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16.04.11 / Tschernobyl  ist (nicht) überall

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Tschernobyl  ist (nicht) überall

Fast 25 Jahre nach Tschernobyl erlebten wir erneut einen schweren Unfall mit einem Kernkraftwerk. Diesmal in Japan, wo man mit Schlampereien à la Kreml eher nicht rechnet. Prompt folgte der politisch willkommene Umkehrschluss: Fukushima heute ist wie Tschernobyl damals, der Beweis für die Unsicherheit und Unbeherrschbarkeit der Kernkraft. Also: Sofort abschalten!

In Wahrheit sind die beiden Unfälle nicht miteinander vergleichbar. Der russische RBMK-1000 war (und ist) vom nukleartechnischen Prinzip her gefährlich. Die Umstände, die am 26. April 1986 zum GAU führten, waren zwar mutwillig herbeigeführt worden, hätten aber auch im Normalbetrieb eintreten können. Dass Russland solche Schrottreaktoren im Jahre 2011 noch am Netz hält, ist unverantwortlich, wurde in der aufgeregten deutschen Anti-Atom-Debatte aber nicht thematisiert.

In Fukushima stehen sechs Siedewasserreaktoren älterer Bauart (von 1971 bis 1979), die aber durchaus noch modernen Sicherheitsstandards entsprechen. Ausgelöst wurde der Unfall nicht durch Schlamperei, sondern durch eine Naturkatastrophe. Allerdings war der Erdbeben- und Tsunamischutz bei weitem nicht ausreichend. Betreiber Tepco war auf eine Flutwelle von sechs Metern eingestellt; tatsächlich war sie am 11. März 14 Meter hoch. Das AKW Onagawa hingegen (seit 1984 in Betrieb, ebenfalls Siedewasserreaktoren, Betreiber Tohoku) steht auf einem 15 Meter hohen Sockel – und wurde kaum beschädigt. Dies zeigt: Kernenergie ist sehr wohl beherrschbar. Allerdings müssen die Sicherheitsbestimmungen streng gefasst und strikt eingehalten werden. Darauf sollte sich die Diskussion konzentrieren, nicht nur auf „Ausstieg sofort“.      H.J.M.

 

Zeitzeugen

Demokrit – Dem griechischen Philosophen (460–370 v. Chr.) verdanken wir den Begriff Atom. Der Vorsokratiker war der erste, der auf die Idee kam, alle Materie sei aus kleinsten, nicht mehr teilbaren (atomos) Einheiten zusammengesetzt. Auf dieser These baute sein als „atomistischer Materialismus“ bezeichnetes Weltbild auf, in das er ausdrücklich Geist und Seele einbezog. Der fundamentale Irrtum des antiken Denkers bestand darin, dass die „Atome“ eben doch nicht unteilbar sind.

Otto Hahn, Fritz Straßmann, Lise Meitner – Am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin gelang Hahn (1879–1968, Chemie-Nobelpreis 1951) und Straßmann (1902–1980) am 17. Dezember 1938 erstmals die Spaltung von Uran-Kernen durch Neutronenbeschuss – freilich ohne dies selbst zu merken. Erst ihre frühere Mitarbeiterin Meitner (1878–1968), die inzwischen nach Schweden emigriert war, interpretierte das Auftreten von Barium bei dem Experiment richtig, nämlich als Spaltprodukt. Mit der Entdeckung der drei deutschen Wissenschaftler war der Weg frei für eine friedliche (und leider auch unfriedliche) Nutzung der in den Atomkernen schlummernden Kräfte.

Franz-Josef Strauß – Der bayerische Politiker (1915–1988) verstand es wie kaum ein anderer, Bewahren und Fortschritt miteinander in Einklang zu bringen. So war es nicht zuletzt diese Fähigkeit, die den 40-Jährigen 1955 an die Spitze des neugegründeten Bundesministeriums für Atomfragen brachte (aus dem das heutige Bundesministerium für Bildung und Forschung hervorging). Strauß organisierte den Einstieg Deutschlands in die friedliche Nutzung der Kernenergie, wobei er auch von der oppositionellen SPD kräftig unterstützt wurde. Auch als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident verzichtete Strauß nicht darauf, zwischen Chancen und Risiken dieser neuen Technologie abzuwägen. Allerdings stützte er sich dabei auf Fakten und Fachwissen statt auf ideologisch geprägte Vorurteile.

Jürgen Trittin – Der 56-Jährige zählt seit den frühen 80er Jahren, als er vom Kommunistischen Bund zu den Grünen wechselte, zu den erbittertsten Gegnern der Kernkraftnutzung. Als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit setzte er den Atomausstieg durch. Dass er Gorleben als nukleares Endlager zu verhindern suchte, gleichzeitig aber Atommülltrans­porte dorthin befürwortete, gegen die er nun als Ex-Minister heftig protestiert, gehört zu den vielen Ungereimtheiten in seinem politischen Leben.


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