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26.03.11 / Die Angst der einen ist die Macht der anderen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-11 vom 26. März 2011

Moment mal!
Die Angst der einen ist die Macht der anderen
von Klaus Rainer Röhl

Kurz vor der Wahl in Baden-Württemberg und bevor alle nur noch Grün wählen, mobilisiert SPD-Chef Sigmar Gabriel noch einmal die letzten Reserven: Kinder und Jugendliche, die schon in der Schule Umweltschutz-Plakate malen, und denen Bücher und Kinderfilme die Welt seit langem einteilen in gute Menschen und finstere Industrielle, die an den schönsten Stellen Deutschlands Fabriken, Straßen und Atomkraftwerke bauen, nur um Geld zu scheffeln. Da ziehen sie, aufgewühlt von den Fernsehberichten über Japan, vor die deutschen Kernkraftwerke und bilden eine Menschenkette, und das Fernsehen ist dabei, und Gabriel kann hoffen, mit Hilfe der liebenswerten Jungen und Mädchen wenigstens einen kleinen Prozentsatz der Wähler von den Grünen weg und zur SPD zu locken. Wahlkampf mit 10000 Toten! Missbrauch der Jugend wie damals, 1958: Da läuteten SPD und Gewerkschaften den „Kampf gegen den Atomtod“ ein, und die Kommunisten jubelten fröhlich mit: „Wir wollen Frieden auf lange Dauer / Nieder mit Strauß, / Nieder mit Adenauer! / Keine Raketen, keine Atome! / Wir fordern die atomfreie Zone!“

Also nur noch Moleküle? Das war kein Kindervers, sondern ein Beitrag der Kommunisten für die bundesdeutsche Anti-Atom-Bewegung. Keine Atome. Angeblich sollten Hamburger Hafenarbeiter diesen Spruch auf Transparenten mitgeführt haben, und kein Geringerer als Hanns Eissler hatte die Melodie zu diesem Propagandaliedchen geschrieben, das die „Friedensfreunde“ in der Bundesrepublik begeistert nachsangen. Damals ging es um Atomwaffen, 30 Jahre später ging es den Nachfolgern der Friedensbewegung um Atomkraft. Kernkraftwerke für die Stromversorgung. Auch die sollte die Bundesrepublik nicht bauen dürfen, verkündete die „Friedensbewegung“, obwohl man in der DDR, von wo aus diese Bewegung unterstützt und gesteuert wurde, selber ein Atomkraftwerk unterhielt, bei Greifswald. Und sowjetische Atombomben waren ja „Friedensbomben“, und ein Atomkraftwerk im Kommunistenland musste einfach sicherer sein als ein von den „Konzernen“ und „Multis“ aus Profitgier gebautes in der Bundesrepublik Deutschland. Die Argumentation war und ist immer auch anti-industriell. Hitler modernisierte die deutsche Industrie nachhaltig, aber die Hitlerjugend, deren Führer sich auf die Wandervogelbewegung und ihren Naturkult beriefen („Aus grauer Städte Mauern ...“), propagierte weiter das gesunde Leben auf dem Lande. Kalte Duschen, Abhärtung und körperliche Arbeit im Freien. Gegen die verweichlichte Zivilisation, die man besonders im Westen um sich greifen sah. Der Kampf gegen die Maschinen hatte eine lange Vorgeschichte. Maschinenstürmer hießen die Ahnen der Grünen.

Nachdem die Engländer im 19. Jahrhundert das industrielle Zeitalter eröffnet hatten, und die deutschen Unternehmer sich beeilten, den Anschluss an die Entwick-lung nicht zu verpassen, gab es schon früh auch eine anti-industrielle Bewegung. Sie fand insbesondere bei deutschen gebildeten Kleinbürgern Anhänger. Die deutschen Denker und Dichter und ihr Publikum, die Oberlehrer und Oberschüler, von „Des Knaben Wunderhorn“ entzückt und stets auf Suche nach der blauen Blume, warfen sich mit voller Kraft in den Kampf gegen die Maschinen. Zusammen mit den rückständigen bäuerlichen Schichten kämpften sie, wahrhaftige Vorläufer der heutigen Bürgerinitiativen, gegen die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Gegen die „gefährlichen“, zehn Kilometer in der Stunde zurücklegenden, Dampf und Ruß spuckenden Lokomotiven und das die ganze Landschaft verschmutzende Teufelswerk. Da haben wir schon den Begriff „Umweltverschmutzung“. Schmutzig ist das Böse. Die Natur ist sauber. Die Deutschen wollten es auch sein, nachdem sie, mehr als ein Jahrhundert lang und in immer neuen Ausgaben übersetzt, Rousseaus „Emile oder Über die Erziehung“ gelesen hatten.

