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02.04.11 / Was wussten die Deutschen? / Alfred M. de Zayas belegt, dass der Holocaust ein Staatsgeheimnis war

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-11 vom 02. April 2011

Was wussten die Deutschen?
Alfred M. de Zayas belegt, dass der Holocaust ein Staatsgeheimnis war

Noch ein Buch über das, was die Deutschen von Hitlers Mega-Verbrechen wussten oder nicht wussten! Dieser Seufzer kommt dem Kenner der Literatur über die Lippen angesichts der Vielzahl einschlägiger Veröffentlichungen, zuletzt Peter Longerich: „Davon haben wir nichts gewusst“ und Frank Bajohr/Dieter Pohl: „Der Holocaust als offenes Geheimnis“. Wer dennoch zu „Völkermord als Staatsgeheimnis – Vom Wissen über die ‚Endlösung der Judenfrage‘ im Dritten Reich“ von Alfred M. de Zayas greift, bereut es nicht. Das Buch ist das Ergebnis von mehr als 35 Jahren Forschung in amerikanischen, britischen, deutschen und schweizerischen Archiven sowie Hunderten von Interviews mit Zeitzeugen, Beamten, Diplomaten, Heeres-, Marine- und Luftwaffenrichtern sowie auch Anklägern und Verteidigern beim Manstein-Prozess. So dokumentiert de Zayas, ein US-amerikanischer Völkerrechtler und Historiker, der Standardwerke über die Vertreibung und über die Wehrmacht-Untersuchungsstelle für Verletzungen des Völkerrechts veröffentlicht hat, viel Neues und geradezu Sensationelles.

Doch zunächst zur Gliederung: Nach einer Skizze der zeitgeschichtlichen Forschung und der zeitgeschichtlichen Mängel bietet de Zayas Porträts namhafter Funktionäre des Dritten Reiches immer mit Blick auf die Frage, ob ihnen nach Kriegsende Mitwisserschaft nachzuweisen war. Einer aus dieser Galerie der Schwerstbelasteten ist Hitlers Nachfolger als Staatspräsident, Karl Dönitz, dem die Sieger in Nürnberg keine Mitwisserschaft hinsichtlich der Judenmorde anlasten konnten, und den de Zayas zweimal interviewte. Ein weiterer ist ein SS-Richter. Gönnen wir uns eine kurze Leseprobe: „Vielleicht erscheint die Haltung Dönitz’ im Jahre 2010 [er hatte 1945 die Verfolgung der NS-Mörder angeordnet] erstaunlich … Aber was ist unwahrscheinlicher als die Tatsache, dass die deutsche Gestapo in Lublin es war, die im Jahre 1943 die Morde in Lublin-Majdanek entdeckte und um eine Aufklärung der Morde ersuchte, und dass es der mit der Untersuchung von Korruptionsfällen beauftragte SS-Richter Dr. Georg Konrad Morgen war, der auf die Spur der Morde in Auschwitz kam und Verfahren einleitete, unter anderem gegen … Rudolf Höß und SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann.“

Was wusste der Widerstand? Sogar ein Mann wie Hellmuth James Graf von Moltke wusste nur Bruchteile. So lautet eine Einsicht, die wir der Lektüre verdanken.

Natürlich hat es über die Täter hinaus Mitwisser gegeben, nach de Zayas’ Schätzung: ein Prozent Beteiligte und fünf Prozent Mitwisser. Doch Wissen allein begründet noch keine Schuld. Die beste Freundin der Mutter des Rezensenten hatte drei Söhne. Der älteste wurde, weil geistig behindert, Opfer der „Euthanasie“ wie Hunderttausend andere. Also von Hitler ermordet! Das wusste die Mutter, das wussten der Vater und die Brüder (und auch wir). Dennoch taten die Männer als Soldaten weiter ihren Dienst. Was wäre die Alternative gewesen? Hätten sie den Dienst verweigert, hätte die leidgeprüfte Frau alle Söhne und ihren Mann verloren. Gab es bei anderen Völkermorden Befehlsverweigerung in großem Umfang? Konnten die Verbrechen geheimgehalten werden, zum Beispiel die Liquidierung der Armenier? Lange Zeit ja. Und bis heute wissen es Millionen nicht oder wollen es nicht wissen.

De Zayas hat seine Forschung vollkommen unbefangen begonnen. Er hat gefragt und hinterfragt. Er stellt den Deutschen keinen Persilschein aus, lehnt aber die Kollektivschuldthese nicht nur als unhistorisch, sondern vor allem als menschenverachtend ab. Das Buch gehört in jede Bibliothek.

Konrad Löw

Alfred de Zayas: „Völkermord als Staatsgeheimnis – Vom Wissen über die ‚Endlösung der Judenfrage‘ im Dritten Reich“, Olzog, München 2011, gebunden, 208 Seiten, 26,90 Euro


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