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26.03.11 / Verklärter Mythos der Kommunisten / Die Pariser Kommune vor 140 Jahren war alles andere als marxistisch-leninistisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-11 vom 26. März 2011

Verklärter Mythos der Kommunisten
Die Pariser Kommune vor 140 Jahren war alles andere als marxistisch-leninistisch

Im Berliner Stadtteil Friedrichshain, ehemals zu Ostberlin gehörig, liegt die Straße der Pariser Kommune. „La Commune“, zu Deutsch „die Gemeinde“, das war vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 der Aufstand der Pariser Linken gegen die bürgerliche Zentralregierung, als die französische Hauptstadt vom preußischen Heer belagert wurde. Von den Kommunisten zum Mythos verklärt, spielten die Pariser Kommune und ihre Rezeption lange eine bedeutende Rolle in der kommunistischen Ideologie.

Die „Kommunarden“ wollten als Franzosen gegen die Preußen, als Hauptstädter gegen die Provinz, als Proletariat gegen die Bourgeoisie weiterkämpfen. Sie träumten von einer egalitären Räterepublik, von einem anarchistischen Linkssozialismus. Arbeiter standen in ihren Reihen, aber auch viele Handwerker und Intellektuelle. Der ehemalige Straßenkämpfer und Tribun Auguste Blanqui, von dem Karl Marx gesagt hat, dass er der Chef war, der der Kommune gefehlt habe – er saß im Gefängnis –, und die Anarchistin Louise Michel, die als Frau auf den Barrikaden kämpfte, waren leitende Figuren.

Im Grunde genommen war die Kommune alles andere als „kommunistisch“ im Sinne des Marximus-Leninismus. Bertolt Brecht wusste das. Er wollte nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil 1948 das Stück „Die Niederlage“ von Nor­dahl Grieg über Aufstieg und Fall der Kommune inszenieren. Er schrieb es letztlich mit dem Titel „Die Tage der Kommune“ neu. Das Stück wurde erst einen Monat nach seinem Tod am 17. September 1956 in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) uraufgeführt. Es übertrug das Schicksal der Kommune im geschlagenen Frankreich auf die Lage Deutschlands 1945, wo die revolutionäre Umwälzung an Stalins KGB scheiterte. Die bolschewistische Partei in Russland hatte schon längst die sozialrevolutionären, die anarchistischen Genossen vernichtet. Die Republik der Sowjets in Russland und die Münchener Räterepublik waren nur kurze Zwischenspiele. Marx hatte die Diktatur des Proletariats und seiner Avantgarde verkündet und Lenin legte den Grundstein des totalitären Polizeistaates.

Trotzdem hat sich der Kommunismus den Mythos der Pariser Kommune zu eigen gemacht, und seine liberalen Elemente eliminiert. Was wäre sonst das Wort „Kommunist“? So schrieb man: 1871 = 1917 mit den spiegelbildlich umgekehrten Endzahlen. Es half, dass Marx dazu ein Buch, „Der Bürgerkrieg in Frankreich“, verfasst hatte. „Die Internationale“ als Kampflied und viele von Jean Ferrat, Yves Montand und anderen gesungene Lieder aus der Kommunezeit machten die Linke romantisch. Viele Bräuche der kommunistischen Bewegung stammen von diesem Aufstand der „Verdammten dieser Erde“, welcher der bürgerlichen Republik trotzte. Als die Kommune nach blutigen Straßenkämpfen im Mai 1871 fiel, wurden in Paris 20000 Menschen standrechtlich erschossen. In Anlehnung an dieses Massaker legte sich 1945 die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) den Titel „Partei der 70000 Erschossenen“ bei. Dabei hatte die Zahl der während des Zweiten Weltkrieges von der deutschen Besatzung erschossenen Kommunisten eine bis zwei Nullen weniger.

Die Linken haben im Nachhinein dieses blutige historische Drama verklärt. Die Pariser Kommune wurde für die anfänglichen Randfiguren Marx, Engels und Lenin zum Heldenepos, das sie brauchten, um ihre revolutionäre Bewegung zu verbreiten: Marx’ Mehrwerttheorie war für das Proletariat nicht so berauschend wie die Barrikaden von Paris.

War die Pariser Kommune jedoch so freiheitlich wie oft behauptet? An ihrer Spitze waren zwar Leute, die vor allem die ökonomischen Zustände jener Zeit zu Recht empörten, ihre Anführer waren freiheitliche Sozialisten des 19. Jahrhunderts, Blanquisten und Proudhonisten, aber auch viele verträumte Spinner und fanatische Mitläufer. „Ich hatte mich in die Revolution verliebt“, äußerte später Louise Michel. „Ein Stern am Himmel“, das „Lied der Kirschblütenzeit“ – Poesie verdeckte später, dass die Kommunarden selbst keine Friedensengel waren.

Am Anfang gab es den Pariser Mob und die Nationalgardisten, an deren Spitze wie damals als politische Organisation der Volksbewegung in der Französischen Revolution 1789 bis 1794 ein gewählter revolutionärer Gemeinderat stand. Die Volksbewegung der Sansculotten, die 1793 Jagd auf die „Verdächtigen“ gemacht, die Guillotine mit frischem Blut versorgt und selbst Massentötungen verübte hatte, lebte 1870 bis 1871 in neuem Gewand wieder auf. Es entstand ein „Zentralkomitee“ und daraufhin ein „Wohlfahrtsausschuss“, der direkt an den Terror von 1793 erinnerte. Als der spätere erste Präsident der Dritten Republik Adolphe Thiers sich weigerte, Auguste Blanqui, den er festhielt, gegen den Erzbischof von Paris, Georges Darboy, auszutauschen, exekutierte die Kommune den Geistlichen. Immerhin wurden sehr moderne soziale Dekrete verabschiedet und zur Ehrenrettung der Kommune wurde die Guillotine auf dem Place Voltaire verbrannt sowie die Vendôme-Säule, ein Symbol napoleonischer Feldzüge, gestürzt. Aber als der Kampf härter wurde, erhielt der Wohlfahrtsausschuss diktatorische Vollmachten. Er war nur noch gegenüber der Kommune verantwortlich. Damit nahm man von Dezentralisierung und Freiheit Abschied. Es wurden 70 Geiseln hingerichtet, aber es mangelte an Zeit, um das „Geiseldekret“ vom 17. Mai anzuwenden, wonach die Hinrichtung eines Kommunarden durch die Regierungstruppen „mit der Exekution der dreifachen Anzahl Geiseln“ durch die Kommune beantwortet werden sollte.

Viele der DDR-typischen Plattenbauten, wie man sie auch im Umfeld der Straße der Pariser Kommune findet, sind grau. Nicht rot wie die Revolutionsflagge, nicht blau wie FDJ-Hemden, sondern grau, wie der DDR-Alltag, wie der Kommunismus war. Die Straße der Pariser Kommune hat ihren Glanz verloren.  Jean-Paul Picaper


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