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19.03.11 / Erdbeben verhinderte Sturz des Premiers / Japan: Katastrophe erzeugt politischen Burgfrieden – Wiederaufbau betroffener Gebiete teils wenig sinnvoll

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Erdbeben verhinderte Sturz des Premiers
Japan: Katastrophe erzeugt politischen Burgfrieden – Wiederaufbau betroffener Gebiete teils wenig sinnvoll

Die Dreifachkatastrophe – von Erdbeben, Sturmfluten und Reaktorunfällen –, die Japan derzeit heimsucht, hat eine überraschende Wirkung: Der Selbstbeherrschung und ruhigen Disziplin des Volkes entspricht ein plötzlicher Burgfrieden in der sonst so streitsüchtigen politischen Klasse. Eigentlich hatte Premier Naoto Kan kurz vor seinem Sturz durch die eigenen Parteifreunde seiner zerstrittenen Mitte-Rechts-Sammelpartei der Demokraten gestanden. Eine Bagatellspende eines in Japan lebenden Koreaners hätte der Auslöser sein sollen, denn die Annahme politischer Spenden durch Ausländer ist in Japan verboten. Kans Vorgänger Yukio Hatoyama und Ichiro Ozawa hatten ihm die Gefolgschaft aufgekündigt. Die konservative Opposition der Liberaldemokraten verweigerte mit ihrer Mehrheit im Oberhaus die Zusammenarbeit und wollte damit Neuwahlen erzwingen.

Im Angesicht der Katastrophen arbeitet man jetzt plötzlich einträchtig zusammen. Auch ein großes schuldenfinanziertes Notbudget wird trotz des mit 210 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) völlig überschuldeten Staatshaushaltes zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in Rekordzeit gemeinsam auf die Beine gestellt. Wahrscheinlich ist der energische Naoto Kan, ein ingenieurwissenschaftlich ausgebildeter Patentanwalt, der sich als Umweltaktivist einen Namen machte und als Gesundheitsminister den Skandal um dem Vertrieb Aids-verseuchter Blutkonserven aufdeckte, als Krisenmanager eine gute Besetzung. Sofort beorderte er das gesamte Heer in die Katastrophenregion – beim Erdbeben von Kobe 1995 war dies unterblieben. Auch wurde ausländische Hilfe akzeptiert. In Kobe hatte man ausländischen Ärzten die Nothilfe untersagt, weil sie keine japanischen Lizenzen hatten. Auch die ersten Maßnahmen der Zentralbank, die Banken der Katastrophenregion – deren Schuldner fast alle ihr Vermögen, ihre Betriebe und ihre Arbeit verloren haben – mit ausreichender Liquidität zu versorgen, erfolgten stimmig.

Allerdings wird noch zu klären sein, ob der völlige Wiederaufbau der verwüsteten Regionen sinnvoll ist, deren wirtschaftliche Grundlagen als Teilelieferanten der japanischen Exportindustrie und Attraktion als Fremdenverkehrsgebiet an der vormals idyllischen Sanriku-Küste fast restlos vernichtet wurden, und die wie der Rest der japanischen Peripherie unter der Abwanderung der Industrie nach China, an Entvölkerung und Überalterung gelitten haben. Für die meisten der kleinen Fischereistädte war der Tsunami der Todesstoß.

Es bleibt auch die Klärung der Zukunft der Atomenergie in Japan. Doch missbraucht bislang niemand die Katastrophe, um ein schmutziges Süppchen zu kochen. Auch bleibt die Regierung ruhig, ganz im Gegensatz zu den in 10000 Kilometer Entfernung sicheren Europäern. Die in westlichen Medien geschmähte, zurückhaltende Informationspolitik Tokios beruht auf dem strengen Prinzip, dass ihre Sprecher nur das sagen, was sie sicher wissen. Das ist im Angesicht der multiplen Katastrophen nur wenig, doch besser als sich wie viele westliche „Experten“ in alarmistischen Spekulationen zu ergehen.                 Albrecht Rothacher


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