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12.03.11 / Besuch bei den »ersten Preußen« / Potsdamer Museumsgalerie bewahrt das prußische Erbe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

Besuch bei den »ersten Preußen«
Potsdamer Museumsgalerie bewahrt das prußische Erbe

Die Deutschen haben viele Väter“, sagte einmal der Publizist Valentin Polcuch. Neben den Germanen, Romanen, Slawen und Kelten sei ein Volk jedoch weitestgehend wie ausgelöscht aus dem historischen Bewusstsein: die Prußen.

Damit die Erinnerung an das westbaltische Volk bewahrt und weitergegeben, seine kulturelle Hinterlassenschaft gepflegt sowie die Reste der Sprache erhalten und weiter erforscht werden, hat das aus Ostpreußen stammende Ehepaar Rutele und Gerd Kauffmann im hessischen Dieburg zuerst einen prußischen Freundeskreis gegründet, aus dem später der Verein Tolkemita hervorging, und 1980 eine Stiftung ins Leben gerufen, die ebenfalls nach der Prußenburg Tolkemita am Frischen Haff benannt wurde.

Nach dem Ableben der Gründer fand die Stiftung zusammen mit der neu etablierten Museumsgalerie „Die Ersten Preußen“ in Potsdam ganz in der Nähe des Regionalmuseums „Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte“ eine neue Wirkungsstätte. Unscheinbar von außen, entfaltet sich in der Museumsgalerie eine neue, alte Welt. Wissenslücken und Unkenntnis kann man hier ausreichend entgegenwirken.

An den Gestaden der Ostsee von der Weichsel im Westen bis über die Memel im Osten lebten die Prusai, wie sie sich selbst nannten. Gegliedert waren sie in ein Dutzend Stämme. Da sie trotz Handelsbeziehungen mit fernen Ländern wahrscheinlich über keine Schriftsprache verfügten, haben andere ihre Geschichte geschrieben. Einen der ältesten Hinweise auf den Volksstamm findet man Ende des 1. Jahrhunderts nach Christi Geburt in der „Germania“ des Tacitus. Er berichtet dort von den Völkern der Aestier, zu denen er sie sicherlich zählte.

Das naturverbundene Volk trieb schon sehr früh über drei Bernsteinstraßen einen regen Handel. Bereits in Tutanchamuns Totenmaske aus der Zeit um 1300 von Christi Geburt lässt sich Bernstein aus dem Samland nachweisen. Auch die Römer verwendeten Unmengen des fossilen Harzes der berühmten Bernsteinküste. Unter anderem für Figuren, die den Wert eines Sklaven hatten.

In den Jahrhunderten nach der Eroberung des Landes durch den Deutschen Orden, beginnend im 13. Jahrhundert, wurden Sprache und Kultur der Prußen verdrängt. Auf das Jahr 1230 bezogen schätzte man die prußische Ur-Bevölkerung auf etwa 200000. Diesen stellt man 130000 Neusiedler anderer Herkunft gegenüber. 53 Jahre dauerte der Eroberungskrieg der Ordensritter, um das Volk endgültig zu beherrschen und sie als wesentlichem Auftrag des Ordens zu christianisieren.

Da der prußische Anteil der Bevölkerung groß war, ordnete der mit Martin Luther befreundete preußische Herzog Albrecht von Brandenburg-Ansbach die Übertragung des lutherischen Katechismus und anderer kirchlicher Schriften mithilfe von Tolken (Übersetzern) ins Prußische an. Doch erfolgreich war nur, wer Deutsch sprach. Im 17. Jahrhundert ist die prußische Sprache weitestgehend erloschen, 1677 soll der letzte Sprecher des Altpreußischen auf der Kurischen Nehrung gestorben sein. Einzig der Name blieb. Und ein Treppenwitz der Geschichte sei es auch, so Valentin Polcuch, dass der Name Preußen erst dann aufstieg, als das Volk der ursprünglichen Preußen, der Prusai, seine Identität bereits verloren hatte.

Die Sammlung des Ehepaares Kauffmann ist gegenwärtig das Kernstück des Bestandes der Potsdamer Museumsgalerie der Stiftung Tolkemita. Sie wird treuhänderisch von Reinhard G. Grunenberg verwaltet. Sein Name, eine Ordensübersetzung des prußischen GrawdeCaymis, verrät den gebürtigen Königsberger  von prußischer Herkunft. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er den Besucher durch die Ausstellung führt, die aus Büchern, Karten, Zeichnungen, Skulpturen und Drucken besteht. Dabei verweist er auch gerne auf die in der Museumsgalerie zu erwerbende Tolkemita-Textreihe, die auf spannende Weise Auskunft über Geschichte und Kultur der Prußen gibt.

Grunenbergs Tätigkeit beschränkt sich jedoch nicht auf das Bewahren und Erschließen des bereits Gesammelten. Er ist vielmehr immer auf der Suche nach weiteren Fundstücken, hält Seminare ab, macht Ausstellungen, kümmert sich um die so nötigen finanziellen Mittel und ist schlichtweg als der gute Geist des Ganzen zu bezeichnen.

„Seit wir hier eingezogen sind im Jahre 2005, hatten wir jährlich zirka 2000, insgesamt also bereits 10000 Besucher. Das ist doch eine ganze Menge“, sagt er begeistert und man kann nur zustimmen. Besonders erfreut ihn, dass auch viele Menschen aus dem Ausland sehr interessiert sind an der Geschichte der Prußen. „Unter den Gästen sind sicher viele ehemalige Ost- und Westpreußen, die nach 1945 das gleiche Schicksal teilten“, vermutet Grunenberg.

Wenn man die Museumsgalerie verlässt, bleibt nur eine Frage offen: Warum ist generell so wenig bekannt über dieses Volk, das dem späteren Staate Preußen seinen Namen gab?

            Silvia Friedrich

Die Potsdamer Museumsgalerie „Die Ersten Preußen“, Am Neuen Markt 9 d, 14467 Potsdam, Telefon und Telefax (030) 31016599, ist jedes Wochenende geöffnet: April bis Oktober von 15 bis 18 Uhr und von November bis März von 13 bis 16 Uhr.     


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