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16.04.11 / Mit in die Tiefe gerissen / Deutschland will den Euro retten, doch Experten schätzen die Chancen auf Erfolg gering

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Mit in die Tiefe gerissen
Deutschland will den Euro retten, doch Experten schätzen die Chancen auf Erfolg gering

Für viele Fachleute führt die jetzige Euro-Rettung eher zu einer Schwächung statt zu einer Stärkung Europas. Die Anspruchshaltung der Nehmerländer, die Nachgiebigkeit der Geberländer, allen voran Deutschland, und der Mangel an festen ökonomischen Richtlinien können ihrer Meinung nach nur in einem Scheitern der Euro-Rettung münden.

Die Warnungen namhafter Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler vor der stark umstrittenen Euro-Stabilitätspolitik in der Eurozone sind unüberhörbar geworden. Die währungspolitischen Beschlüsse der Regierungen, der  Europäische Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission laufen den Beinahe-Pleiten der überschuldeten Eurostaaten Griechenland, Irland und Portugal hinterher. Diese Staaten sind nun Kostgänger der EU-Transferunion geworden. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, dass weitere marode Eurostaaten Hilfe benötigen. Die Politik in Deutschland – das gilt für die Regierung wie für die Opposition – informiert die Menschen absolut ungenügend über die eingetretenen währungspolitischen Risiken.

Hans-Werner Sinn, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität in München und Präsident des angesehenen ifo-Institutes (Institut für Wirtschaftsforschung), schreibt in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“: Die Bundeskanzlerin habe nun der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass mit dem Abkommen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) die Gemeinschaftswährung Euro dauerhaft stabilisiert sei. Davon könne überhaupt keine Rede sein. Das Rettungssystem sei vielmehr eine tickende Zeitbombe, deren Sprengkraft selbst die schlimmsten Ahnungen der Öffentlichkeit übersteige. Das ESM-Abkommen rette den Euro nicht, aber es laste Deutschland ungeheure Risiken auf.

Blenden wir zurück: Ursprünglich galt für die Bundesregierung, dass kein Land in der Euro-Zone für die Schulden eines anderen Eurolandes aufkommen müsse. Heute ist die Euro-Zone eine Transferunion zur Verschiebung von Schulden. Im Juli 2010 verkündete der deutsche Finanzminister, dass die Rettungsschirme 2013 auslaufen, weil man das so vereinbart habe. Heute haben wir das dauerhaft installierte ESM-Abkommen.

Prof. Sinn beendet seinen Gastbeitrag mit folgenden Aussagen: „Leider hat es Deutschland versäumt, eindeutige Kreditbedingungen in Form einer klar definierten und rechtsverbindlichen Krisenprozedur auszuhandeln, bevor es sich verpflichtete, die verlangten Bürgschaften zur Verfügung zu stellen. Eine solche Prozedur hätte den Übergang von einer bloßen Insolvenzkrise mit großzügigen Hilfen in den Zustand der drohenden Insolvenz mit einer zwingenden Beteiligung der Gläubiger, bei den jeweils fällig werdenden Staatsanleihen bis hin zur vollen Insolvenz, mit einem umfassenden Schuldenmoratorium festlegen müssen. Nicht die weitere Öffnung des Geldhahns, sondern allein eine Prozedur, die seine allmähliche kontrollierte Schließung sicherstellt, kann Europa jetzt noch retten. Der Pakt für den Euro und der sogenannte Europäische Stabilitätsmechanismus aber schwächen den Euro, unterminieren den Zusammenhalt Europas und gefährden das europäische Einigungswerk.“

Prof. Ulrich Blum, Leiter des Wirtschaftsinstitutes in Halle und Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaft an der Universität Halle, kritisierte in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ die „Rettungsschirmpolitik“ für den Euro hart. Allen Zentralbanken sei es schon immer streng verboten gewesen, Schuldpapiere anderer Länder aufzukaufen. Die EZB habe dies leider im großen Umfang getan. Jeder Fachkundige wisse, dass Griechenland auch zukünftig seine Schulden nicht zurückzahlen könne. Griechenland habe Minuswachstum, um Schulden zu tilgen, sei Wirtschaftswachstum erforderlich. Blum empfahl, dringend für die Euro-Zone Richtlinien für eine geordnete Staatsinsolvenz zu erarbeiten.

Prof. Wilhelm Hankel, der frühe Leiter der Währungsabteilung im Bundeswirtschaftsministerium, schreibt bezüglich der Einrichtung des Stabilitätsfonds: „Der Rettungsschirm rettet weder den Euro noch die Bankrottstaaten vor den Folgen ihrer Misswirtschaft. Es werden nicht die Fast-Pleitestaaten entschuldet, sondern deren Geldgeber: Banken, Fonds und Versicherungen … Der Finanzminister bekundet, dass ihm nicht die Stabilität der Staatsfinanzen am Herzen liegt, sondern Europa. Eines lässt sich jetzt nicht mehr gebetsmühlenhaft behaupten: Deutschland profitiere vom Euro. Jetzt sieht jeder, dass und wie er Deutschland ruiniert: Wie ein Ertrinkender, der den Retter in die Tiefe reißt.“      Wilhelm v. Gottberg


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