Die Schüler des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau und der Jugendbewegung überlebten zwei Weltkriege und gaben ihre Ideale – und Aversionen – weiter. Besonders in Deutschland. Dreimal dürfen Sie raten, warum. Gewiss, die Funktionäre wie Jürgen Trittin, Joschka Fischer, Antje Vollmer und viele andere waren Kommunisten, kamen aus den sogenannten K-Gruppen (KBW, KB, KPD/ML, Maoisten und „Revolutionärer Kampf“), die sich nach dem Zerfall der 68er gebildet hatten. Sie traten gezielt in die neugegründete Öko-Partei von Müsli-Essern ein, eroberten die Macht und die Partei, bis heute. Die Basis ist weiterhin deutsch, grün – und blauäugig. Keine Raketen, keine Atome. Dazu kam Tschernobyl. Nun die Wiederholung der Katastrophe in Fukushima.

Aber nicht einmal in Russland und den schwer von den Folgen des Reaktor-Unglücks betroffenen Regionen gab es eine solche (von den Massenmedien entfachte und monatelang geschürte) Panik in der Bevölkerung wie ausgerechnet in Deutschland, das kein einziges Opfer der Katastrophe zu beklagen hatte. Sind nur Deutsche besonders besorgt um ihre Kinder und die anderen Völker in Europa und der Welt, in China, Russland und Brasilien leichtsinnig, ja fahrlässig?

Oder waren nicht vielmehr unsere öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernseh-anstalten, Zeitungen und Zeitschriften leichtsinnig und fahrlässig im fast stündlichen Verbreiten von Schreckens-Meldungen und Kommentaren? Jedenfalls gab Tschernobyl der grünen Anti-Kernkraft-Bewegung einen außergewöhnlichen Auftrieb, der schließlich dazu ausreichte, bei der Regierungsbildung von 1998 die vorzeitige Abschaltung sämtlicher Kernkraftwerke bei ihrem Koalitionspartner durchzusetzen. Dieser Ausstieg wurde während der Großen Koalition festgeschrieben. Einmalig in der Welt, während die großen Industrienationen und die asiatischen Aufsteigerländer massenhaft Atomkraftwerke bauen. Warum herrscht nur in Deutschland eine fast tägliche Panikmache? Es scheint, als wenn manche Propagandisten auf die Katastrophe in Japan geradezu gewartet hätten. Des Rätsels Lösung: Durch Verbreitung von Angst entsteht Macht. Die stürmisch wachsende Macht der Grünen beruht auf der Verbreitung von Angst. Angst, wie einst vor den Lokomotiven von Nürnberg und Fürth. Sauber wollten die Ahnen der heutigen Umweltschützer sein. Sauber sollen wir bis heute sein. Und Kohlekraftwerke lehnen wir ebenfalls ab, wegen des „Klimakillers“ CO2. Wie also weiter nach Fukushima?

Die großen Industrienationen China und Russland, aber auch Frankreich, verschärfen nach der japanischen Katastrophe ihre Kontrollen und bauen neue Kernkraftwerke. Die Deutschen aber, wenn es nach der aufgeregten Stimmung der Medien ginge, wollen „alles abschalten“. Warum?

Wegen Rousseau? Der heilen Natur? Der Sauberkeit der Luft? Dann dürfte kein Kohlekraftwerk mehr in Betrieb sein. Wegen der Luftblase der „erneuerbaren Energien“ wie Sonne, Wind und Schnaps, die mit Ach und Krach und Milliarden-Zuschüssen gerademal 16 Prozent der Energie liefern? Sie werden die Energielücke nie schließen können, auch wenn wir den Wald vor lauter Windmühlen nicht mehr sehen können. Sie werden „Atomstrom“ aus Frankreich importieren. Keine Atome, keine Gene. Zurück zur Natur, das Essen kommt aus dem Bioladen und der Strom … aus der Steckdose. Der gute Deutsche ist industriefeindlich ohne Grund. Er braucht auch keinen. Deutschsein heißt ja, eine Sache um ihrer selbst willen tun.


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