen sind mit Kochen, Braten, Backen beschäftigt. Und der Hausherr holt die besten Tropfen aus dem Keller. Denn ein solches Fest wird selbstredend mit einem großen Gelage begangen. Bevor es so richtig zur Sache geht, werden Kinder und Touristen nach Charco Manso geschickt. Hier können sie nach Herzenslust bei auch zu dieser Jahreszeit angenehmen Außentemperaturen von 20 Grad Celsius in einem von schroffen Felsen gerahmten Meerwasserbecken schwimmen und tollen. In unmittelbarer Nähe gibt es eine Besonderheit zu bestaunen – das Hotel „Punta Grande“, das wohl kleinste Hotel der Welt. Es hat nur vier Zimmer und liegt wie ein Außenposten auf einer von Wellen umspülten schmalen Landzunge.

Währenddessen verwandeln sich die jüngeren männlichen Insulaner in eine Furcht einflößende Hammelherde. In einem verschwiegenen Innenhof hüllen sie sich in dicke Hammelfelle, setzen sich riesige Hörner auf und schwärzen Hände, Gesicht und Beine mit Ruß. Und dann beginnt die Hatz. Eine wilde Meute stürzt sich auf alles, was sich auf Straßen und Plätzen bewegt. Zaungästen wird empfohlen, alte, möglichst dunkle Kleidung anzuziehen, denn die zweibeinigen Hammel beschmieren jeden, der ihnen in die Hände fällt, mit schwarzer Schuhcreme. „Das ist ein archaischer Brauch, so etwas wie ein Frühlingsritual, in dem früher wohl Blut verwendet wurde“, erklärt Juan und wischt sich die Lachtränen aus den Augen. Gerade hat er einen seiner Freunde „angeschmiert“. Der läuft in voller Kriegsbemalung an einem Spalier Schaulustiger vorbei, lässt sich geduldig von allen Seiten fotografieren und verschwindet dann in einer überfüllten Bodega, wo er von den Gästen begeistert mit einem randvoll gefüllten Glas Wein begrüßt wird.

Das Treiben dauert bis in den späten Abend und endet mit einer feierlichen Messe in der Kirche. Anschließend wird an langen Tischen üppig getafelt. Da kommen fangfrischer Fisch, auf dem Stein gebratenes Fleisch sowie in Honig gratinierter Inselkäse auf den Tisch. Und zum Dessert wird ein großes Stück goldgelber, leicht rauchig schmeckender Käsekuchen gereicht. Für diese Spezialität ist El Hierro über seine Grenzen hinaus berühmt. Die „Fabrica de Quesdillas“, die von der alt eingesessenen Familie Gutiérez betriebene Käsekuchenfabrik, muss sogar während der „tollen Tage“ Sonderschichten fahren und auf die hier so geheiligte Siesta verzichten, um der großen Nachfrage Herr zu werden.

Die fünfte Jahreszeit hat eine lange Tradition auf den Kanaren. Sie erreichte ihren Höhepunkt im 16. Jahrhundert, als die Menschen bis zur Unkenntlichkeit verkleidet auf die Straßen gingen, um ihrem Unmut über die damaligen politischen Verhältnisse Ausdruck zu verleihen. Wen verwundert es, dass Diktator Franco später das Spektakel strikt verbot. Aber seit 1975 gilt in der gesamten Inselwelt wieder Narrenfreiheit.

Einen reizvollen Kontrast zu dem schwarzen Karneval auf El Hierro bildet das Fest „Los Indianos“ auf der Nachbarinsel La Palma. Dort sind die Teilnehmer in strahlendes Weiß gekleidet. Dieser Brauch feiert die Heimkehr der „Zuckerbarone“, die einst auf Kuba reich wurden. Auch hier seien Touristen gewarnt. Wer dem Festzug zu nahe kommt, wird von oben bis unten mit Talkumpuder bestäubt.  Uta Buhr


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