19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.04.11 / Zur Übernahme freigegeben / Trotz Hochtief: Bundesregierung ist weiterhin nicht bereit, deutsche Unternehmen zu schützen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-11 vom 09. April 2011

Zur Übernahme freigegeben
Trotz Hochtief: Bundesregierung ist weiterhin nicht bereit, deutsche Unternehmen zu schützen

Auf dem europäischen Markt beginnt sich das Geschäft mit Fusionen und der Übernahme von Firmen wieder zu beleben. Es gelten allerdings sehr unterschiedliche Übernahmeregelungen. Länder wie zum Beispiel Frankreich haben hohe Hürden aufgebaut, um unliebsame Käufer abwehren zu können. Das deutsche Wirtschaftsrecht erleichtert hingegen feindliche Übernahmen. Die Politik sieht keinen Handlungsbedarf.

Bereits seit September 2010 sieht sich Deutschlands größter Baukonzern, die Hochtief AG, einem Übernahmeversuch durch den spanischen Konzern ACS ausgesetzt. Ein Ende des Kampfes ist absehbar, der Konzern, der auf eine Geschichte bis 1873 zurückblicken kann, wird die feindliche Übernahme kaum noch verhindern können. Nach eigenen Angaben hat ACS inzwischen 41 Prozent der Aktien von Hochtief eingesammelt. Bereits bei der nächsten Hauptversammlung am 12. Mai wollen die Spanier wichtige Positionen an den Schaltstellen im Aufsichtsrat von Hochtief neu besetzen.

Der Übernahmeversuch durch ACS stößt auf Skepsis, vor allem wegen der ernüchternden Geschäftsbilanz – das Unternehmen hat Schulden von fast zehn Milliarden Euro angehäuft. Die Vorwürfe von Kritikern, dass ACS sich mit der Übernahme von Hochtief sanieren wolle, sind nicht unbegründet: Im Jahr 2002 hatte das Unternehmen die Mehrheit beim damaligen spanischen Marktführer Dragados übernommen und das Unternehmen später ausgeschlachtet. Ähnliches wird im Fall von Hochtief befürchtet.

ACS hat geschickt gesetzliche Lücken genutzt – mithilfe eines Hedgefonds, der Hochtief-Aktien gegen ACS-Aktien tauschte, wurde zunächst die 30-Prozent-Schwelle am Aktienbestand überschritten. Nach dem Erreichen dieser Marke kann ACS bei günstiger Gelegenheit weitere Aktien zukaufen, ohne den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot machen zu müssen. Das Umgehen des Pflichtangebots wurde von der deutschen Finanzaufsicht nicht beanstandet, denn angeblich hat sie ein abgestimmtes Vorgehen zwischen ACS und dem Hedgefond, ein sogenanntes „acting in concert“, nicht erkennen können.

Auch die Hoffnung von Hochtief auf eine Gesamtprüfung des Übernahmeversuchs durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) war vergebens. Dabei wären Gründe, die Übernahme zumindest vorübergehend zu untersagen, bis gravierende Vorwürfe gegen ACS geklärt sind, vorhanden gewesen: In Spanien sieht der Baukonzern sich nicht nur Vorwürfen der Aktionärsvereinigung Aemec ausgesetzt, Aktionärsrechte verletzt zu haben, noch schwerwiegender sind die Vorwürfe wegen Bilanzfälschung, die derzeit in einem Verfahren juristisch geklärt werden: Im Jahr 2009 soll ACS nicht wie angegeben einen Gewinn von 988 Millionen Euro gemacht haben, sondern ein Minus von 405 Millionen Euro.

Trotz der überaus bedenklichen feindlichen Übernahme von Hochtief lehnt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) eine Reform des deutschen Übernahmerechts weiterhin ab: „Wenn man Unternehmen ‚schützt‘ und damit dem Wettbewerb entzieht, verlieren sie ihre Wettbewerbsfähigkeit.“ Die Realität sieht allerdings häufig so aus, dass wettbewerbsfähige Unternehmen von Beteiligungsfirmen oder Konkurrenten, die man eher als wenig wettbewerbsfähig bezeichnen kann, aufgekauft und anschließend zur Bedienung von Schulden ausgeschlachtet werden. Angesichts laxer Übernahmeregeln sind gerade deutsche Unternehmen mit hohen Finanzreserven und geringer Verschuldung zum Ziel von Firmenjägern geworden. Deutsche Unternehmen stoßen bei Übernahmeversuchen dagegen häufig auf abgeschottet Märkte: Als der deutsche Versorger Eon 2006 zum Beispiel den spanische Energiekonzern Endesa übernehmen wollte, traf er auf erbitterten Widerstand von spanischen Politikern und Unternehmern, ähnlich erging es Siemens auf dem französischen Markt.

Zurzeit findet in Italien eine lebhafte Diskussion über den Schutz der eigenen Wirtschaft statt. Gefürchtet wird eine massive Übernahmewelle vor allem durch französische Konzerne: Der staatlich dominierte Versorger ÉDF will die Kontrolle über den italienischen Stromkonzern Edison übernehmen, der Lebensmittelkonzern Parmalat befürchtet ebenfalls die Übernahme durch einen französischen Konkurrenten. Zur Abwehr feindlicher Übernahmen will der italienische Finanzminister eine Liste von Branchen erstellen, die für das Land als strategisch wichtig gelten und vor Übernahmen geschützt werden sollen. Das Vorbild für dieses Vorgehen: Frankreich.

Dass Standortpolitik nicht in staatlichem Dirigismus nach französischem Modell enden muss, beweist die Schweiz. Dort gestattet das Aktienrecht, dass sich Unternehmen per Satzung vor Übernahmen schützen. Zum Beispiel kann durch eine Begrenzung beim Aktienerwerb  der Einfluss von Käufern begrenzt werden. Von solchen Möglichkeiten können die Verantwortlichen in deutschen Aktiengesellschaften bisher nur träumen. Ihre Treue zum Standort wird durch das  Übernahmerecht wie im Fall Hochtief sogar noch bestraft.          Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren