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12.03.11 / Adelige entdeckt Kommune / Jutta Ditfurth macht ihre Urgroßmutter zur Freiheitskämpferin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

Adelige entdeckt Kommune
Jutta Ditfurth macht ihre Urgroßmutter zur Freiheitskämpferin

Inwieweit darf man sich an der Vita seiner Ahnen vergreifen, um seine eigenen Ideale in einem Roman zu verarbeiten? Jutta Ditfurth jedenfalls war bei „Die Himmelsstürmerin“ ohne jede Hemmung und ließ ihrer Phantasie freien Lauf, als sie 1998 erstmals über ihre Urgroßmutter Gertrud Elisabeth von Beust schrieb. 2010 hat sie nun diesen Roman überarbeitet und sogar von ihrem Verwandten, dem Hamburger Ex-Bürgermeister Ole von Beust, in der Hansestadt präsentieren lassen. Wer das Ergebnis liest, fragt sich allerdings, inwieweit sich die Urgroßmutter wohl über das gefreut hätte, was ihre Urenkelin ihr in den Lebenslauf gedichtet hat. So wird die 19-jährige Romanheldin, die offen gegen jeden aufbegehrt (wir schreiben das Jahr 1870), der aus ihrer Sicht Unrecht tut, bei einem Kuraufenthalt mit ihrem Vater in Belgien von französischen Soldaten entführt. Zuvor hatte sie diesen noch ihre deutsche Sicht der Dinge vor aller Augen mitgeteilt. Denn auch wenn die junge Dame von den sozialen Umständen auf deutschem Boden nicht überzeugt ist und empört ist, dass ihr überschuldeter Vater sie zur Adoption an den reichen Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksstadt „verkauft“ hat, so ist sie doch im deutsch-französischem Krieg auf deutscher Seite. Allerdings nur bis sie ihren Entführer inzwischen entkommen in Paris landet. Hier herrscht die Pariser Kommune, die die französische Hauptstadt nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten versucht, aber von der konservativen Regierung von Versailles aus durch Einsatz der Armee daran gehindert wird.

Ditfurth lässt die kleine von Beust lauter engagierte, herzig-rührige Kommunarden kennenlernen. Dem Leser geht das Herz auf vor so viel Idealismus und Güte, denn alle helfen der jungen Frau, die ihre ihr inzwischen peinliche adlige Herkunft verheimlicht. Und dann trifft sie in Paris noch den Messerschleifer Albert Lauterjung, dessen Lebensweg der Leser ebenfalls schon verfolgen konnte und der der jungen Gertrud Elisabeth, was für ein Zufall, schon mal begegnet ist, als sie herrschaftlich in einer Kutsche vorbeifuhr und Spenden für die preußische Armee im Krieg gegen Frankreich gesammelt hat. Und der deutsche Bursche führt die junge Gertrud nicht nur in den Freiheitskampf, sondern auch in die Geheimnisse der Liebe ein, doch die Kommune wird blutig niedergerungen, Tausende Pariser sterben dabei, werden exekutiert und das junge Paar wird auseinandergerissen.

Extreme über Extreme bietet hier nicht nur die leider sehr blutige Geschichte, sondern auch Jutta Ditfurth. Sie arbeitet einfach zu sehr mit den ihr zusagenden ideologischen Klischees, die auch ihre umstrittene Ulrike-Meinhof-Biographie von 2007 durchzogen. Obwohl, für die Ex-Grüne sind es ja vermutlich keine Klischees, differenziert denkende Leser dürften jedoch angesichts von so viel Schwarzweißmalerei und Pathos keine Freude an „Die Himmelsstürmerin“ haben.            Bel

Jutta Ditfurth: „Die Himmelsstürmerin“, Rotbuch, Berlin 2010, broschiert, 409 Seiten, 12,95 Euro


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