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12.03.11 / Von Mähren zur »Bild« / Vita des Kolumnisten Wagner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

Von Mähren zur »Bild«
Vita des Kolumnisten Wagner

Franz Josef Wagner (Spitzname „Gossen-Goethe“) war Kriegsberichterstatter, Chefreporter für „Bild“ und unter anderem Chefredakteur der „Bunten“.  Wagner ist bekannt, da er seit 2001 montags bis sonnabends in seiner „Bild“-Kolumne „Post von Wagner“ auf unverwechselbare Weise (s)eine Meinung zu einem aktuellen Thema verkündet entweder polemisch und bissig oder eher philosophisch. Man darf vermuten, dass er dabei zahllosen Lesern des Blattes aus der Seele spricht.

Nun hat er wieder ein Buch geschrieben. Anlässlich der 20 Jahre zurückliegenden deutschen Wiedervereinigung hatte es der Diederichs Verlag vergangenes Jahr bei dem sprachgewandten Autor in Auftrag gegeben. „Brief an Deutschland“ lautet der Titel, obwohl es sich um eine Art Autobiografie im Telegrammstil handelt. Das Buch bündelt die wichtigsten Stationen und Situationen in Wagners Leben, ist getragen von großen Gefühlen und natürlich werden etliche bekannte Namen genannt. Geschrieben unter Zeitdruck ist es ein zeittypisches Produkt. Wie man auch zu Wagners Kolumne stehen mag, sein jüngstes Buch ist tatsächlich auch ein faszinierender Spiegel deutscher Geschichte und eine anregende Lektüre. Eine Unzulänglichkeit hat es allerdings: Das wiedervereinigte Deutschland kommt darin kaum vor und die DDR nur in ihrer letzten Phase ab September 1987, als Honecker auf Staatsbesuch nach Bonn kam und zwei deutsche Flaggen nebeneinander auf dem Flugplatz wehten.

Geboren 1943 in Ölmütz (Mähren) wuchs der Autor in einem Dorf nahe Nürnberg auf, wohin es seine Mutter mit ihren beiden Kindern bei Kriegsende verschlagen hatte. Seiner über alles geliebten Mutter hat Wagner liebevolle Worte gewidmet. Weil die Kinder der Einheimischen ihm „Polack“ hinterher riefen, schämte er sich seiner Flüchtlingseltern aus dem Sudetenland, „die im Wald arbeiteten, hinter Mähdreschern Korn-ähren aufsammelten“. Bald aber erhielt sein Vater, ein Spätheimkehrer, eine Anstellung als Lehrer und dank eiserner Sparsamkeit  konnten sie sich ein Reihenhaus leisten. Für den heranwachsenden jüngeren Sohn Franz Josef verkörperte das Deutschland der 50er Jahre all das, wogegen er aufbegehrte: bürgerliche Norm und Anpassung. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem Vater, wobei seine Mutter laut lachte, um das Geschrei zu übertönen – wegen der Nachbarn. Mit 17 lief er von zu Hause weg, lebte ein paar Tage im Wald, danach in Genf und Paris, um 1966 durchzustarten in eine höchst erfolgreiche Karriere beim Axel Springer-Verlag. Von einem Leben als freischaffender Schriftsteller hatte er geträumt, wurde aber Reporter des größten deutschen Verlagshauses und war eng gebunden an dessen konservative Ausrichtung. Ob ihm das Mühe machte? Über diesen Punkt schweigt er. Vom Honorar seines 1978 veröffentlichten ersten Buches „Das Ding“, das sogar verfilmt wurde, kaufte sich der damals 35-Jährige einen Porsche, fuhr damit zu seinen Eltern und stellte den Wagen stolz vor ihrem Haus ab. Seinem Vater war das unangenehm, er bat ihn, den Wagen umzuparken.

Am laufenden Band muss ein Reporter publikumswirksame Aufmacher und Artikel über Prominente produzieren und über Menschen, die durch ein schick-salhaftes Ereignis plötzlich im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Wagner war daran gelegen, fair zu bleiben. Das muss wohl die Quadratur des Kreises sein: Wasch mir den Pelz, doch mach mich nicht nass?  Dagmar Jestrzemski

Franz Josef Wagner: „Brief an Deutschland“, Diederichs Verlag, München 2010, geb., 160 Seiten, 17,99 Euro


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