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16.04.11 / Ohne Wahrheit keine Versöhnung / Heinz Nawratil über die in der Öffentlichkeit gern verdrängten Fakten zur deutsch-polnischen Vergangenheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Ohne Wahrheit keine Versöhnung
Heinz Nawratil über die in der Öffentlichkeit gern verdrängten Fakten zur deutsch-polnischen Vergangenheit

Die beiden zentralen Thesen des Buches „Die Versöhnungsfalle – Deutsche Beflissenheit und polnisches Selbstbewusstsein“ von Heinz Nawratil sind: Die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten fand zwar infolge des Zweiten Weltkrieges statt, war aber nicht nur zur kollektiven Bestrafung der NS-Verbrechen gedacht, sondern vielmehr die Ausführung eines Planes, der schon auf die Zeit vor Hitler zurückgeht. Daraus ergibt sich die zweite These: Der frühere polnische Chauvinismus steht dagegen, für die Vergangenheit die Polen ausschließlich als Opfer und die Deutschen ausschließlich als die Täter der historischen Verbrechen im gegenseitigen Verhältnis zu bezeichnen.

Nawratils Thesen sind in der öffentlichen Debatte unerwünscht. Doch in seinem Buch lassen sich zahlreiche Belege finden. Diese werden gekrönt durch ein Zitat aus den Schriften des Historikers Andreas Hillgruber, an dessen wissenschaftlicher Reputation nichts zu rütteln ist: „Die Komplexität des Geschehens (im Zweiten Weltkrieg) wurde auf unzulässige Weise ausschließlich – fast monokausal – als sachlogische Konsequenz der hybriden Ziele der hitlerschen Expansionspolitik und ihrer rassenideologischen Grundlage interpretiert, ohne dass die davon unabhängigen Ziele der östlichen und westlichen Gegenmächte viel untersucht wurden. Doch war das gegnerische Konzept nicht nur eine Reaktion auf die nationalsozialistische Herausforderung, es entsprach vielmehr lange herkommenden Vorstellungen, die im Kriege nur zum Durchbruch gelangten.“

Und das Niveau unserer deutschen Verantwortlichen in dieser Thematik wird in diesem Buch aus einem Zitat des Bundeskanzlers Helmut Schmidt von 1979 deutlich: „Wenn man ein bisschen in der Geschichte zurückdenkt oder sich orientiert, wie es damals war – 20, 30, 100 oder 200 Jahre – dann gibt es Gebiete, in denen haben nacheinander Wenden und slawische Völker, dann Polen, Russen, dann Deutsche Ritter, dann wieder Polen gesiedelt – ein ewiges Hin- und Hergeschiebe. Um Gottes willen, lasst uns da nicht wieder anfangen.“ Unsere Staatsmänner haben „verinnerlicht“, wie man seit ungefähr 1968 sagt, dass in der deutschen Politik nationale Akzente nach außen im Zweifel nicht konsensfähig sind und nach innen nichts bewirken, als der jeweiligen Opposition die Revanchismuskeule in die Hand zu drücken. So vorsichtig verhält sich auch unsere aktuelle Bundeskanzlerin. Anders ist es nicht erklärlich, dass sie die von Polen her rüde beleidigte Erika Steinbach schlicht im Stich ließ.

Wohlgemerkt: Dem Autor geht es keinesfalls um die nachträgliche In-Frage-Stellung der Oder-Neiße-Grenze. Denn ebenso wenig wie man von denjenigen, der über politische Merkwürdigkeiten bei unseren französischen Nachbarn berichtet, deswegen gleich behaupten kann, er wolle Elsaß-Lothringen zurückfordern, darf derjenige, der einige Einzelheiten über polnischen Chauvinismus zum Besten gibt, als Polenfeind abgestempelt werden.

Eines bleibt allerdings bestehen: In Polen scheint man sich insgeheim dessen bewusst zu sein, dass die deutschen Ostgebiete durch blutiges Unrecht, das gemäß manchen Völkerrechtlern sogar den Tatbestand des Völkermordes erfüllt, erworben worden sind. An diesem fortwehrenden Bewusstsein ändern auch die unverrück-barsten Verträge mit den deutschen Nachbarn nichts. Also muss es nach Kräften verdrängt werden, weshalb man zum Beispiel behauptet, man hätte 1945 die deutschen Ostgebiete gar nicht haben wollen. Aber die West-Ideologen vor 1945, etwa Dmowski, hatten deren Gewinnung als eine „Rück-kehr“ ehemals piastischer Gebiete gefordert, die von den Deutschen nur entfremdet worden seien. Schon auf dem Prager Slawenkongress von 1848 waren Stimmen laut geworden, die Slawen müssten die Germanen kräftig nach Westen zurückdrängen, denn auf beiden Seiten, auf „germanischer“ (deutscher) und auf slawischer, begann man damals, sich in eine Art gegenseitiger Endkampf-Stimmung hineinzusteigern.

Es ist einzuräumen – das tut der Autor allerdings nicht –, dass eine polnische West-Expansion über die 1918/19 erreichten Grenzen hinaus zwar viele publizistische Befürworter fand, aber nicht offizielle polnische Außenpolitik gewesen ist. Der Fall ist ähnlich wie mit der Außenpolitik der Zaren im 19. Jahrhundert, die man nicht für alle Grotesken des in der Intelligenz des Reiches grassierenden Panslawismus in Haftung nehmen kann. Offen bleibt jedoch dabei die Frage, wie expansiv die polnische Deutschland-Politik geworden wäre, wenn die Machtverhältnisse es gestattet hätten.

Nach der Lektüre des Buches entsteht der Eindruck, dass, da man doch nun in Europa friedlich zusammenleben muss, nach 1945 auf deutscher Seite weitaus mehr an selbstkritischer Aufarbeitung der Vergangenheit stattgefunden hat als auf polnischer. Der Autor zitiert Josef Ratzinger, der 1979 sagte, eine Liebe, die den Verzicht auf Wahrheit voraussetze, sei keine Liebe. Diese Anhebung auf die theologische Ebene ist gerade bei den Polen gerechtfertigt, da bei ihnen schon länger die Vorstellung umgeht, sie seien ein „messianisches“ Volk, da eigentlich dazu da sei, eine Art göttlicher Harmonie unter den Völkern zu garantieren. Bei Papst Johannes Paul II. wurde daraus die Vorstellung, Polen müsse der EU beitreten, um diese von innen heraus moralisch zu läutern.

Mit Geschichtsklitterungen kommt man auf diesem Wege jedoch nicht vorwärts, siehe Ratzinger. Auch nicht mit dem in Polen unleugbaren Antisemitismus. Der berüchtigte Madagaskar-Plan zur Abschiebung der europäischen Juden war eine polnische, keine deutsche Erfindung! Das hat damit zu tun, dass ein „messianisches“ Volk sich in Konkurrenz empfinden muss zum „auserwählten“ Volk ...   Bernd Rill

Heinz Nawratil: „Die Versöhnungsfalle – Deutsche Beflissenheit und polnisches Selbstbewusstsein“, Universitas München 2011, gebunden, 263 Seiten, 19,95 Euro


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