25.04.2024

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19.03.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,              
liebe Familienfreunde,

nach den vielen heiteren Erlebnissen und Erinnerungen, die unsere letzten Folgen bestimmten, müssen wir heute mal wieder auf die große Suche gehen. Die Fragen nach Menschen, die schon lange aus dem eigenen Blickfeld verschwunden sind, dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden, denn die Zeit eilt weiter. Dass sich noch immer so viele Suchende an uns wenden, mag für Außenstehende erstaunlich sein, ist es aber nicht. Denn wir sind das geblieben, was wir immer waren: der letzte Hoffnungsträger, wenn alle anderen Wege zu keinem Erfolg geführt hatten. Deshalb tritt auch Herr Max Stegk aus Untermünkheim an uns heran mit der Bitte, ihm bei zwei Suchfragen zu helfen, die ihm sehr am Herzen liegen.

Bei seinem ersten Wunsch geht es um alte Bekannte aus dem Kreis Schlossberg/Pillkallen, dem Heimatkreis der Familie Stegk, die mit der Familie Betinski aus Fohlental/Uschpiaunehlen sehr befreundet war. Der Vater war als Melker bei dem Landwirt Schattauer tätig. Das Ehepaar Betinski hatte mehrere Töchter, und auf diese setzt Herr Stegk seine Hoffnung, etwas über den Verbleib der Familie zu erfahren. Falls die Familie nicht auf der Flucht umgekommen ist, denn obgleich Herr Stegk immer wieder auf Heimattreffen und auch bei Institutionen nach der Familie Betinski gefragt hat, bekam er nie einen auch nur vagen Hinweis. Vielleicht erinnern sich Landsleute an das Ehepaar Betinski und seine Töchter, die – wenn sie Krieg und Flucht überstanden haben – wahrscheinlich einen anderen Namen tragen.

Der zweite Wunsch von Max Stegk betrifft die eigene Familie. Es geht um seinen Bruder Artur Stegk. Dessen Einheit, die 21. Infanterie-Division, hatte am Ladoga-See gekämpft und lag vor dem Russeneinfall in Ostpreußen im Kreis Goldap. Artur Stegk war Feldwebel und Zugführer bei den Sturmpionieren. Noch im März erhielt der jüngere Bruder, der als 17-Jähriger zur Verteidigung Königsbergs eingesetzt wurde, von ihm einen Feldpostbrief. Artur Stegk muss wenig später im Heilsberger Kessel gefallen sein. Allen Nachfragen zum Trotz blieb sein Schicksal bisher ungeklärt, auch auf den Divisionstreffen konnte sich niemand der Teilnehmer an den Feldwebel Stegk erinnern. Eine zu große Erwartung dürfen auch wir nicht hegen, das weiß Herr Stegk, aber wir hoffen, dass er doch Zuschriften bekommt, was vor allem in Bezug auf die erste Suchfrage möglich erscheint. Ostpreußen bleibt für den Landwirt die geliebte Heimat, und das nicht nur in der Erinnerung. Als er nach vierjähriger Gefangenschaft in Sibirien nach Deutschland heimkehren konnte, fand er zwar seine Eltern in Schleswig-Holstein wieder, konnte dort aber beruflich nicht Fuß fassen. Er zog nach Baden-Württemberg zu einem Kameraden aus der Gefangenschaft und arbeitete auf dessen Hof. Er blieb dort, heiratete und baute den kleinen Betrieb seiner Frau aus, wurde Vater von acht Kindern. Als die Familie 1990 die Landwirtschaft aufgab, „fühlte ich mich für den Ruhestand zu rüstig“, wie er schreibt. Schon lange hatte er auf die Öffnung zu seiner Heimat gewartet, es zog ihn oder vielmehr: Er zog mit bisher 13 Hilfstransporten aus dem Schwäbisch-Haller Bezirk in den Kreis Schlossberg. „Was ich beim ersten Betreten meins Heimatbodens gefühlt habe, kann ich gar nicht beschreiben, war es Freude oder waren es Tränen der Enttäuschung? Dieses kann man nur Menschen mitteilen, die das gleiche Schick­sal erfahren haben!“ Und dafür ist unsere Ostpreußische Familie das richtige Forum. (Max Stegk, Suhlburg 5 in 74547 Untermünk­heim.)

