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19.03.11 / Ein missglücktes Beweismittel, aber sehenswert / Mit dem Einsteinturm sollte die Richtigkeit der Relativitätstheorie seines Namensgebers experimentell bestätigt werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Ein missglücktes Beweismittel, aber sehenswert
Mit dem Einsteinturm sollte die Richtigkeit der Relativitätstheorie seines Namensgebers experimentell bestätigt werden

Vom Telegrafenberg in Potsdam hat fast jeder schon einmal gehört. Man denkt dabei an den Einsteinturm, eventuell sogar an die Astrophysik. Nach der verheerenden Naturkatastrophe in Südostasien um Weihnachten 2004 entwickelten versierte Potsdamer Forscher ein Tsunami-Frühwarnsystem. Diese fruchtbare Forschungsstelle sollte man sich bei einem Besuch in Berlin und Potsdam vielleicht einmal ansehen.

 Der Telegrafenberg verdankt seinen Namen der Station einer Linie optischer Telegrafen, mit der militärische Nachrichten zwischen Berlin und Koblenz übertragen wurden. Ab 1832 befand sich hier die vierte Station einer etwa 600 Kilometer langen Telegrafenlinie. Die erste lag in Berlin-Mitte, die zweite in Berlin-Dahlem, die dritte auf dem Schäferberg und die vierte auf dieser Erhebung in Potsdam.

An einem Mast aus Holz befanden sich jeweils sechs Arme, die in verschiedene Positionen gebracht werden konnten. Mittels einer Art Morsealphabet und natürlich nur bei guter Sicht und tagsüber konnten Zahlen, Buchstaben, ja sogar ganze Sätze übermittelt werden. Das dauerte zwischen 15 Minuten und einer Stunde von Berlin bis an den Rhein. Ein Bote mit Pferd hätte in der Zeit sicher erst die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam passiert.

Siemens’ Erfindung des technischen Telegrafen machte die optische Nachrichtenübermittlung in der Mitte des 19. Jahrhunderts dann schließlich überflüssig. Preußen gab seine Telegrafenlinie 1849 endgültig auf. Die Anhöhe behielt den Namen bis heute und wurde einige Zeit später wissenschaftlich genutzt. Eine erschütterungsfreie Lage, die Reinheit der Luft und Abgeschiedenheit vom städtischen Geschehen zeichneten den Telegrafenberg für störungsfreie Forschungszwecke aus. Schon im Herbst 1876 begann der Bau des Hauptgebäudes des Astrophysikalischen Observatoriums auf dem Telegrafenberg. 1879 waren sowohl der Bau als auch die Erstausstattung des Gebäudes mit Instrumenten abgeschlossen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen eine Methode entwickelt, die einzigartige Möglichkeiten bot, dem Licht der Himmelskörper deren chemische Zusammensetzung und physikalische Zustände zu entlocken: die Spektralanalyse. Der Direktor der Berliner Sternwarte Wilhelm Julius Foerster erkannte dieses als einer der ersten und regte zunächst den Bau eines Sonnen­observatoriums an. Bald wurden die Erkenntnisse auch auf den neuen wissenschaftlichen Zweig in der Astronomie, die Astrophysik, ausgedehnt und es kam zur Gründung des Astrophysikalischen Observatoriums auf dem Telegrafenberg im Jahre 1874.

Ebenfalls hier zu finden ist das viertgrößte Linsenteleskop der Welt, der sogenannte „Große Refraktor“. Dieses 1899 im Beisein des Kaisers eingeweihte Instrument war das bis dahin größte gebaute Teleskop mit einem 80- und 50-Zentimeter-Doppelobjektiv von Steinheil auf einer Repsold-Montierung in einem Kuppelbau von 24 Metern Durchmesser. Der lichte Durchmesser der drehbaren Kuppel beträgt 21 Meter, ihr Gewicht 200 Tonnen. Steht man unter dem Riesenteleskop, sind die sieben Tonnen, die der bewegliche Teil des Refraktors wiegt, nahezu zu spüren und man weicht ein wenig aus. Man weiß ja nie!

