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19.03.11 / Zeuge vom Wirken der Hochmeister / Die Marienburg lockt jedes Jahr eine halbe Million Besucher aus aller Welt nach Westpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Zeuge vom Wirken der Hochmeister
Die Marienburg lockt jedes Jahr eine halbe Million Besucher aus aller Welt nach Westpreußen

Im Herbst letzten Jahres veranstaltete das Ostpreußische Landesmuseum Lüneburg, organisiert vom Kulturreferat des Museums, eine Studienreise zu den Burgen des Deutschordensstaates Preußen, die von der Kunsthistorikerin Malgorzata Jackiewicz-Garniec begleitet wurde. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Fotografen und Graphiker Miroslaw Garniec, hat sie das Buch „Burgen im Deutschordensstaat Preußen“ verfasst. Sie vereint hier Geschichte und Gegenwart zu einem einmaligen kulturhistorischen Dokument. Der in Königsberg geborene Hamburger Architekt Christian Papendick hat als Teilnehmer der Reise deren Höhepunkte festgehalten, die die PAZ nun in loser Folge veröffentlichen wird. Diese Woche: Marienburg.

Wer Marienburg am Abend erreicht, wird mit dem überwältigenden Anblick der angestrahlten Burg belohnt. Fasziniert schon die ungeheure Wiederaufbauleistung der durch Kriegseinwirkungen stark beschädigten Burg, ist der Eindruck der über 700-jährigen größten Backsteinburg Europas immer noch gewaltig. Sie wurde 1274 vom Landmeister des Deutschen Ordens, Konrad von Tierenberg d. Ä., zu Ehren der Patronin des Ordens am rechten Ufer der Nogat gegründet und geweiht. 150 Jahre lang haben großartige Baumeister an dieser Burg geplant und gearbeitet und damit das bedeutendste Bauwerk des Deutschen Ordens geschaffen. Zunächst war sie als Sitz eines Komturs gedacht, um den älteren Verwaltungsmittelpunkt des Ordens in Zantir zu ersetzen. Der Orden, der durch seine großen Leistungen in Bezug auf die Besiedelungen des Landes, seine Stadt- und Dorfgründungen, seine wirtschaftlichen Erfolge und seine Geisteshaltung großes Ansehen genoss, galt in jener Zeit als das modernste Staatswesen in Europa. Nirgends war das Kaufmannsgut so geschützt, waren Straßen und Wege so sicher, Recht und Ordnung in so fester Hand wie in Preußen. Die ganze Zucht und Strenge dieses geweihten Männerbundes drückt sich noch heute in den von ihm gebauten Burgen und Kirchen aus. Bereits 1309 verlegt der Hochmeister Siegfried von Feuchtwagen seine Residenz von Venedig auf die Marienburg. Durch seine geschickte Politik erwirbt der Orden gegen 10000 Mark in Silber Danzig und das Land Pomerellen und gewinnt dadurch eine Landbrücke zum Reich. Zugleich macht er sich damit das Königreich Polen zum Feind, das nun von seinem blühenden Ostseehandel abgeschnitten ist. Weder den Polen gelang es nach der Niederlage des Ordens 1410 bei Tannenberg die Festung einzunehmen, noch konnten die überwiegend aus Danzigern bestehenden Truppen des „Preußischen Bundes“ bei der erneuten Belagerung 1454 die Burg erobern. Doch wurde im gleichen Jahr die an die Söldner des Ordens wegen Soldrückstands verpfändete Burg von einer Gruppe von ihnen 1457 an den König von Polen verkauft, der hier am 7. Juni einzog. Der Deutsche Orden, nach der verlorenen Schlacht bei Tanneberg 1410, wie auch durch ständige Reibereien und Kämpfe mit dem „Preußischen Bund“ und den Polen geschwächt, scheiterte bei den Versuchen der Rückeroberung. Wenn er auch in der Schlacht bei Konitz 1454 erfolgreich war, musste er nach dem Sieg König Kasimirs IV. im 2. Thorner Frieden 1466 das Ermland, das Kulmerland, Pommerellen und das Gebiet um die Marienburg an Polen abgeben. Die Hochmeister des Deutschen Ordens müssen von nun an von ihrem Sitz in Königsberg dem polnischen König den Treueeid schwören. Der Orden beendet damit seine Großmachtstellung. Ein letzter Waffengang des Ordens 1519 endet als vergeblicher Versuch, die Oberhoheit Polens abzuschütteln. Im Jahr 1523 erfolgt die erste evangelische Predigt im Königberger Dom. Danach entschließt sich Hochmeister Albrecht von Brandenburg, den Orden aufzulösen und eine weltliche Herrschaft in Preußen zu begründen. Er leistet für sich und seine Nachfolger dem König von Polen den Lehnseid und wird es als Herzog von Preußen anerkannt. Im Krakauer Frieden 1525 wird das preußisches Ordensland durch König Sigismund von Polen als weltliches Herzogtum anerkannt. Preußen wird damit das erste protestantische Land in Europa. Diese historische Beigabe mag zum besseren Verständnis während der Besichtigung der Burg dienen.