Die Suchfrage von Frau Silvia Sütterlin-Hunsinger aus Hasel hat nichts mit Krieg und Flucht zu tun, aber sie wird nicht minder schwer zu lösen sein. Denn es handelt sich um eine Halbschwester ihrer Mutter, die schon im Kindesalter fort gegeben wurde und von der niemand sagen konnte oder wollte, wie ihr weiteres Leben verlief. Solche Schicksale berühren mich immer wieder sehr, denn es sind nicht wenige, die im Laufe meiner über 30-jährigen Arbeit für die Ostpreußische Familie an mich herangetragen wurden, und es gab da schon manche bittere Erfahrung. Die werden wir hier kaum zu fürchten haben, denn selbst wenn die Gesuchte noch leben würde, wäre sie heute über 80 Jahre alt. Sie hat wahrscheinlich über ihre Herkunft wenig oder nichts erfahren, oder diese geriet in Vergessenheit, wenn sie gute Pflege- oder Adoptiveltern gefunden hat. Die leibliche Mutter, also die Großmutter von Frau Sütterlin-Hunsinger, war Frieda Emilie Schwarzstein, *9. Oktober 1906 in Zinten, Kreis Heiligenbeil. Sie stammte aus einer kinderreichen Familie und arbeitete auf einem Gut als Zimmermädchen. Um 1930 bekam sie eine uneheliche Tochter, die wohl zuerst in der mütterlichen Familie aufwuchs. Frieda Schwarzstein heiratete im Mai 1933 Franz August Riemann. Das Paar lebte damals wahrscheinlich in Wernershof, denn dort kam im selben Jahr die zweite Tochter der jungen Frau, die Mutter von Frau Sütterlin-Hunsinger, zur Welt. Vier Jahre später wurde der gemeinsame Sohn Werner Riemann geboren. Der Stiefvater wollte das Kind, das nicht von ihm stammte, nicht mehr in seiner Familie haben, er hat wohl seine Frau gedrängt, es fort zu geben, was dann auch geschah. In welche Hände es gekommen ist, blieb unbekannt, es wurde anscheinend nicht mehr darüber gesprochen. Die jüngere Schwester hat einmal ihren Vater nach der Verschwundenen gefragt, doch der meinte, das würde niemanden interessieren. Und doch blieb sie für die Schwester unvergessen, wie die Suchbitte ihrer Tochter nun beweist. Mutter und Tochter hoffen, dass jemand aus unserem Leserkreis Hinweise auf den Verbleib der Halbschwester und Tante geben kann. Allerdings ist nicht einmal deren Vorname bekannt, der Nachname könnte durch Adoption geändert worden sein. Der Name des leiblichen Vaters des unehelichen Kindes ist nie genannt worden. Es ist anzunehmen, dass die Familie Schwarzstein aus der Gegend um Zinten stammt, es könnte sich vielleicht noch jemand an sie erinnern, Frieda hatte mehrere Geschwister und Halbgeschwister. Außerdem kommt das Umfeld des damals jungen Ehepaares in Frage. Da die zweite Tochter in Wernershof geboren wurde, dürfte Werner Riemann in den 30er Jahren auf dem im Kreis Samland gelegenen Gut gearbeitet haben, vielleicht gemeinsam mit seiner Frau. Das sind so die ersten Trittsteine, die ich legen kann – ob sie zu einer Spur führen? (Silvia Sütterlin-Hunsinger, Bündenfeldstraße 3 in 79686 Hasel, Telefon 07762/3976.)

In dem Schreiben von Herrn Siegfried Dankert aus Leipzig geht es nicht um Einzelschicksale, nicht um Namen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis, nicht um ehemalige Nachbarn, sondern um die Klärung von Fragen, die aus gravierenden Erlebnissen in seiner Kindheit resultieren und ihn noch immer beschäftigten. Und die beziehen sich – wie sollte es sonst bei einem Königsberger Kind sein – auf die Flucht und die folgenden schlimmen Jahre im russisch okkupierten Nordostpreußen. Die Bombenangriffe auf seine Heimatstadt erlebte der Achtjährige nicht mit, er war mit seiner Mutter auf einen Gutshof bei Kreuzingen evakuiert worden und fühlte sich dort glück­lich. Aber diese scheinbare Ruhe dauerte nicht lange, die Wehrmacht rückte ein, Mutter und Sohn mussten nach Königsberg zurück, wo ihr Wohnhaus Blumenstraße 6 noch stand. Unruhige Wochen begannen, bis die Mutter die Koffer packte und zusammen mit zwei anderen Müttern – Frau Braun und Frau Köhler – und deren Kindern zum Bahnhof zog und dort auch Platz in einem Zug bekam. Nach längerer Fahrt ins Ungewisse hieß es: Der Russe ist da! In Metgethen muss­ten die Frauen mit ihren Kindern den Zug verlassen. Was dann geschah, wissen wir alle, denn es war die Hölle. „Einzelheiten, die ein Kind mit acht Jahren erleben musste, lasse ich hier offen“, schreibt Siegfried Dankert. In einem Treck verließen sie den Ort des Grauens, kurz danach wurden alle Männer von den Russen herausgeholt und kamen nicht wieder. Der Treck endete für Frau Dankert und Sohn in Pronitten. Später versuchten die Frauen, Arbeit in Poßnitten zu finden, aber viele verhungerten, auch die Mutter von Siegfried, der zuerst nach Labiau und dann mit anderen elternlosen Kindern in ein Auffanglager in Königsberg kam. Letzte Station in der Heimat war ein Kinderheim in Pr. Eylau, ehe es mit Viehwagen in den Westen ging. Siegfried hatte das Glück, nach Lageraufenthalten seinen Vater wiederzufinden, der ihn nach Leipzig holte.