In den letzten Kriegstagen wurden das Gebäude und der mechanische Teil des Refraktors durch einen Luftangriff schwer beschädigt. In den Jahren 1950 bis 1953 hat die Firma Carl Zeiss in Jena mit der Wiederherstellung und Modernisierung begonnen, so dass eine erneute wissenschaftliche Nutzung wieder möglich war. Der fortschreitende Verfall war jedoch nicht aufzuhalten. Zum 100-jährigen Bestehen des „Großen Refraktors“ am 26. August 1999 konnten durch Sondermittel des Kultusministeriums und Spenden konservierende Entrostungs- und Anstricharbeiten durchgeführt werden. Im Mai 2003 demontierte man das Instrument, um es zur Wiederherstellung nach Jena zu bringen. Die auf feinmechanisch-optische Fertigung spezialisierte Firma 4H-Jena-Engineering hatte drei Jahre zu tun, bis der „Große Refraktor“ am 17. Juni 2005 auf den Telegrafenberg zurückkam.

Nach der Wiedereinweihung des imposanten Gerätes am 31. Mai 2006 ist es nun wieder als erlebbares Denkmal der Öffentlichkeit zugänglich.

Wer den Telegrafenberg besucht, kommt beinahe immer, um den berühmten Einsteinturm zu besichtigen. Deutschland nutzte 1924 das wissenschaftliche Renommee Albert Einsteins, um das Ansehen des Landes nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg aufzuwerten, und bewilligte Gelder für den Bau des Sonnenobservatoriums in Potsdam. Finanziert wurde der Bau jedoch hauptsächlich durch die „Albert-Einstein-Spende“, an der sich namhafte Persönlichkeiten wie Carl Bosch und Walther Rathenau beteiligten. Der Architekt Erich Mendelsohn schuf ein einzigartig futuristisches Bauwerk, das noch heute die Besucher in Scharen anzieht. Der aus Ziegelsteinen gemauerte, aber mit zeitgemäßem Beton überzogene Turm erhitzte sich bei Sonneneinwirkung allerdings stark. Die Forschungen wurden durch flirrende Schlieren vor den Objektiven gestört. So erhielt der Turm zwei Jahre später den hellen Anstrich. Zwischendurch in Kriegszeiten trug er auch einmal Tarnfarbe. Bis heute ist die Geschichte des Gebäudes eine Geschichte der Reparaturen. Erfolgreich wehrte sich der Turm gegen jede Farbe, bröckelte hier und da einmal, wird aber immer noch als Arbeitsinstrument genutzt.

Das einem U-Boot ähnelnde Bauwerk ist die äußere Hülle eines Linsenteleskops, mit dem man unter anderem die Rotverschiebung von Spektrallinien im Schwerefeld der Sonne nachweisen wollte, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wurde, deren Grundlagen nun ihrerseits wiederum maßgeblich vom Namensgeber des Einsteinturms entwickelt wurden. Der Nachweis misslang jedoch, da der erwartete Effekt von starken Turbulenzen an der Sonnenoberfläche überdeckt wurde. Aber, so verkündet eine Informationstafel: „… genau diese Turbulenzen waren der Schlüssel zu Magnetfeld und Atmosphäre der Sonne, den Kernstücken der späteren Turmforschung. Denn das Zusammenspiel dieser Faktoren gilt als Ursache für Phänomene wie Sonnenflecke und Protuberanzen. Für Untersuchungen hierzu dient den Sonnenphysikern noch heute das erste Sonnenteleskop Europas, das von Erwin Finlay-Freundlich konstruiert wurde.“

In der NS-Zeit mussten Finlay-Freundlich, Mendelsohn und Einstein Deutschland verlassen. Geradezu absurd mutet es heute an, dass alles zu verschwinden hatte, was an die drei berühmten Männer erinnerte. Die sich den Anweisungen widersetzenden Wissenschaftler versteckten die älteste Porträtbüste Einsteins, die auf diese Weise der Vernichtung entging. Heute ist sie für jedermann sichtbar im Eingangsbereich des Turmes auf einem Ehrenplatz ausgestellt.

Ein Besuch des Telegrafenberges mit Rundgang im Wissenschaftspark Albert Einstein, der außer den genannten bedeutenden Gebäuden unter anderem noch das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, eine Messwiese des Deutschen Wetterdienstes und das Alfred-Wegener-Institut für Polar-und Meeresforschung beherbergt, lohnt sich zu jeder Jahreszeit.             Silvia Friedrich


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