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05.03.11 / Dubioser Gast / Einsamer Tierarzt lässt sich auf Besucherin ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Dubioser Gast
Einsamer Tierarzt lässt sich auf Besucherin ein

In seinem ersten ins Deutsche übersetzten Roman „Ein Morgen wie jeder andere“ berichtet der französische Autor Christian Pernath aus dem Leben des Tierarztes und ewigen Junggesellen Bélouard. Bélouard ist ein gutmütiger, dicklicher Landtierarzt in einem Dorf in Frankreich, weit weg von der Metropole Paris. Er ist ein einsamer und recht melancholischer Mann und trockener Alkoholiker, der jeden Morgen in seine Praxis fährt, um sich um seine tierischen Patienten zu kümmern. So auch an diesem bestimmten Morgen, welcher das gesamte Dorf aus seiner üblichen Lethargie reißt und sogar die Presse anlockt.

„,Ich nehme an, Sie wissen schon das Neueste?‘“ Er schüttelte den Kopf. ,In Les Sauvignères …?‘, sagte sie. Sie setzte eine tragische, ruhige, tapfer gefasste und zugleich genüssliche Miene auf. ,… Mangin‘, sagte sie, ,seine beiden kleinen Töchter, die Oma: abgeschlachtet. Alle vier .... Und Mangins Frau, Geneviève … spurlos verschwunden …‘“

Christian Pernath beschreibt Bélouard als einen Mann, der sich in das Schicksal seines einsamen Junggesellendaseins gefügt hat. Er erträgt mit stoischer Gelassenheit die Unbesonnenheit seiner Kunden, mit denen diese die Gesundheit ihrer Haus- und Nutztiere ruinieren.

Doch bleibt auch Bélouard von den außergewöhnlichen Ereignissen dieses Morgens nicht ganz unberührt. So sammelt er auf dem Heimweg aus Hilfsbereitschaft die Ehefrau des alkoholabhängigen und gewaltbereiten Bauern Brunel auf, um ihre Wunden bei sich zu Hause zu verarzten. Bélouard quartiert Madame Brunel für die kommende Nacht in seinem Gästezimmer ein. Doch plötzlich wird aus einer Nacht eine ganze Reihe von Nächten und Tagen, die Madame Brunel, ohne darum groß Aufhebens zu machen, bei Bélouard verbringt.

Der Autor beschreibt Madame Brunel als verschlossene und von den Launen her unberechenbare Frau, die in ihrem Leben bereits viel hinnehmen musste. Doch schafft gerade diese Tatsache eine Verbindung, ein unsichtbares Band zwischen ihr und dem einsamen, von den Frauen und dem Leben enttäuschten Junggesellen, der jedoch immer wieder sein Bestes gibt, um sie zum Lachen zu bringen.

Dem Leser wird schnell klar, dass der Moment des Abschieds, welcher mit jedem Tag zwangsläufig näher rückt, Bélouard in ein schlimmes emotionales Tief stürzen wird. Als dies auch Bélouard bewusst wird, ist es jedoch bereits zu spät, um umzukehren.

Vom Buchcover angefangen, welches einen verrostenden Oldtimer auf einer Wiese vor einem menschenleeren Feld zeigt, über die gesamte Handlung hinweg schwebt über dem Buch eine große Wolke der Melancholie. Es fällt schwer, Christian Pernaths „Ein Morgen wie jeder andere“ als Kriminalroman zu bezeichnen, auch wenn dies auf dem Buchdeckel so zu lesen ist. Es handelt sich bei dem Roman des Autors, welcher erst nach der Ausübung diverser handwerklicher Berufe seinen Faible fürs Schreiben entdeckte, vielmehr um eine tragische Geschichte über die Liebe, über Affären und Eifersucht und todbringende emotionale Verwicklungen.  Vanessa Ney

Christian Pernath: „Eine Morgen wie jeder andere“, dtv, München 2010, 220 Seiten, 14,90 Euro


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