Die monumentale dreiteilige Festung – so kann man nach dem historischen Verständnis diese Burg auch bezeichnen – zeigt sich uns als ein bedeutendes Kunstwerk der mittelalterlichen Architektur, angelehnt an den Stil der Norddeutschen Backsteingotik, jedoch auch in einem ungewöhnlichen, nur dem Orden eigenen Baustil. Als Weltkulturerbe der Unesco gehört die Marienburg heute zu den wichtigsten Zeugen der europäischen Baukultur.

Von der Vorburg aus, der ursprünglichen Niederburg mit Wirtschaftsgebäuden und Karwan – dem Zeughaus – hat der Besucher vor sich die Nordwand des Mittelschlosses mit dem prachtvollen Stufengiebel der Firmarie und dem Turm „Hahnenfuß“. Durch das Vortor mit der Haupteinfahrt erreicht er über die Zugbrücke den Hof des Mittelschlosses. Hier verstärkt sich der Eindruck dieser gewaltigen Burg durch den sehr geräumigen Innenhof, völlig umgeben von der Dreiflügelanlage, und im Süden vom Nordflügel des Hochschlosses getrennt durch einen breiten Wassergraben mit Wehrmauer. Das bedeutendste Gebäude im Mittelschloss ist der Hochmeisterpalast, eine künstlerische Meisterleistung von Nikolaus Fellenstein, 1389-99 geschaffen. Durch das Vortor des Hochschlosses mit Zugbrücke und Wachtturm gelangen wir durch das Portal des Einfahrtstores in den Hof des Hochschlosses, umgeben von Kreuzgängen in zwei Geschossen. Hier liegt auch im Obergeschoß des Nordflügels die Burgkirche St. Marien, 1945 durch Artilleriebeschuss stark zerstört und bis jetzt lediglich gegen Witterungseinflüsse gesichert.

In Polen, das zunächst gegen-über der deutschen Geschichte und ihren Bauten lange Jahre von Vorurteilen belastet war, die sich auch auf die Burg als Hauptsitz des als feindlich betrachteten Deutschen Ordens bezogen, setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, diese Zeugen als wichtige Bestandteile des europäischen Kulturerbes wahrzunehmen und zu pflegen. An der Marienburg zeigt sich heute bereits die Resonanz auf die Wiederaufbauleistung dieses so bedeutenden europäischen Kulturdenkmals, das jährlich etwa eine halbe Million Besucher aus der ganzen Welt besichtigen.

Die Stadt Marienburg verlassend sollte man nicht vergessen, vom gegenüberliegenden Ufer der Nogat die Sicht auf die Burg wahrzunehmen. Hier spiegelt sich die gesamte Burganlage bei schönem Wetter im Wasser: Ein Anblick, der weit in die Geschichte zurückgeht und so eindrucksvoll diese Kulturlandschaft wiedergibt, die durch die zahlreichen Bauten des Deutschen Ordens geprägt wurden.


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