Soweit die etwas gekürzten Aufzeichnungen von Siegfried Dankert, aus denen die beiden Fragen hervorgehen, die der eigentliche Anlass seines Schreibens sind: Was geschah mit den Männern, die aus dem Zug geholt wurden? Wann war die Sowjetarmee in Metgethen? Ich kann ihm entsprechende Dokumentationen übermitteln, glaube aber, dass es ihm mehr daran gelegen ist, mit Zeitzeugen in Verbindung zu treten, die anhand von eigenen oder aus ihrem Lebenskreis übermittelten Erlebnissen die damaligen Ereignisse transparenter machen, vor allem, was seine erste Frage betrifft. Zur zweiten Frage: Es muss sich um den ersten Einfall der Russen in Metgethen Ende Januar 1945 handeln. Mitte Februar wurde in einem letzten Angriff der 1.ID der Einschließungsring um Königsberg noch einmal geöffnet, ehe er sich am 6. April dann endgültig schloss, (Siegfried Dankert, Weißdornstraße 74 in 04209 Leipzig.)

Um mich in diese Zeit und Lage hineinzuversetzen, habe ich neben anderen Publikationen auch das Buch „Bärwalde“ von Ursula Growitz hervorgeholt, denn die Chronik dieses wenige Kilometer westlich von Metgethen gelegenen samländischen Dorfes bietet eine Fülle von Informationen, darunter auch akribische Aufzeichnungen über die russische Okkupation und die damit verbundenen Schicksale der Bevölkerung. Die Chronistin bat mich vor Erscheinen des Buches 2003, das Vorwort zu schreiben, ich habe es gern getan, denn ich konnte ihr damit – was ich damals nicht ahnte – einen ihrer letzten Wünsche erfüllen: Sie verstarb ein Jahr später. Ihr „Bärwalde“ ist für mich ein Beispiel für die vielen Dorfchroniken, die von ihren vertriebenen Bewohnern mit Liebe und Fleiß erarbeitet werden, selbst wenn es sich nur um eine Handvoll Häuser handelt wie in Bumbeln, das gerade mal 100 Seelen zählte. Trotzdem war es seinem Autor Alfred Schiedat wichtig, das Schicksal der Bewohner dieses nordwestlich von Gumbinnen gelegenen Dorfes zu schildern „mit ihrer Pflichterfüllung bis zum bittren Ende“ – so schreibt Frau Gertrud Bischof, die dieses vor 30 Jahren geschriebene Buch sucht. Ob es sich irgendwo im Kreis unserer Ostpreußischen Familie finden lässt? Frau Bischof würde sich sehr freuen. (Gertrud Bischof, Richard-Strauß-Straße 3a in 90455 Nürnberg.)

Was macht man, wenn man eine Karte mit nur einem Satz erhält: „Ich suche Frank Abraham, geb. 1925 in Westpreußen (Ostpr.?) Vater General und dekoriert“? Natürlich könnte man ihn so stehen lassen, aber jedes Fragezeichen wurmt mich, ein versierter Redaktionskollege half mir und so bekamen wir eine ergiebige Vita des Generals mit allen Stationen seiner militärischen Laufbahn, die – wie mit „dekoriert“ angegeben – zu höchsten Auszeichnungen führte. General Erich Abraham, der 1971 in Wiesbaden verstarb, wurde 1895 in Marienburg geboren. Damals gehörte die Stadt zu Westpreußen. Wenn sein Sohn Frank dort ebenfalls das Licht der Welt erblickt haben soll, war das in Ostpreußen, denn 1925 gehörte nach dem Versailler Vertrag, der Westpreußen geviertelt hatte, der östlich von Weichsel und Nogat gelegene Teil zum Regierungsbezirk Westpreußen in der Provinz Ostpreußen. Soweit also kein Fragezeichen. Mehr können wir aber nicht tun, als zu hoffen, dass die Suchfrage unseres Schweriner Lesers eine positive Antwort findet. (Joachim Gollnitz, Ziolkowskistraße 19 in 19063 Schwerin, Telefon 0385/2000120.)

Eure Ruth Geede


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