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26.03.11 / Aus der Hölle ins Inferno / Königsbergerin flieht 1944 aus der Pregelmetropole und landet in Dresden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-11 vom 26. März 2011

Aus der Hölle ins Inferno
Königsbergerin flieht 1944 aus der Pregelmetropole und landet in Dresden

Eine autobiografische Erzählung über die Jahre 1944 bis 1948 hat Dorothea Conrad veröffentlicht, die seit 1956 in Stuttgart lebt. 1930 in Königsberg geboren und dort auch aufgewachsen, verbrachte sie die letzten Kriegsmonate in Dresden und Königsberg. Sie wurde Zeugin der Gräuel von Tod und Verwüstung, die in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar über die Elbmetropole hereinbrachen. Von einem befreundeten Historiker aufgefordert, ihre damaligen Erlebnisse aufzuzeichnen, hat sie sich nach einigem Zögern dazu durchringen können. „Schreib auf, worüber du nicht sprechen kannst“, lautet der Titel ihres spannenden und ansprechend gestalteten Buches, für das sie die dritte Person als Erzählform wählte. Nach all den Jahrzehnten hat die 80-jährige Verfasserin noch erstaunlich detailreiche Erinnerungen bewahrt.

Ausführlich schildert sie eingangs ihr gutbürgerliches Familienleben in Königsberg, das ein so jähes Ende fand. Sie berichtet von kontroversen Ansichten ihrer Eltern und Tanten über den Nationalsozialismus, von Ausflügen in die idyllische ländliche Umgebung und vom Schulalltag.

Als Königsberg in der Nacht vom 26. auf den 27. August 1944 bei dem ersten der beiden kurz aufeinander folgenden Luftangriffe durch britische Bomber zerstört wurde, saß die fast 14-jährige Dorothea mit ihren beiden älteren Schwestern in einem voll besetzten D-Zug, der sie in den Westen bringen sollte. Da ihre älteste Schwester hochschwanger war, hatte der Vater, ein städtischer Beamter, allen drei Töchtern Fahrkarten für einen Zug besorgen können, mit dem junge und werdende Mütter mit ihren Kindern evakuiert wurden. In ihrer kindlichen Naivität hatte Dorothea die verhängnisvolle Lage der Stadt und ihrer Bewohner noch gar nicht erfasst und sie wunderte sich, dass beide Schwestern und viele andere Frauen bei der Abreise weinten. Angesichts der jahrelangen Berichte über die Bombardierungen deutscher Städte und der zuletzt regelmäßig auftauchenden feindlichen Späher, die jedes Mal von der deutschen Abwehr vertrieben wurden, erscheint dies unverständlich. Doch das junge Mädchen verließ sich vollkommen auf das Versprechen der Eltern, dass sich alle demnächst wiedersehen würden. Der Vater glaubte an den Endsieg, und die Eltern waren nicht von ihrem Vorsatz abzubringen, in Königsberg auszuharren.

In Dessau angekommen, erleben die Schwestern die erste Zurückweisung: Der Onkel weigert sich, sie aufzunehmen, und vermittelt ihnen getrennte Unterkünfte. Dorothea wird zu einer Verwandten nach Dresden-Radebeul geschickt. Doch zu Weihnachten zieht es sie zu ihren Eltern nach Königsberg, die mittlerweile in einem Vorort leben. Dann muss sie sich wieder losreißen, fährt zurück nach Dresden – und überlebt in einem Luftschutzkeller die Apokalypse der Stadt. Bei Kriegsende ist sie mit ihren Schwestern und der kleinen Nichte in Cattenstedt am Harz. Als sich dort im Mai das Gerücht verbreitet, dass aus der britischen Besatzungszone eine russische werden soll, ziehen die Schwestern mit dem Baby weiter in Richtung Westen, ins Ruhrgebiet zu Verwandten des Schwagers.

Erst eineinhalb Jahre später erfuhr Dorothea vom Schicksal der Eltern. Ihre Mutter gehörte zu den schätzungsweise 20000 von 150000 Königsbergern, die den Russen im April 1945 in die Hände fielen, die gegen Ende des Jahres noch lebten. 1948 kam sie nach Sachsen in ein Umsiedlerlager. Was mit ihrem Mann geschah, erfuhr sie erst dort von einer Augenzeugin. Er gehörte zu den Hunderten von Männern, die 1945 vor die Universität getrieben wurden. Dort wurden sie von russischen Soldaten mit Maschinengewehren niedergemäht.           

Leider hat sich die Autorin auf die Wiedergabe zweier eigener Porträtfotos und einzelner Dokumente wie Briefe und amtliche Mitteilungen beschränkt. Man hätte sich viel mehr gewünscht. Dagmar Jestrzemski 

Dorothea Conrad: „Schreib auf, worüber du nicht sprechen kannst“, verlag regionalkultur, Heidelberg 2010, geb., 280 Seiten, 14,90 Euro


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