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12.03.11 / Raumschiff Berlin / Blumige Ziele und symbolische Taten der Politik lassen Bürger am Verstand der Regierenden zweifeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

Raumschiff Berlin
Blumige Ziele und symbolische Taten der Politik lassen Bürger am Verstand der Regierenden zweifeln

Die Debatte um den „Biokraftstoff“ E10 und den Euro offenbaren, wie oft Politik nicht auf Basis der Sachargumente gemacht wird. Die Folgen tragen stets die Bürger, deren Kritik oft im Vorfeld der Entscheidungen als unpassend abgetan wurde.

Der große Protest auf der Straße ist ausgeblieben. Nur wenige Tausend Menschen versammelten sich, um die Rückkehr Karl-Theodor zu Guttenbergs in die Politik zu fordern. Vielerorts gaben gar spöttelnde Guttenberg-Gegner den Ton an.

Medienfachleute hat das nicht überrascht: Eine massenhafte Beteiligung an den Pro-Guttenberg-Kundgebungen vergangenen Sonnabend wäre eine Sensation gewesen. Die ist ausgeblieben. Dennoch, so warnen sie: Allein die Tatsache, dass sich weit über eine halbe Million Menschen im Internet hinter den zurückgetretenen Minister gestellt haben, sollte die Politik alarmieren.

Woher diese Anhänglichkeit? „Trauer um den Verlust eines Polit-Popstars“? Damit versuchen solche Beobachter, die den glamourösen Auftritt des CSU-Politikers von Anfang an nicht leiden konnten, die Mobilisierung der Massen im Netz kleinzureden. Hier aber spiegelt sich sichtbar mehr wider als ein unpolitischer Fan-Kult.

Die Berliner Politik hat nicht nur dramatisch an Glanz und Charisma verloren. Sie hat sich gleichzeitig in immer sichtbarerer Weise vom Volk entfernt. Hier wies einer wie „KTG“ erstmals in die entgegengesetzte Richtung: Sein Charisma war unbestritten. Gleichzeitig schwappten die Nachrichten in die Bevölkerung, wie gut der Verteidigungsminister bei den Soldaten, vor allem bei denen an der Front, ankam. So vereinten sich Ausstrahlung und Volksnähe in einem.

Ganz anders im Rest der Berliner Polit-Szene. Die Akteure scheinen immer volksferner und werden dabei als graumäusige Parteiapparatschiks wahrgenommen. Und was das schlechte Bild abrundet: Die Deutschen haben kaum das Gefühl, dass gute, kompetente Politik gemacht wird, wie Umfragen zum sinkenden Vertrauen Monat für Monat belegen.

Das Treiben um den „Biokraftstoff“ E10 weitet das schlechte Bild ins Groteske: Um selbstgesteckter „Klimaziele“ willen boxt der Bundestag mit den Stimmen von Regierungsparteien und Opposition die Einführung des neuen Kraftstoffs einfach durch. Offensichtlich hatten die Parlamentarier keine Ahnung von dem, worüber sie befanden. Allein das blumige Ziel „Klimaschutz“ reichte ihnen. Es ging ihnen wie so oft um eine symbolische Tat, darum, „etwas fürs Klima zu tun“. Die Wirklichkeit spielte keine Rolle.

Nun endet das zweifelhafte Experiment in absurdem Theater. Was aber macht die Politik? Tritt wenigstens der verantwortliche Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zurück? Nichts davon: Es hagelt Schuldzuweisungen an Mineralölwirtschaft und Autoindustrie, sie hätten den Berliner Beschluss nicht hinreichend beworben. Wie so häufig wird das Scheitern falscher Politik darauf zurückgeführt, das sie „falsch kommuniziert“ worden sei.

Dabei hätten die Mängel von E10 bei sachgerechter Prüfung lange vor der Einführung bekannt sein können. Berlin interessierte sich nicht dafür, sondern drohte schließlich mit Strafen. Die sollten zwar vordergründig die Ölkonzerne bezahlen, in Wahrheit aber hätten sie die Verbraucher getroffen. Diese Mischung aus Anmaßung, Inkompetenz und Dreistigkeit kann im Volk nur Wut und Verachtung erzeugen.

Mit erheblichem Unbehagen beobachten die Deutschen auch die Entwicklung der Euro-Debatte. Verträge und Politiker-Versprechen sind reihenweise gebrochen worden. Alles deutet derzeit darauf hin, dass die Deutschen in seit den Weltkriegen nicht mehr dagewesenem Maße um ihren Wohlstand gebracht werden. Dafür machen sie selbstverständlich vor allem die eigenen Politiker verantwortlich, die das Land in diese Lage gebracht haben.

Vor allem wurmt viele Deutsche, dass sie, das „unwissende“ Volk, es von Anfang an gewusst haben, die Politik aber stur und ohne, nach links oder rechts zu schauen, weitermarschiert ist. Nie war eine Mehrheit der Deutschen für die Abschaffung der D-Mark. Sämtliche Parteien des Bundestages kanzelten diese Ablehnung ab als Ausdruck „unbegründeter Ängste“. „Irrationaler D-Mark-Nostalgie“ oder von „europafeindlichem Nationalismus“ war die Rede. Heute erweist sich: Das Volk hatte den wirtschaftlichen und politischen Sachverstand auf seiner Seite, die Politik hat auf ganzer Linie geirrt. Doch wie reagieren die Gescheiterten: Sie machen einfach weiter, weisen alle Einwände zurück.

Heikel wird es für die Politik aber wohl erst, wenn die Folgen ihrer Irrtümer real spürbar werden, wenn also die „Kredite“, Bürgschaften“ und EZB-Verbindlichkeiten in unüberschaubarer Milliardenhöhe als reale Kosten zu Buche schlagen, was immer wahrscheinlicher wird. Wenn also Leistungen und Investitionen in Deutschland massiv gekürzt werden, wenn dennoch Schulden, Steuern und Abgaben in die Höhe schnellen, um die von Berlin eingegangenen Verpflichtungen in der Euro-Zone zu erfüllen.

Für diesen Fall fürchten selbst erfahrene Kenner der politischen Szene der Bundesrepublik mit einem Zerbrechen unseres bekannten Parteiensystems. Dann erst dürfte auch die in Jahren angewachsene Kluft zwischen Politik und Volk brutal zutage treten.

Einen lauen Vorgeschmack von der Entfremdung zwischen Volk und Establishment lieferte die Sarrazin-Debatte von 2010. Damals reagierte die Politik völlig überrascht, wie sehr sich die Deutschen von ihren Vorstellungen in Sachen Immigration entfernt hatte. Im Unterschied zur Euro-Debatte hatten die Deutschen die Folgen einer illusionären Ausländerpolitik aber längst am eigenen Leibe erfahren, während die Politik noch in ihren Phrasen schwelgte. Beim Euro steht der Durchschlag einer abgehobenen Politik auf die Wirklichkeit noch aus. Dem „Raumschiff Berlin“ steht dann eine harte Landung bevor, vielleicht wird es auch ein Absturz.   Hans Heckel


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