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19.03.11 / Wieder an die Spitze / Berlin steigt zum weltweit beachteten Forschungsstandort auf – Gewinne sprudeln kräftig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Wieder an die Spitze
Berlin steigt zum weltweit beachteten Forschungsstandort auf – Gewinne sprudeln kräftig

Berlin hat seine Industrie weitgehend verloren, ist als Kostgänger des Bundes und anderer Länder verschrien. Wirtschaftliche Tristesse allerorten? Keineswegs: Kaum bemerkt vollzieht sich im Stadtteil Adlershof eine sagenhafte Erfolgsgeschichte.

Berlin hat sich vorgenommen, bei den Wissenschafts- und Forschungsstandorten wieder Spitze zu werden. Innerhalb Deutschlands ist dies bereits gelungen, auch international wird die Stadt für Wissenschaftler zunehmend attraktiv. Schon in der Vergangenheit hatte die Spreemetropole auf Gebieten wie der Physik, Chemie und Medizin eine herausragende Stellung – mit gutem Recht wurde sie einst als Stadt der Nobelpreisträger bezeichnet.

Berlin hat große Pläne – die Stadt will in einer Liga spielen mit Forschungsstandorten wie Harvard, Cambridge oder Stanford. In der Spitzenforschung ist sie bereits jetzt erfolgreicher als alle anderen deutschen Wissenschaftsregionen. Das Potenzial ist riesig – drei Universitäten, sieben Fachhochschulen, vier künstlerische Hochschulen, zahlreiche private und staatliche Hochschulen sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie die Helmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Institute der Leibniz-Wissenschaftsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft, ehemals Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.

Wesentlicher Baustein der erfolgreichen Entwicklung ist das vor 20 Jahren gegründete Wissenschafts-Technologiezentrum in Berlin-Adlershof (WIST), das inzwischen als modernstes Technologiezentrum Europas gilt. Hardy Schmitz, Chef des WIST, spricht im 20. Jahr des Bestehens von einem „phantastischen Ergebnis“, das erreicht worden sei. Mit einigem Recht – auf dem Gelände im Südosten Berlins haben sich bereits 883 Firmen und 17 Wissenschaftsinstitutionen angesiedelt, darunter auch der naturwissenschaftlichen Campus der Humboldt-Universität.

Am 17. März 1991 wurde das Zentrum auf dem Gelände der abgewickelten „Akademie der Wissenschaften der DDR“ gegründet. Seitdem sind insgesamt 1,3 Milliarden Euro Fördergelder der öffentlichen Hand geflossen – eine Anschubfinanzierung, die sich gelohnt hat. Allein in den vergangenen vier Jahren haben die Steuereinnahmen durch das Zentrum 1,8 Milliarden Euro betragen. Die Bruttowertschöpfung beträgt nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mittlerweile rund eine Milliarde Euro – pro Jahr. Zwei Drittel der Investitionen stammen inzwischen aus privaten Mitteln. Eine der Grundlagen des Erfolges ist die enge Verbindung von Forschung und der Gründung von Technologiefirmen, die aus den Forschungsergebnissen marktfähige Produkte entwickeln. Schwerpunkte der Arbeit sind die Optik, Mikrosystemtechnik und Materialforschung. Bis 2025 soll sich die Zahl der Arbeitsplätze auf dem Gelände verdoppeln, bereits jetzt sind hier über 14000 Menschen beschäftigt.

Das Konzept ist so erfolgreich, dass nach dem Muster nun an anderen Stellen Berlins weitere Technologiezentren gegründet werden sollen – so auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof, später nach dessen Stilllegung auch auf dem Flughafen Tegel. Zudem sollen in der Nähe der beiden anderen Berliner Universitäten, der Technischen Universität in Charlottenburg und der Freien Universität in Dahlem, weitere Zentren wachsen.

Mit einer Wissenschaftspolitik nach ähnlichem Muster hatte Berlin bereits vor 100 Jahren großen Erfolg gehabt. Es war vor allem der preußische Bildungsexperte Friedrich Althoff, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die entscheidenden Weichenstellungen bei der Karriere Berlins als Stadt der Wissenschaften sorgte. Am 10. Oktober 1882 wurde Althoff von Kaiser Wilhelm I. zum Leiter des Universitätsreferats im preußischen Kultusministerium ernannt. ein Glücksgriff – die „Vossische Zeitung“ nannte den Beamten später den „Bismarck der preußischen Hochschulpolitik“.

Während seiner 26 Jahre im Kultusministerium hat Althoff das preußische und das deutsche Bildungssystem geprägt – unterstützt durch Wilhelm II., der technischen Entwicklungen und den Wissenschaften sehr aufgeschlossen gegenüberstand. Althoff sorgte dafür, dass die befähigtsten Wissenschaftler in Berlin zusammenkamen und die notwendigen Arbeitsbedingungen vorfanden. Nach der Jahrhundertwende trug diese Politik Früchte, die Königliche Friedrich-Wilhelms-Universität und die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft waren auf Gebieten wie der Physik, Chemie und Medizin führend, nicht nur im deutschen Kaiserreich, sondern sie setzten auch weltweit den Maßstab.

Bis 1918 gingen 40 Prozent der Nobelpreise an deutsche Wissenschaftler – allein die Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität brachte 29 Preisträger hervor, Deutsch statt Englisch war bis 1918 internationale Wissenschaftssprache. Für Wissenschaftler, die mit Berlin verbunden waren, stehen Namen wie Robert Koch, Rudolf Virchow, Max Planck und Heinrich Hertz.

Die damalige Hochschulpolitik schuf auch die Grundlage dafür, dass Unternehmer wie Werner von Siemens oder Walther Rathenau in Berlin Unternehmen von Weltruf aufbauen konnten. Vielen der heutigen politisch Verantwortlichen in der Stadt mag es nicht bewusst sein, dass die derzeitige Förderung und Ansiedlung von Forschungseinrichtungen Maßnahmen gleicht, die bereits vor 100 Jahren Beamte des Preußischen Kultusministeriums mit enormem Erfolg umgesetzt haben.                  Norman Hanert


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