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09.04.11 / Seriöse Lösungen gefragt / Eine Fülle von Artikeln macht den Alltag für Senioren und behinderte Menschen einfacher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-11 vom 09. April 2011

Seriöse Lösungen gefragt
Eine Fülle von Artikeln macht den Alltag für Senioren und behinderte Menschen einfacher

In zwei Jahrzehnten wird ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein, bis 2050 wird sich dieser Anteil sogar verdoppeln und bei 60 Prozent liegen – mit anderen Worten: Die meisten Käufer in Deutschland sind dann grauhaarig. Doch welche Produkte brauchen und wollen Senioren? Und was zeichnet seniorentaugliche Produkte aus?

In speziellen Geschäften wie „Seniola Fachhandel“ oder „Senior aktiv“ sind sie zu haben: pfiffige Gegenstände, die viele Tätigkeiten im Alltag vereinfachen. Dort findet man Dosen- und Flaschenöffner in verschiedener Form und Technik, elastische Schuhbänder, ergonomische Stifte sowie sprechende Fieberthermometer, Taschenrechner und Waagen. Es gibt eine Fülle von Artikeln, die viele Tätigkeiten für Ältere oder Menschen mit Behinderung einfacher machen. „Zu uns kommen viele Kunden, um die technischen Geräte auszuprobieren und sich beraten zu lassen“, sagt Holger Merbach, dessen Laden „Senior aktiv“ gerade als erstes Geschäft in Hamburg das Qualitätssiegel „Generationenfreundliches Einkaufen“ im Einzelhandel erhielt. „Sich auf den demografischen Wandel einzustellen ist in vielen Branchen eine der großen Chancen der nächsten Jahre“, meint Mathias Knigge vom Design- und Beratungsbüro „grauwert“.

Doch wie sollen Produkte für Ältere aussehen? Welche Kriterien müssen sie erfüllen? „Die Produkte sollen den Alltag erleichtern und Tätigkeiten vereinfachen“, erklärt der Ingenieur, der sich auf Produktdesign für Verbraucher ab 50 Jahren spezialisiert hat.

„Ältere Menschen möchten elegante seriöse Produkt- und Designlösungen“, weiß Knigge, „dafür gibt es in Zukunft einen großen Bedarf. Wir müssen weg von Sonderlösungen für Senioren hin zu Produkten, die für alle Altersgruppen tauglich sind und dabei gut aussehen.“

Ebenso erteilt Ernst Pöppel von der Ludwig-Maximilians-Universität München der landläufigen Ansicht, dass für Senioren spezielle Produkte entwickelt werden müssen, eine Absage. „Produkte, die ausschließlich auf Ältere zugeschnitten sind, werden nie erfolgreich sein“, meint er. Im Gegenteil: „Produkte müssen barrierefrei und integrativ sein, also für zehn- bis 80-Jährige entwickelt werden, es darf keine Segmentierung der Gesellschaft geben, sonst fühlen sich die Menschen stigmatisiert, denn sie möchten ja dazugehören.“

Doch anstatt ältere Menschen zu hofieren, vergällt die Wirtschaft die Klientel im Rentenalter, beispielsweise mit Verpackungen, die sich nur schwer öffnen lassen, und Beschriftungen, die man nur mit der Lupe lesen kann. Christian Floerke ärgert sich regelmäßig, wenn er etwa die winzigen Produktinformationen auf Kosmetikartikeln nicht entziffern kann. „Die sind meistens in glänzendem Gold gedruckt, das reflektiert dann so schön im Kaufhauslicht“, spottet der Senior-Scout, der für die Nürnberger Agentur für Generationen-Marketing Konsumbarrieren aufdeckt. „Ältere Menschen werden regelrecht diskriminiert“, urteilt der 67-Jährige.

Jahrzehntelang haben die Berufsgestalter die Senioren links liegenlassen. Doch nun fangen sie an, sich der Herausforderung zu stellen, Dinge zu entwerfen, die auch Menschen jenseits der Altersgrenze 50 gefallen. Dabei haben sie nicht den gebrechlichen Rentner aus dem Reha-Zentrum im Visier, sondern die aktiven, konsumerfahrenen und zahlungskräftigen „Woopies“ („well off older people“) oder Silver Agers, wie Senioren heute gern genannt werden.

Das neue Zauberwort heißt Universal Design. Der Begriff steht für intelligente und gutgestaltete Produktideen, die allen Menschen das Leben leichter machen.

„Universal Design ist flexibel einsetzbar, generationenübergreifend, selbsterklärend, ohne körperliche Beanspruchung nutzbar und ästhetisch“, erklärt Karin Schmidt-Ruhland. Gemeinsam mit Knigge erforschte die Professorin an der Universität der Künste Berlin beim Projekt „sentha“ (seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag), welche Haushaltswaren Senioren sich wirklich wünschen.

Das Ergebnis: Bevorzugt werden solche Produkte, die bequem, sicher und trotzdem nicht hässlich sind. Wie etwa der Teleskop-Spaten von Fiskars, bei dem sich Ästhetik und Ergonomie perfekt ergänzen. Das Gartenutensil verfügt über einen ausziehbaren Griff, der sich auf die Körpergröße einstellen lässt.

Ebenso simpel wie genial ist auch das „Brotmesser 365+“: Der Griff wurde um 90 Grad nach oben gekippt, so dass er wie ein Schalthebel in der Hand liegt.

Siemens hat diese Problematik erkannt und entwickelt unter dem Konzept „Design for All“ Produkte für alle Altersgruppen, wie etwa das Schnurlostelefon Gigaset E150, das besonders große Tasten hat, sowie einen Backofen, dessen Tür seitlich aufschwenkt, und einen Kühlschrank mit ausziehbaren Schubladen – die Produkte sind für die Nutzer leichter bedienbar. Nach Einschätzung von Andreas Reidl, Geschäftsführer der Agentur für Generationen-Marketing in Nürnberg, bietet bislang lediglich ein Fünftel der Unternehmen in Industrie und Handel Produkte an, die Bedürfnissen von Senioren entsprechen. „Der Rest muss noch wachgeküsst werden“, meint er, „denn die Angst der Hersteller, ihr jugendliches Image zu verlieren, sitzt tief.“            Corinna Weinert


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