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02.04.11 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-11 vom 02. April 2011

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Stuttgarter Zeitumstellung / Die tapferen Sieben Schwaben / Wie umweltverträglich ist Claudia Roths Farbwahl?/ Das freie Wochenende der Kanzlerin

Tapfer waren sie, die Sieben Schwaben. Legten sich mit einem Untier an, das sich allerdings letztendlich als Hase entpuppte. Was den Schneid der Sieben Schwaben jedoch nicht minderte, denn der Hase hätte schließlich auch ein Untier sein können. Allein darauf, was vorstellbar sein könnte, kommt es bei der Beurteilung des Mutes an. Seit dem vergangenen Sonntag ist den Schwabenstreichen ein weiterer hinzuzufügen. Da haben sie die Uhren umgestellt – wie wir alle. Nur waren die alemannischen Volksstämme dabei ungleich radikaler. Sie schafften mit der neuen Zeit auch die traditionelle Erbfolge im Stuttgarter Landeshaus ab, wechselten die Landesfarben von Schwarz auf Grün und beendeten zugleich die Zukunft der Atommeiler. Die Erschütterungen dieser Stuttgarter Zeitumstellung werden noch lange anhalten, viele Nachbeben folgen lassen und manche Zukunftsplanung persönlicher Art zur Makulatur werden lassen.

Auf der Schwäbischen Alb kann die Erde schon mal ein bisschen wackeln, damit muss man rechnen. Aber dass die Ausläufer eines Erdbebens in Japan die Schwäbische Alb erreichen, das war nicht zwangsläufig zu erwarten. Aber so ist das eben immer: Man kann gar nicht so blöd denken wie es kommen kann. Darum hat man uns auch immer versichert, die Kernkraftwerke bei uns im Land seien erdbebensicher. Das sei zwar gut, aber eigentlich gar nicht notwendig, weil so ein richtiges Erdbeben gar nicht stattfinden könne. Weil, haben sie uns gesagt, wir uns für unser Land einen schönen Platz mitten auf einer Erdplatte ausgesucht haben. Da wackelt es nicht so. Jedenfalls nicht so wie am Rand einer Erdplatte. Aber das ist eine Geschichte von gestern. Heute, also einige Tage nach der Stuttgarter Zeitumstellung, sind viele Geschichten „von gestern“. Jetzt wissen wir, dass es egal ist, ob wir am Rand einer Erdplatte wohnen oder mitten drauf, Ausläufer können uns überall erwischen, selbst dann, wenn auf unserem Teil der Erdplatte alles noch ruhig bleibt.

Wir haben immer davor gewarnt, triumphieren nun die grünen Schwaben. Und die anderen Grünen anderswo auch. Die Sonne der Kernkraftgegner ging auf, als Fukushima unterging. Je verstrahlter die Umgebung des japanischen Kernkraftwerkes wurde, desto heller leuchtete die Sonne der Anti-Atombewegung hierzulande. Ob die Kantine des Landtages in Stuttgart in Dankbarkeit für die Wahlhilfe aus Japan künftig kostenloses Sushi anbietet, wird noch in den entsprechenden Gremien geprüft. Die Aussichten, den Vorschlag zu realisieren, gelten als gut, wenn der erste grüne Ministerpräsident sein Amt antritt.

Nach der Stuttgarter Zeitumstellung drohte Jürgen Trittin vor Freude schier zu platzen, eine Überprüfung des Blutdrucks scheint unter medizinischen Gesichtspunkten angeraten. Und Claudia Roth

drückte ihre überbordende Zufriedenheit wie gewohnt mit einem Outfit aus, dessen schrille Farbkombination dringend auf ihre Umweltverträglichkeit überprüft werden müsste.

Rainer Brüderle hingegen wirkte selbst im dunkelblauen Anzug am Wahlabend wie in Sack und Asche. Recht so. Brüderle hat’s vermasselt, das hat Folgen. Aber gegen die Macht des Schicksals hätte seine Partei sich auch nicht stemmen können, wenn Brüderle keine Protokoll-Affäre gehabt hätte. Egal, was er bei ein paar Herren des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ausgeplaudert hat oder nicht ausgeplaudert hat, er hat nichts gesagt, was nicht ohnehin jeder wusste. Und was bei der Wahl am vergangenen Wochenende hinreichend bestätigt wurde. Oder will jemand sagen, die Wahlentscheidung sei rational nachvollziehbar? Verständlich ja, aber rational? Diffuse Ängste sind niemals rational und darum auch nicht rational zu beseitigen. Angst bleibt Angst.

Gerade darum aber darf man eben nicht alles sagen. Sonst hat man bald nichts mehr zu sagen. So kann es auch einer ganzen Partei gehen. Aber den doppelten Absturz der Freien Demokraten in die Bedeutungslosigkeit mit einem unbedachten Plauderstündchen zu erklären, wäre zu bequem. Und nicht ausreichend. Guido Westerwelle hat denn auch schon mal vorsorglich seinen Westwall gezogen, als er noch vor dem Schließen der Wahllokale erklärte, er werde auf keinen Fall zurücktreten, ganz gleich, wie die Wahl ausgehe. Da muss er schon was geahnt haben, aber dass es so schlimm kommen könnte, dafür dürfte die Phantasie nicht ausgereicht haben. Und so muss das Publikum dem Parteivorsitzenden und Außenminister schon wieder beim Aufbau einer Verteidigungslinie zusehen. Wir wissen ja, der Mann lässt sich den Schneid nicht abkaufen.

Wegducken ist auch keine gute Taktik. Die funktioniert höchstens für eine kurze Zeit. Dass sie ausgerechnet von der Schwäbischen Hausfrau gerüffelt wurde, mag Angela Merkel besonders geschmerzt haben. Natürlich waren auch etliche Schwäbische Hausmänner dabei, aber das kann die Kanzlerin leichter wegstecken, weil gerade unter Hausmännern viel Grünzeug zu vermuten ist. Aber die Schwäbische Hausfrau mit ihrem Sinn für Sauberkeit und Sparen … Nun wird sie sehen, was sie davon hat, wenn im Stuttgarter Parlament die Grünpflanzen sprießen.

Jedenfalls war nach der Stuttgarter Zeitumstellung von Angela Merkel erst einmal nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie gerade ihr freies Wochenende (was man der armen Frau ja auch wirklich von Herzen gönnen kann, was hat die nicht alles um die Ohren: den Gaddafi piesacken, aber nicht bekriegen; die Schulden von irgendwelchen leichtlebigen Randstaaten Europas absichern, aber nicht begleichen; den Köhlern in ihren Atommeilern die Lust am Kokeln verderben, aber den Strom aus der Steckdosen billig machen). Will sagen, die arme Frau hatte sich ihr freies Wochenende wirklich verdient. Schließlich sollte sie am Montag ausgeruht weiterregieren. Dass ihr dann genug Kladderadatsch vor die Tür gekehrt würde, war auch ohne die Stuttgarter Zeitumstellung klar. Aber wetten, dass … aus dem entspannten Sonntagabend im Hause Merkel nichts wurde. Trotzdem gehörte sie zu den wenigen, die beim medialen Großaufgebot unsichtbar blieben.

„Im Lichte neuer Erkenntnisse“ werde die Energiepolitik zu überprüfen sein, hatte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle bereits vor der Wahl angekündigt, als er noch wegen seines Plauderstündchens mit dem Industrieverband in Verteidigungsstellung gegangen war. Was war das für eine Lappalie. Das dicke Ende kam erst noch. Nicht nur für Brüderle. Überall sieht man Führungspersonal der Berliner Koalition in Deckung gehen. Alle Parteien haben verloren, nur die Grünen nicht. Was aber nicht bedeutet, dass auch der SPD-Gabriel in Deckung gehen muss. Der ist immer obenauf, selbst bei zehn Prozentpunkten minus. Das macht doch nichts. SPD-Gabriel schwingt sich auf das grüne Trittbrett und ab geht es mit Volldampf zum Sieg. Nur nicht bange machen lassen.

Die Schwarzen und die Gelben, die dürfen nicht auf ein grünes Trittbrett, die haben nur sich selbst. Und das ist zurzeit reichlich wenig. Deshalb noch einmal wetten, dass … „im Lichte neuer Erkenntnis“ in nächster Zeit noch mehr Wenden und Wechseln auf uns einprasseln. Da war in den vergangenen Wochen dem Bürger schon einiges zugemutet worden. Die Kurswechsel bei Kernkraft, Libyen, Wehrdienst und Euro-Rettung hatten bereits ein rasantes Tempo, aber vermutlich werden wir sie eines Tages als moderat ansehen im Vergleich zu den zu erwartenden Wenden und Wechsel. Die erste Vokabel dafür wurde bereits von der CDU in Umlauf gebracht: „Modifizierte Energiepolitik“. Das ist prima unverbindlich, weich wie ein Marshmellow, auch Mäusespeck genannt. In solch einem weichen Wort lässt sich viel verstecken. Und mancher Schwenk wird hervorragend gefedert. Marshmellow-Worte sind politisch immer beliebt. Schließlich haben sie keinen Inhalt, genauso wie die Marshmellows selbst, die auch nur aus Eischnee, Geliermittel und Zucker bestehen. Und natürlich Farb- und Aromastoffen. Gerade die machen den Mäusespeck hervorragend für alle politischen Zwecke geeignet. Besonders dann, wenn Politik nach Stimmungslage gemacht wird. Davon haben wir jetzt viel zu erwarten.

Wer genau zuhörte bei der Flut von Worten und Worthülsen am Wahlabend, der entdeckte ein gegenwärtig bislang ziemlich ungebräuchliches Wort, geradezu einen Exoten. Mit Demut, war einige Male zu hören, wolle man das übertragene Amt, den Wählerauftrag übernehmen. Warten wir es mal ab.

Hans Heckel macht derzeit Urlaub.


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